Lesejahr C: 2021/2022

Evangelium (Mt 1,16.18-21.24a)

16Jakob zeugte den Josef, den Mann Marias; / von ihr wurde Jesus geboren, / der der Christus genannt wird.

18Mit der Geburt Jesu Christi war es so: Maria, seine Mutter, war mit Josef verlobt; noch bevor sie zusammengekommen waren, zeigte sich, dass sie ein Kind erwartete - durch das Wirken des Heiligen Geistes.

19Josef, ihr Mann, der gerecht war und sie nicht bloßstellen wollte, beschloss, sich in aller Stille von ihr zu trennen.

20Während er noch darüber nachdachte, siehe, da erschien ihm ein Engel des Herrn im Traum und sagte: Josef, Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria als deine Frau zu dir zu nehmen; denn das Kind, das sie erwartet, ist vom Heiligen Geist.

21Sie wird einen Sohn gebären; ihm sollst du den Namen Jesus geben; denn er wird sein Volk von seinen Sünden erlösen.

24Als Josef erwachte, tat er, was der Engel des Herrn ihm befohlen hatte

Überblick

Oft eher im Hintergrund, doch ohne Josef ist die Geschichte Gottes mit den Menschen nicht vollkommen.

1. Verortung im Evangelium
Der Evangelist Matthäus beginnt sein Evangelium mit einem Stammbaum (Matthäusevangelium (Mt) 1,1-16), ihm ist es wichtig zu zeigen, dass Jesus, der Messias, aus dem Geschlecht Davids und damit aus der Familie des großen Königs des Judentums abstammt. Daran schließt sich unmittelbar die Erzählung von der Geburt Jesu an (Mt 1,18-25), aus der der Hauptteil des heutigen Evangeliums entnommen sind. An die Geburtserzählung knüpft dann die Huldigung der Sterndeuter (Mt 2,1-12), die Flucht nach Ägypten (Mt 13-15) und der Kindermord in Bethlehem (Mt 2,13-18) an.

 

2. Aufbau
Die Verse des heutigen Evangeliums teilen sich durch die dazwischen ausgelassenen Verse in drei Teile:
Vers 16 gewährleistet die Einordnung in den bisherigen Zusammenhang des Evangeliums und in die gesamte Heilsgeschichte Gottes.
Die Verse 18-21 geben uns einen Einblick „hinter die Kulissen“ der Geburt Jesu.
Vers 24a berichtet in Form einer „Ausführungsformel“ von Josef als vorbildlichem Gerechten.

 

 

3. Erklärung einzelner Verse


Vers 16: Der letzte Teil des Stammbaums ist im Vergleich zu den anderen Einheiten deutlich länger. Schon damit macht Matthäus darauf aufmerksam, dass hier die Pointe der Abstammungsgeschichte für ihn liegt. Josef stammt aus dem Geschlecht Davids und von seiner Frau Maria „wurde Jesus geboren, der der Christus genannt wurde“. Die Formulierung im Passiv ist für den kundigen Leser schon ein Hinweis darauf, dass es mit der Geburt bzw. mit der Empfängnis des Kindes etwas Besonderes auf sich hat.

 

Vers 18: Der Vers schließt im ersten Teil sowohl an Vers 1 als auch an Vers 16 an. An beiden Stellen wird auf die Abstammung Jesu verwiesen, die nun im Folgenden – in aller Kürze – erzählerisch entfaltet wird.
Der zweite Teil des Verses liefert den Verstehenshorizont für die weiteren Verse und führt uns genauer in die Situation ein, setzt aber auch Kenntnisse voraus. Josef erfährt erst in Vers 20 davon, dass der Heilige Geist Ursprung des Kindes seiner Verlobten ist- Für uns als Leser wird dies in Vers 18 ganz nebenbei erwähnt – eigentlich nur verständlich für diejenigen, die mit der Überlieferung der geistgewirkten Empfängnis vertraut sind.

Verlobung im jüdischen Sinne bedeutet, dass Mann und Frau rechtlich miteinander verbunden sind, sie wohnen aber noch nicht zusammen, die Braut ist noch im Hause der Eltern. Die rechtliche Verbindung zwischen Maria und Josef wird erwähnt, weil sie dir Grundlage ist für die Frage des Josef wie er mit der Tatsache umgehen soll, dass Maria ein Kind erwartet. Eine Verlobung ist nur durch einen Scheidebrief lösbar.

 

Vers 19: Von nun an ist Josef im Mittelpunkt des Geschehens, er wird kurz aber folgenreich charakterisiert: „er ist gerecht“. „Gerecht“ (griechisch: δῐ́καιος) wird in der griechischen Übersetzung des Alten Testaments, der Septuaginta, vor allem für Personen, Menschen und Gott gebraucht. Es beschreibt ein Leben, das den Anforderungen der Mitmenschen in Bezug auf Recht und Ethik einerseits und den Forderungen Gottes im Gesetz andererseits entspricht. Josef ist also ein Mann, der in seinem Handeln sowohl menschlichen als auch göttlichen Anforderungen entspricht. Unter diesen Gesichtspunkten ist die Charakterisierung Josefs nicht nur wichtig, um ihn uns ein wenig vorzustellen, sondern auch, um sein Handlungsvorhaben zu erläutern.

Josef hat die Schwangerschaft Marias entdeckt und steht nun vor der Herausforderung, sich ihr gegenüber verhalten zu müssen. Er weiß, dass Kind ist nicht von ihm, was also tun? In der Auslegung des Verses gibt es hierzu zwei Alternativen:

  • Josef denkt, dass Maria Ehebruch begangen hat und will sie daher aus der Verlobung entlassen.
  • Josef weiß schon vor Vers 20 und der Erläuterung des Engels von der geistgewirkten Empfängnis des Kindes und fühlt sich der Situation nicht gewachsen: Wie soll er Mann einer Frau sein, die von Gott auserwählt wurde?

Eine Entscheidung zwischen den Alternativen ist schwierig, sie relativiert sich jedoch, wenn man bedenkt, dass der Evangelist sicher keine realistische Darstellung der Ereignisse abbilden wollte. Für ihn ist es wichtig, wie sich Josef angesichts der Herausforderung verhält!
Josef hat rein rechtlich zwei Möglichkeiten mit der Schwangerschaft seiner Verlobten umzugehen (vgl. Auslegung zur zweiten Lesung des Sonntags): offizielles und damit öffentliches Verfahren wegen Ehebruch einleiten oder Ausstellung eines Scheidebriefs, für den es nur zwei Zeugen braucht und der damit deutlich weniger Aufsehen erregt.
Die Entscheidung für einen Scheidebrief und damit für eine möglichst heimliche Lösung zeigt seine Gerechtigkeit im alttestamentlichen Sinne: Er wird der Forderung des Gesetzes gerecht UND handelt mit menschlichem Moralgefühl: Er will Maria in Stille aus der Verlobung entlassen.

 

Vers 20-21: Nun greift Gott selbst ein: Im Traum als Moment der Gottesbegegnung ermutigt ein Engel Josef dazu, Maria bei sich zu behalten. „Fürchte dich nicht!“ ist dabei ein typischer Zuspruch angesichts einer Beauftragung, die Gott an einen Menschen richtet. Die Erklärung der Schwangerschaft Marias als von Gott gewirkt soll Josef einerseits davor bewahren falsche Schlüsse über Maria zu ziehen und andererseits ihn in den Auftrag Marias in gewisser Weise einzubeziehen.

Anders als im Lukasevangelium (Lk 1,26-38 und 2,1-7), in dem Josef kaum als Figur in Erscheinung tritt, wird im Matthäusevangelium Josef eine zentrale Rolle zuteil. An ihn ergeht im Traum die Ankündigung des Namens und der Sendung Jesu. Die Nennung des Namens nimmt Vers 16 wieder auf, wo dieser schon einmal genannt wurde. Die Sendung Jesu als „Erlösung von den Sünden“ bringt jüdische Erwartung und christliche Erfahrung zusammen: Die christliche Gemeinde glaubt durch Tod und Auferstehung an die vergebende Kraft des Kreuzestodes Jesu. Der Evangelist Matthäus nimmt das Thema der Sündenvergebung bewusst auch an anderen Stellen ins Evangelium auf (Mt 9,8 und 26,28). Die jüdische Hoffnung richtet sich auf einen Messias, einen Gesalbten Gottes, der sein Volk errettet. Beide Erwartungen und Erfahrungen kommen in der Sendungsbeschreibung des Matthäus zusammen: „er wird sein Volk von seinen Sünden erlösen“.

 

Vers 24a: Zum Abschluss wird die Erfüllung des himmlischen Gebots durch Josef geschildert, dabei wird in dem hier ausgelassenen zweiten Verteil der Vers 20 fast wörtlich wieder aufgenommen.

Auslegung

Das Lukasevangelium lässt Josef, dem Ziehvater Jesu, nur eine kleine Rolle am Rande zukommen. Anders das Matthäusevangelium, in dem Josef derjenige ist, der wesentlich in das Geschehen der Geburt Jesu und in den Schutz seines Lebens eingebunden wird. Zwar ist es Gott, der durch seinen Geist das Kind in die Welt sendet und immer wieder eingreift (Warnung der Sterndeuter und des Josef vor Herodes), um es zu schützen. Aber einmal Mensch geworden ist dieses göttliche Kind auf Menschen angewiesen, die im Sinne Gottes handeln und sich seiner annehmen. Genau dies ist die Rolle des Heiligen Josef, dem wir heute liturgisch gedenken. Er leistet genau diese Unterstützung, die es braucht, damit Gottes Heilsplan sich realisieren kann. Gott warnt, ermutigt, beauftragt Josef, er lässt ihn Anteil haben an dem, was den göttlichen Plan ausmacht. Und Josef? Josef ist gerecht! Er ist gerecht, weil er sich von Gott herausfordern lässt und dessen Pläne als seine Pläne annimmt. Er ist gerecht, weil er vor Gott und den Menschen schaut, worauf es ankommt und dabei Gesetz und Blick auf das Wesentliche vereint. Auch wenn wir über die Jahre des Heranwachsens Jesu nicht viel in den Evangelien erfahren, so ist doch klar: Josef als Vater der Familie sorgt dafür, dass das Kind heranwächst, er stellt materielle und soziale Versorgung sicher und sichert somit, dass das was der Geist in Jesus bewirkt auch zur Entfaltung kommen kann.

In diesem Sinne ist er genauso wie Maria ein starkes Vorbild auf welche Weise Menschen Teil des göttlichen Wirkens sein können. Es braucht Menschen, die mit Treue zu Gott, den Menschen, die ihnen anvertraut sind, und sich selbst ihr Leben leben. Und ohne diese Menschen, die auf Gott hören, versuchen in seinem Sinne zu handeln und für andere zum Vorbild werden, ist Gottes Geschichte mit den Menschen nicht vollkommen.

Kunst etc.

Das Bild von Guido Reni (1640) zeigt den Heiligen Josef, der stolz – wie ein Vater – das Kind in den Armen hält und mit ihm zu lachen scheint. Eine ganz normale Situation in einer ganz und gar nicht normalen Familie.

Guido Reni [Public domain], Der Heilige Josef und das Christuskind (1640) via wikicommons
Guido Reni [Public domain], Der Heilige Josef und das Christuskind (1640) via wikicommons