Masken runter! Vor Gott braucht es keine Schauspielerei.
1. Verortung im Evangelium
Die Frage nach dem richtigen Handeln oder anders gesagt dem Handeln nach Gottes Willen steht im Zentrum der ersten großen Rede Jesu im Matthäusevangelium (Mt). In den Kapiteln 5-7 spricht Jesus in der Bergpredigt zu seinen Jüngern, im Zentrum seiner Worte steht das Vater unser als Form der direkten Anrede des himmlischen Vaters. Rund um das Vater unser sind die Mahnungen des vorliegenden Abschnitts platziert.
2. Aufbau
Die Fragen nach Almosengeben (6,2-4), Beten (6,5-6) und Fasten (6,16-18) bilden die drei Sinneinheiten des Abschnitts, der von einem grundlegenden Vers (6,1) eingeleitet wird.
3. Erklärung einzelner Verse
Vers 1: Der Einleitungsvers hat einen zusammenfassenden und verallgemeinernden Charakter. Er bereitet den Leser darauf vor im Folgenden drei Beispiele für die richtige Form der Gerechtigkeit genannt zu bekommen. Im gerechten Handeln zeigt sich für den Evangelisten Matthäus das Handeln nach dem Willen Gottes.
Verse 2-4: Beim ersten Beispiel des gerechten Tuns geht es um das Almosengeben. Hinter dem deutschen Wort Almosen steht das griechische Wort eleemosyne (ἐλεημοσύνη), das sowohl Erbarmen, wie Wohltätigkeit bedeutet. In späterer Zeit wurde in der Synagogengemeinde eine Versorgung der Armen auf Gemeindeebene organisiert. Zur Zeit des Matthäusevangeliums ist dieses System noch nicht installiert, im Text geht es um eine freiwillige Gabe für Arme und Benachteiligte. Das Bild vom „Herumposaunen“ der guten Tat ist eine Übertreibung. Es ist aber durchaus bekannt, dass großzügige Gaben z.B. in antiken Städten und auch in der jüdischen Gemeinde zu besonderen Ehren führten und bekannt gemacht wurden (vgl. Jesus Sirach 31,11).
Das Wort Heuchler stammt vom griechischen Wort hypokrites (ὑπoκριτής) und meint eigentlich den Schauspieler. Im übertragenen Sinne wird es jedoch im Griechischen auch für einen Menschen verwendet, dessen Worte und Taten nicht übereinstimmen. Matthäus verwendet das Wort hier, um darauf aufmerksam zu machen, dass die Haltung hinter den Almosen bei den benannten Heuchlern falsch ist. Sie geben nicht aus Selbstlosigkeit, religiöser Gesinnung und Mitleid mit dem Armen, sondern um sich selbst ins Rampenlicht zu stellen.
Das Gegenbild zum erhofften Lob und dem zur Schau gestellten Almosengeben formuliert der Evangelist Matthäus ebenfalls zugespitzt und so, dass es für uns sprichwörtlich geworden ist: Die linke Hand soll nichts von der rechten wissen. Die Gabe und das Tun des Guten soll alleine vor Gott, der auch das Verborgene sieht, geschehen. Auch dieser Grundgedanke findet sich in anderen Texten der Antike wieder: Almosen und barmherziges Tun sollen nicht der Selbstbestätigung dienen, sondern aus einem inneren Ideal oder dem Blick für den Nächsten heraus erfolgen.
Verse 5-6: Das zweite Beispiel des gerechten Tuns ist die richtige Form des Betens. Der Evangelist Matthäus zeigt zunächst die falsche Form des Gebetes auf: Es stellt die eigene Frömmigkeit zur Schau. Warum Matthäus das für Juden wie für Christen selbstverständliche Gebet so in den Fokus rückt, wird eigentlich nur aus den folgenden Versen ersichtlich. Das Gegenbeispiel ist für den Evangelisten das Gebet in der Kammer. Das verwendete griechische Wort tameion (ταμεῖον) bezeichnet die Vorratskammer, also einen Raum, der normalerweise von keinem Fremden betreten wird. Er ist auch von außerhalb des Hauses nicht sichtbar, sondern ganz im Inneren des Hauses und so abgeschirmt von den Blicken anderer. Das Gebet, das hier vorgeschlagen wird, ist also ein Gebet, das ein inneres Geschehen zwischen Beter und Gott darstellt. Es geht alleine um den himmlischen Vater und denjenigen, der sein Anliegen vor ihn hinträgt. Es geht um einen ganz intimen Moment und deshalb nicht zur Schau gestellten Moment zwischen Gott und Mensch.
In den Versen 9-14, die hier ausgelassen sind, wird Jesus seinen Jüngern mit dem Vater unser einen Gebetstext an die Hand geben, der diese innige Beziehung zwischen Gott und Mensch in der Vateranrede zentral zum Ausdruck bringt.
Verse 16-18: Im dritten Beispiel der Gerechtigkeit geht es um das Fasten. Hier wird von den Heuchlern und damit denen, die in falscher Weise fasten, gesagt, dass sie ein „finsteres Gesicht“ machen. Diese Umschreibung wird in anderen Texten benutzt, wenn es um die Anhänger fremder und auffälliger religiöser Praktiken geht. Damit kritisiert Jesus ein weiteres Mal ein bewusstes Sichtbarmachen der eigenen religiösen Überzeugungen und Handlungen. Entsprechend ist das Gegenbeispiel darauf ausgelegt, eben nicht aufzufallen, sondern sich im Fasten so zu verhalten, wie man es auch an einem Festtag tun würde: Haupt salben und Gesicht waschen.