Lesejahr C: 2021/2022

2. Lesung (Phil 4,4-7)

4Freut euch im Herrn zu jeder Zeit! Noch einmal sage ich: Freut euch!

5Eure Güte werde allen Menschen bekannt. Der Herr ist nahe.

6Sorgt euch um nichts, sondern bringt in jeder Lage betend und flehend eure Bitten mit Dank vor Gott!

7Und der Friede Gottes, der alles Verstehen übersteigt, wird eure Herzen und eure Gedanken in der Gemeinschaft mit Christus Jesus bewahren.

Überblick

Freut euch! Diese Aufforderung hören wir gerne, ist sie doch ganz und gar nicht Alltäglich. In einer Welt mit vielen Imperativen, was zu tun und zu lassen, zu denken und zu glauben ist, ist „freut euch!“ wie eine Atempause in der Hektik der vorweihnachtlichen Tage.

1. Verortung im Brief
Der Apostel Paulus schreibt der Gemeinde von Philippi, der ersten Gemeinde in Europa, während er (wahrscheinlich) in Ephesus im Gefängnis sitzt. Paulus hat zu der Gemeinde eine besonders intensive Beziehung, nur von ihr lässt er sich auch finanziell unterstützen. Im Philipperbrief (Phil), der Korrespondenz zwischen Gemeinde und Apostel geht es sowohl um persönliche Anliegen und Vorhaben des Apostels als auch um die konkrete Situation der Gemeinde.

Kurz vor dem Abschluss des Briefes mit Dank und Segenswünschen knüpft der Apostel Paulus noch einmal an den Anfang des Schreibens an und rückt zwei zentrale Themen in den Fokus: Freude und Sorge.

 

2. Aufbau
Der kurze Abschnitt ist durch die zwei inhaltlichen Schwerpunkte gegliedert, denen zwei Imperative zugeordnet sind: „Freut euch“ (Vers 4) und „sorgt euch um nichts“ (Vers 6). Bestätigende Aussagen „der Herr ist nahe“ (Vers 5) und „der Friede Gottes…wird …bewahren“ (Vers 7) legen ein theologisches Fundament für die Leichtigkeit des Lebens, zu der Paulus einlädt.

 

3. Erklärung einzelner Verse
Verse 4-5: Die doppelte Aufforderung zur Freude knüpft an Phil 3,1 („Im Übrigen, meine Brüder und Schwestern, freut euch im Herrn!“). Auch dort hat die Freude einen Ort oder Ausgangspunkt („in Herrn“), deren Grund in der „Nähe“ des Herrn liegt. Die Naherwartung des frühen Christentums und des Apostels Paulus würde dafür sprechen hier eine rein „zeitliche“ Nähe des Herrn, also seiner Wiederkunft, herauszulesen. Der Gesamtkontext des Abschnitts Phil 4,1-9, in dem es um „Grundhaltungen“ geht und der mit dem zweimaligen Wunsch um den „Frieden Gottes“ (Phil 4,7 und 9) zu Ende geht, macht jedoch auch eine „räumliche“ Lesart möglich. Die direkte Ansprache des Abschnitts (insbesondere Phil 4,8) könnte auf eine Einbettung des Textes in liturgische Zusammenhänge verweisen. Dann wäre die „Nähe“ des Herrn durch den gottesdienstlichen Kontext und vielleicht sogar die Feier des Herrenmahls durchaus „räumlich“-präsentisch zu verstehen.

 

Verse 6-7: Die Aufforderung, sich nicht zu sorgen, knüpft an die zuvor thematisierte Freude an. Denn die Freude „zu jeder Zeit“ zu der Paulus die Philipper auffordert, ist in Jesus Christus als demjenigen, der Heil und Leben schenkt begründet. Dieses Wissen um Christus als Fundament des eigenen Lebens schenkt eine gewisse Grundzuversicht. Deshalb sollen sich die Philipper nicht um die alltäglichen Dinge sorgen, sondern vielmehr darauf vertrauen, dass sie sich mit all ihren Anliegen an Gott wenden können (vgl. Matthäusevangelium 6,25). Dabei ist die Dankbarkeit für Gottes unüberbietbare und alles menschliche Verstehen übersteigende Güte und Nähe (= Frieden) der Ausgangspunkt für alles Bitten.
Die Formulierung „Friede Gottes“ findet sich in verschiedenen Formen auch in anderen Paulusbriefen (z.B. 1. Thessalonicherbrief 5,23 oder 2. Korintherbrief 13,11). Aus der biblischen Tradition heraus ist „Friede“ gleichzusetzen mit „Heil“. Denn Friede mit Gott, meint Nähe und Unmittelbarkeit zu Gott und ist damit eine Heilszusage. Hatte Paulus in Vers 6 die Gemeinde ermutigt, sich an Gott zu wenden, so beschreibt er hier die entgegengesetzte Bewegung: Gott wendet sich den Menschen zu, er „bewahrt“, d.h. er hält die Menschen in seiner Nähe.

Auslegung

Der Aufruf zur Freude, der diesen Abschnitt einleitet, nimmt den Appell des Apostels Paulus aus Kapitel 2, Vers 18 des Philipperbriefes (Phil 2,18) wieder auf. Dort geht es um die Freude, die Apostel und Gemeinde empfinden aufgrund ihrer Verbundenheit im Glauben. Sowohl in Kapitel 2 als auch hier ist damit jedoch nicht eine Freude im Sinne eines Lustig Seins oder einer aufgesetzten Heiterkeit gemeint. Wenn Paulus zur Freude aufruft, dann meint er damit eine Herzensregung, eine Freude, die aus einer inneren Gewissheit erwächst. Denn es ist die Freude „im Herrn“, über die hier gesprochen wird. Der Glaube, dass Jesus Christus mit der Gemeinde in Philippi und mit jedem Menschen verbunden ist und die Hoffnung, dass er wiederkommt – sie sind Ursprung und Quell der christlichen Freude. Und diese Freude, die in der Zusage Gottes begründet ist, sie überdauert auch Bedrängnisse und die Herausforderungen des Alltags. Daher kann man sich „zu jeder Zeit“ (Vers 4) freuen.

Die zweite Aufforderung „sorgt euch um nichts“ (Vers 6) baut auf dem Gedanken der Freude auf. Die Nähe des Herrn und seine bleibende Gegenwart lassen nicht verzweifeln, sondern ermutigen, sich „in jeder Lage“ (Vers 6) vertrauensvoll an Gott zu wenden. Weil Gott nicht fern ist und der Welt des Menschen vollkommen entrückt, können wir ihm die Welt und alles, was uns widerfährt, vortragen.

Wem es gelingt, sich nicht zu sorgen und sich stets zu freuen in der Gewissheit, dass Gott mit ihm ist, dessen Lebenseinstellung wird anderen Menschen offensichtlich und könnte ansteckend sein. Die Güte von der Paulus spricht, ist in der Antike eine Tugend, die vor allem von Herrschern erwartet wird und das Gegenteil von Härte und Brutalität darstellt. Die Güte, die von der christlichen Gemeinde ausstrahlt, zeugt von einer anderen Einstellung zum Leben und dem Miteinander der Menschen.

Der Abschnitt schließt mit der Zusage des Friedens. Der Friede, der von Gott ausgeht und größer ist als alle menschliche Vernunft und das menschliche Streben, er ist das bleibende und einigende Geschenk Gottes. Denn Herzen und Gedanken, Fühlen und Denken werden von diesem Friedensgeschenk erfüllt und die Gemeinde mit Christus verbunden halten.

Kunst etc.

Wie die Freude über Gottes Handeln an uns zu Leichtigkeit und Heiterkeit einladen will, zeigt der Gesang „Jubelt und freut euch“ der Gemeinschaft von Taizé. Ein kurzes Hörbeispiel ist HIER zu finden.