Der Himmel öffnet sich, Gott ist nicht mehr fern. Er hat seinen Sohn gesandt, damit auch wir den Himmel offen sehen können.
1. Verortung im Evangelium
Der Evangelientext ist aus zwei Textstücken zusammengesetzt. Er nimmt nach den Vorgeschichten mit Ankündigung und Geburt das erste Mal die bisherigen Hauptpersonen Johannes und Jesus in erwachsenem Alter in den Blick. Mit dem Bericht von der Taufe Jesu verlagert sich die bisher doppelte Ausrichtung der ersten beiden Kapitel eindeutig hin zur Erzählung der Geschichte Jesu.
Die Verse 15 und 16 stammen aus der Erzählung vom ersten Auftreten Johannes des Täufers. Sie berichten von einer nicht ausgesprochenen Frage und der Antwort des Täufers. Mit den Versen 21-22 wird sehr schlicht die Szene der Taufe Jesu dargestellt und seine Gottessohnschaft durch himmlisches Zeichen bestätigt.
2. Erklärung einzelner Verse
Verse 15-16: Die vorangegangene Situation und die Worte des Täufers zu den Soldaten, Zöllnern und dem Volk (Lukasevangelium (Lk) 3,7-14) klingt nach. Die ethischen Weisungen des Johannes und die Klarheit seiner Worte, mit denen er zur Umkehr ruft (Lk 3,8-9) hinterlassen eine gewisse Unruhe. So wird das Volk in Vers 15 als „voll Erwartung“ beschrieben, denn jeder überlegt für sich, ob nicht Johannes der Messias ist, auf den man so sehnsüchtig wartet.
Johannes stellt das (unausgesprochene) Missverständnis richtig. Durch das Bild vom Lösen der Riemen an der Sandale, bringt er das Verhältnis zwischen ihm und dem, der kommen wird, deutlich zum Ausdruck. Das Lösen der Riemen am Unterschenkel, die die Ledersohle der Sandale am Fuß hielten, ist eine typische Sklavenaufgabe. Es wird also ein für jeden nachvollziehbarer Vergleich aus dem gesellschaftlichen Alltag genutzt, um den Unterschied zwischen ihm und Jesus ins Bild zu bringen. Zusätzlich nimmt Johannes Bezug auf seine eigene Tätigkeit: Er tauft mit Wasser und diese Taufe ist äußeres Zeichen einer inneren Umkehr. Derjenige der kommen wird aber, tauft mit dem heiligen Geist und Feuer zwei Zeichen. Diese Zeichen bleiben nicht äußerlich, sondern stehen für die andere Vollmacht, die Jesus kennzeichnet: Der Geist bestätigt die Gotteskindschaft, das Feuer steht für das Gericht am Ende der Zeiten.
Verse 21-22: Lukas stellt die Taufe Jesu als einen Ausschnitt einer größeren Szene („alles Volk“) dar. Im Mittelpunkt steht der Gebetsmoment Jesu, wie so oft im Lukasevangelium geschehen wichtige Ereignisse in oder nach Momenten, in denen Jesus im Gebet dargestellt wird. Hier werden drei Vorgänge geschildert, die während des Gebets Jesu stattfinden:
1) Der Himmel wird geöffnet. Im griechischen Text ist dies bewusst passiv formuliert, um zu zeigen, dass Gott selbst hier am Werk ist. Die Verbindung zwischen Himmel und Erde wird gezielt geöffnet, damit etwas von oben nach unten gelangt.
2) Der Heilige Geist kommt in Gestalt einer Taube herab auf Jesus. Die Taube ist dabei vor allem für die Leser ein sichtbares Zeichen. Sie bedeutet nicht, dass der Heilige Geist in der Taube war oder durch die Taube wirkt.
3) Eine Himmelsstimme spricht. Mit der Stimme aus dem Himmel, die Jesus als Gottes Sohn ausruft, wird bekräftigt, was der Leser schon aus dem Mund Gabriels weiß: Dieser Jesus von Nazareth ist Sohn Gottes.