Verkündigung ist keine Aufgabe für ängstliche Menschen. Der 2. Timotheusbrief ruft dazu auf, ein anvertrautes Gut in Ehrfurcht und Besonnenheit und Liebe zu bewahren.
1. Verortung im Brief
Der 2. Brief an Timotheus (2 Tim) gehört zusammen mit dem 1. Brief an Timotheus und dem Titusbrief zu den sogenannten Pastoralbriefen. In diesen wendet sich der Verfasser, der sich als Paulus ausgibt, um seinen Worten eine größere Autorität zu verleihen, an Gemeindeleiter in Ephesus (Timotheus) und Kreta (Titus). Grundthema der Briefe ist die Frage nach einer verlässlichen Weitergabe des Evangeliums angesichts vielfältiger Herausforderungen.
Die Verse 6-8 und 13-14 entstammen dem ersten inhaltlichen Abschnitt des 2. Briefs an Timotheus. Dieser folgt auf die typischen einleitenden Briefelemente: Eingangsgruß und Adressat (Verse 1-2) und Danksagung (Verse 3-5).
2. Aufbau
Die Verse 6-8 rufen Timotheus seine Aufgabe und das ihm von Paulus anvertraute Amt samt seinen theologischen Implikationen (Geist der Kraft, Liebe und Besonnenheit) ins Gedächtnis. In ihnen spielt die persönliche Beziehung zwischen Paulus und Timotheus eine wichtige Rolle.
Die Verse 13-14 nehmen den Inhalt und Charakter der Aufgabe in den Blick.
3. Erklärung einzelner Verse
Vers 6: Der Vers schließt mit „darum“ unmittelbar an das in Vers 5 Gesagte an. Dort dankt der Verfasser dem Timotheus für seinen „aufrichtigen Glauben“. Dieser ist dem Timotheus durch seine Familie überliefert (Mutter und Großmutter, vgl. Apostelgeschichte 16,1-3). Die Tatsache, dass Timotheus seinen Glauben bereits als ihm von anderen anvertrautes Gut erlebt, ist für die Argumentation des Briefes besonders wichtig.
Ebenso von Bedeutung ist die Erinnerung an die Übertragung der Aufgabe der Gemeindeleitung. Paulus soll die darin übertragene Gnade „wiederentfachen“. Anders als in der Parallelüberlieferung in 1 Tim 4,14 spricht der Verfasser hier dezidiert von einer Auflegung der Hände des Paulus. In 1 Tim 4,14 sind es die Ältesten, die durch Handauflegung die Aufgabe übertragen. Die Engführung auf Paulus hier ist begründet in der engen Beziehung zwischen dem Apostel und Timotheus auf die der Brief in besonderer Weise Bezug nimmt.
Vers 7: Der angesprochene „Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit“ ist der Geist, der dem Timotheus als Gabe Gottes mit in seine Aufgabe als Gemeindeleiter hineingegeben wird. Der Verfasser liefert hier den theologischen Hintergrund für die Anforderungen und Ermahnungen der folgenden Verse. Die Formulierung „nicht einen Geist der Verzagtheit“ schlägt eine Brücke zu Vers 8.
Vers 8: Die Ermahnung sich nicht zu schämen nimmt die aktuelle Situation des Timotheus in den Blick. Die erfahrenen Anfeindungen und die Auseinandersetzung mit Irrlehrern sollen sich nicht in Verzagtheit, das Evangelium zu verkünden niederschlagen. Er soll nicht davor zurückweichen auch in schwierigen Situationen Zeugnis für Jesus Christus und Paulus abzulegen. Die Erinnerung an Paulus, den „Lehrer“ des Timotheus appelliert an deren enge, fast familiäre Verbindung. In 2 Tim 2,1 nennt ihn der Verfasser, der sich selbst als Paulus bezeichnet sogar „Kind“. So wie Timotheus der Glaube durch seine leibliche Familie (2 Tim 1,5) vermittelt wurde, so auch durch Paulus, der mit seinem Lebens- und Leidenszeugnis ein Beispiel ist für die unerschrockene Verkündigung des Evangeliums.
Verse 13-14: Nun gerät die Rolle des Timotheus stärker in den Blick: Er ist – wie Paulus – ein Vorbild für die Gemeinde. Die „gesunden Worte“ die seine Vorbildfunktion qualifizieren sind sowohl die Treue zur Überlieferung des Evangeliums als auch das Handeln entsprechend der Weisungen des Evangeliums. „Glaube und Liebe“ sind als Tugenden etwas formelhaft hier in den Vers eingebunden, sie beschreiben aber in Kurzfassung, wie die Vorbildfunktion des Timotheus erlebbar sein soll. Das Festhalten an der Botschaft ist mit Glauben und Liebe zu verrichten.
Das „anvertraute Gut“ (griechisch paratheke, παραθήκη) bezeichnet das Hinterlegte, und für einen Zeitraum Anvertraute. Es handelt sich hierbei um einen spezifischen Begriff aus den Pastoralbriefen. Er wird verwendet, um den anvertrauten Glauben in seiner wahren und durch Autoritäten (Jesus, Apostel) vermittelten Form zu umschreiben. Im Hintergrund stehen dabei Vorstellungen des römischen und griechischen Rechts: Ein Gut wird jemandem verlässlich anvertraut, es soll verantwortlich verwaltet und zur gegebenen Zeit unversehrt zurückgegeben werden.