Wer lässt sich für das Gesetz Gottes „die Kopfhaut abziehen und Nase, Ohren, Hände und Füße stückweise abhacken“? Bis in den Tod gehen eine Mutter und ihre sieben Söhne, weil sie an den strafenden, aber gerechten Gott der Auferstehung glauben.
1. Verortung in der Geschichte und im Buch
Das Jahr 167 v. Chr. war einschneidend für das jüdische Volk und Jerusalem. Aus dem Weltreich Alexander des Großen war ab 320 v.Chr. unter anderem das hellenistische Seleukidenreich hervorgegangen, das den gesamten Vorderen Orient beherrschte. Ab 175 v.Chr. war Antiochus IV. König dieses Reiches und brachte im Jahr 167 v. Chr. auch Jerusalem unter seine Kontrolle. Mit Gewalt setzte er seine Herrschaft dort durch, indem er die Stadt hellenisierte, die jüdische Religion verbot und den Tempel des Gottes Israels zu einer Kultstätte des griechischen Gottes Zeus umweihte. Diese umwälzenden Ereignisse werden in 2 Makkabäer 4,1-7,42 erzählt, bevor die Heldengeschichte Judas‘ des Makkabäers beginnt, die zur Reinigung und Wiedereinweihung des Tempels führt. In 2 Makkabäer 6,18-7,42 werden beispielhafte Geschichten von Juden, die sich nicht der seleukidischen Herrschaft unterwarfen, sondern an der Tora, den Gesetzen Gottes festhielten und für ihre Observanz den Märtyrertod starben, erzählt. Im theologischen Kontext des Buches ist das in diesen Geschichten zum Ausdruck kommende Leid auch verursacht durch diejenigen Juden, die sich für den hellenistischen Lebensstil entschieden, anstatt an der Religion der Vorfahren festzuhalten – drastisch wird dies mit Blick auf die Priester in 2 Makkabäer 4,15-16 erklärt: „Schließlich kümmerten sich die Priester nicht mehr um den Dienst am Altar; der Tempel galt in ihren Augen nichts und für die Opfer hatten sie kaum mehr Zeit. Dafür gingen sie eilig auf den Sportplatz, sobald die Aufforderung zum Diskuswerfen erging, um an dem Spiel, das vom Gesetz verboten war, teilzunehmen. Die Ehren ihres Vaterlandes achteten sie für nichts, auf griechische Auszeichnungen dagegen waren sie ganz versessen.“
2. Aufbau
Das Kapitel 2 Makkabäer 7, aus dem die Verse für die Lesung ausgewählt sind, ist strukturiert durch die aufeinanderfolgenden Märtyrertode der sieben Söhne und schließlich ihrer Mutter. In den jeweils letzten Worten der sterbenden Söhne entfaltet sich ein klarer Gedankengang, der die theologische Botschaft dieses Kapitels gibt.
Der Ausgangspunkt ist ein Dilemma: Die Söhne sollen Schweinefleisch essen und damit gegen den im alttestamentlichen Gesetz ausgedrückten Willen Gottes verstoßen (siehe Levitikus 11,7-8) – was ist wichtiger, das eigene Leben oder die Einhaltung der Gesetze Gottes? Der Erste der Brüder legt den Grundsatz fest, dem alle gehorchen werden: Der Tod ist besser als die Verletzung der Thora. Der zweite Bruder, der durch sein „Nein“ das vom ersten festgelegte Prinzip bekräftigt hat, bekräftigt seinem Glauben an die Auferstehung (Vers 9). Der dritte Bruder fügt hinzu, dass die Märtyrer bei ihrer Auferstehung die bei der Folterung amputierten Gliedmaßen wiedererhalten werden (Vers 11). Der Vierte bekräftigt den Glauben an die Wiederauferstehung und beginnt auf die bevorstehende Bestrafung von Antiochus hinzuweisen: Er wird keine Wiederauferstehung „bis zum Leben“ haben (Vers 14). Der Fünfte belehrt Antiochus, dass Israel nicht von Gott verlassen wurde, sondern dieser sich für das erlittene Leid der Brüder rächen werde (Vers 17). Es mag paradox erscheinen, dass das leidende Israel nicht von Gott verlassen wurde, also erklärt der sechste Bruder, dass sie dieses Leid erleiden müssen und sagt zugleich, dass für Antiochus Gottes Rache unausweichlich ist. Alle bisherigen Gedanken werden dann in den Schlussreden der Mutter und ihres jüngsten Sohnes zusammengefasst (Vers 27-38), hier zeigt sich, auch Frauen und kleine Kinder halten an der Lehre der Thora fest. In den letzten Worten, die von einem Mitglied der Märtyrerfamilie gesprochen werden, spricht der Jüngste dann das zusammenfassende Gebet (Vers 37-38): „Ich gebe wie meine Brüder Leib und Leben hin für die Gesetze unserer Väter und rufe dabei Gott an, dass er seinem Volk bald wieder gnädig sei; du aber sollst unter Qualen und Schlägen bekennen müssen, dass er allein Gott ist. Bei mir und meinen Brüdern möge der Zorn des Allherrschers aufhören, der sich zu Recht über unser ganzes Volk ergossen hat.“
3. Erklärung einzelner Verse
Vers 1: Die Einleitung durch „ein andermal“ verdeutlicht, dass es sich hier um eine sozusagen zeitlose Beispielerzählung handelt. Im vorherigen Kapitel sollte der Märtyrertod Eleazars als ein Beispiel für die Jugend angesehen werden – nun zeugt die junge Generation für ihren Glauben. Ausgangspunkt der Erzählung ist der Versuch, durch Folter die namenlosen und bis dahin unbekannten Söhne dazu zu zwingen, Schweinefleisch zu essen oder auch nur anzurühren (beide Übersetzungen sind möglich).
Vers 2: Die Frage des Ersten der Brüder scheint kontextlos. Was Antiochus IV verlangt, wurde im vorherigen Vers klar definiert. In seiner Frage zeichnet sich nun aber schon ab, dass die folgende Erzählung nun Antiochus (und den Lesern) eine Lehre erteilt. Er und seine Brüder sind bereit für Gott zu sterben (nicht zu kämpfen!).
Vers 7: Die Notiz über den Tod des ersten Bruders verdeutlicht ohne die vorherigen Verse nicht, was dieses Martyrium an Leid bedeutet – daher noch der Hinweis auf die Verse 3-5: „Da wurde der König zornig und befahl, Pfannen und Kessel heiß zu machen. Kaum waren sie heiß geworden, ließ er ihrem Sprecher die Zunge abschneiden, ihm nach Skythenart die Kopfhaut abziehen und Nase, Ohren, Hände und Füße stückweise abhacken. Dabei mussten die anderen Brüder und die Mutter zuschauen. Den grässlich Verstümmelten, der noch atmete, ließ er ans Feuer bringen und rösten.“
Vers 9: „Du Unmensch“, wie es in der revidierten Einheitsübersetzung heißt, hat eine doppelte Bedeutung. Damit könnte eine Person bezeichnet sein, deren Taten nach Rache verlangen. Eine interessante mögliche Übersetzung wäre „Rachegeist“, denn Antiochus IV ist in seinen Taten eine von Gott gewollte Strafe über das jüdische Volk, aber zugleich schlägt er mit seinen Taten über die Stränge und wird dafür von Gott selbst bestraft werden. Diese Unterordnung Antiochus unter Gott in den Augen der Brüder wird hier auch deutlich durch den Titel „König der Welt“, der dem weltlichen König entgegengesetzt wird. Interessant ist in diesem Vers auch die Wortwahl, um den Glauben an die Auferstehung auszudrücken – wörtlich heißt es hier: „uns zu einer ewigen Wiederbelebung des Lebens auferstehen lassen“.
Verse 10-12: Die schnell aufeinanderfolgend erzählte Aufforderung und bereitwillige Entsprechung zeigt den Mut zum Martyrium.
Verse 13-14: Den Märtyrern ist das ewige Leben versprochen. Diese Hoffnung auf die Auferstehung muss auch im Kontrast gegenüber weltlichen Hoffnungen gelesen werden, wie es in den Worten des letzten der Brüder deutlich wird: „Du Ruchloser aber, du größter Verbrecher der Menschheit, überheb dich nicht vergeblich im Übermut ungewisser Hoffnungen, wenn du deine Hand gegen die Kinder des Himmels erhebst!“ (Vers 34)