Die Zeichen der Zeit erkennen. Wie die junge Gemeinde streitet und doch eins bleibt!
1. Verortung im Buch
Der erste Teil der Apostelgeschichte (Apostelgeschichte (Apg) 1-12) hat mit Jerusalem und dem Apostel Petrus einen klaren Schwerpunkt. Im zweiten Teil der Apostelgeschichte (Apg 13-28) stehen Paulus und dessen Begleiter sowie die Missionsreisen im Mittelpunkt. Zu Beginn des 13 Kapitels (Apg 13,1-3) werden Barnabas und Paulus durch den Heiligen Geist ausgewählt und von Antiochia am Orontes im antiken Syrien (heute Türkei) aus ausgesendet. Die erste Missionsreise beginnt. Nachdem Paulus und Barnabas in den Städten durchaus unterschiedliche Erfahrungen mit der Verkündigung des Evangeliums gemacht haben und dabei auch festgestellt haben, dass immer mehr Nicht-Juden zum Glauben an Jesus Christus kommen, kehren sie zum Ausgangspunkt ihrer Reise zurück.
Die heutige Lesung berichtet von einem Streit, der in Antiochia entsteht und den Entscheidungen, die durch ihn hervorgerufen werden. Die dazwischen liegenden Ereignisse der Verse 3-21 sind ausgelassen. In ihnen diskutieren die Ältesten und die Apostel in Jerusalem wie sie damit umgehen sollen, dass sowohl Juden wie auch Nicht-Juden sich mit ganz unterschiedlichen Grundvoraussetzungen der jungen Gemeinde anschließen.
2. Aufbau
Die Verse 1-2 erzählen die Vorgeschichte zur in Jerusalem diskutierten Streitfrage. Sie spielen in Antiochia am Orontes, von wo aus Paulus und Barnabas ihre Missionsreise unternommen hatten.
Die Verse 22-29 bündeln die Ergebnisse der Diskussion der Ältesten und Apostel in Jerusalem, wohin sich Paulus und Barnabas angesichts der Streitfrage in Antiochia gewendet haben. Die Verse 22-23a sind dabei wie eine Einleitung. Die Verse 23b-29 geben den Brief wieder, mit dem Gesandte von Jerusalem aufbrechen, um die Entscheidungen zu verbreiten.
3. Erklärung einzelner Verse
Verse 1-2: Anlass für die gesamte Situation sind einige Menschen aus Judäa, die fordern, dass die Beschneidung und die Gesetze des Mose für alle Christen verbindlich gelten sollen. Lukas, der Autor der Apostelgeschichte, berichtet etwas vage, dass sie von Judäa kommen. Genaueres über ihre Herkunft schreibt er nicht. Sowohl ihre Botschaft, als auch die Tatsache, dass es ihnen gelingt, einen Streit loszutreten, lässt jedoch einige Rückschlüsse zu. Zum einen müssen es einflussreiche Männer gewesen sein, sonst hätten ihre Worte in Antiochia nicht einen derartigen Effekt gehabt. Zum anderen zeigen ihre Forderungen (Beschneidung und Gesetzestreue), dass sie eine besonders gesetzestreue Gruppe des Judenchristentums repräsentieren. Ihre Position und Argumentation scheint kompromisslos gewesen zu sein, denn im Dialog mit Paulus und Barnabas lässt sich keine zufriedenstellende Lösung finden. Der bleibende Konflikt und die Einsicht, dass die Frage nicht nur die Gemeinde in Antiochia, sondern auch andere Gemeinden betreffen könnte, bewirkt die Entsendung von Paulus und Barnabas nach Jerusalem. Die Apostel in Jerusalem als authentische Zeugen des Lebens und der Auferstehung Jesu und die Ältesten der Gemeinde werden als Autoritäten in grundlegenden Fragen anerkannt.
Verse 22-23a: In den Versen 13-20 hatte der Apostel Jakobus einen Verfahrensvorschlag unterbreitet. Der Beschluss, Paulus, Barnabas und weitere als Botschafter dieser Beschlüsse auszusenden zeigt, dass man sich offensichtlich den Worten des Jakobus anschließt. Das „Begleitschreiben“ zu den Botschaftern sichert die Vereinbarungen der Apostel und Ältesten in Jerusalem. Judas Barsabbas und Silas sind Vertreter des Ältestenkollegiums in Jerusalem. Von beiden wird etwas später in Apg 15,32 gesagt, dass sie „Propheten“ sind, also offensichtlich kluge, hörende und besonnene Mitglieder der Gemeinde. Von Judas Barsabbas ist sonst nichts bekannt, Silas wird später mit Paulus Gemeinden gründen.
Verse 23b-29: Lukas geht es in diesen Versen um größtmögliche Authentizität. Daher gibt er die Beschlüsse der Versammlung in Form eines Sendschreibens wieder, dass sich am Formular eines antiken Briefs orientiert. Zunächst werden die Apostel und Ältesten in Jerusalem als Absender genannt, dann explizit die Mitchristen in den Regionen Syrien und Kilikien, die als Nicht-Juden zum Glauben gekommen sind. Sie werden wie alle anderen Mitchristen mit „Mitbrüder“ also dem vertrauten Umgangston der christlichen Gemeinde angesprochen.
Im ersten Argumentationsschritt (Vers 24) erfolgt eine Abgrenzung von denjenigen, die mit dem Slogan „Gesetz und Beschneidung“ (Apg 15,1) den Streit entfacht haben. Es wird deutlich gemacht, dass sie ohne Auftrag der Jerusalemer Gemeinde solche Thesen verbreitet haben.
Im zweiten Schritt (Verse 25-27) wird verdeutlicht, dass die im Brief übermittelten Weisungen „einmütige Beschlüsse“ der Jerusalemer Gemeinde sind. Zugleich werden Zeugen benannt, die durch ihre Person für die Richtigkeit des Beschlossenen einstehen. Judas Barsabbas und Silas sollen als Autoritäten des Jerusalemer Beschlussgremiums die in der Region wirksamen Missionare Paulus und Barnabas unterstützen. Bewusst wird auf die Verdienste der Missionare hingewiesen, die für ihren Glauben ihr Leben eingesetzt haben, also in Gefahr geraten sind.
Der dritte und letzte Argumentationsschritt (Verse 28-29) liefert die Antwort auf die Streitfragen. Die von den „Gegnern“ geforderte Beschneidung und das damit verbundene Einhalten der jüdischen Gesetze wird als notwendige Voraussetzung für den Übertritt zum christlichen Glauben verworfen. Dies geschieht jedoch nicht explizit, sondern implizit, indem den Nicht-Juden in der Gemeinde lediglich vier Regeln mitgegeben werden: Sie sollen kein Fleisch essen, das durch fremde Kultpraktiken entstanden ist. D.h. kein Fleisch von Tieren, die für andere Kulte geschlachtet wurden. Sie sollen sich ebenfalls kein Blut oder Ersticktes zu sich nehmen. Außerdem sollen sie unmoralische Handlungen meiden. Hier ist vor allem daran gedacht, die ethischen Regeln des Judentums anzuerkennen und sich von bestimmten Umgangsformen ihres bisherigen Lebens loszusagen.
Die abschließende Mahnung „Wenn ihr euch davor hütet, handelt ihr richtig“ unterstreicht die Tatsache, dass damit der „Regelkatalog“ für die Nicht-Juden in der christlichen Gemeinde abgeschlossen ist. Die Formulierung „der Heilige Geist und wir“ zu Beginn der Beschlüsse will noch einmal deutlich machen, mit welcher Autorität diese Regeln nun entstanden sind.