Erkennungszeichen: Liebe.
Ein sichtbares Zeichen für die Herrlichkeit Gottes zu sein – dazu ruft Jesus seine Jünger im heutigen Evangelium auf.
1. Verortung im Evangelium
Mit dem 13. Kapitel beginnt der zweite Hauptteil des Johannesevangeliums (Joh). Im ersten Hauptteil (Kapitel 1-12) stand die Sendung Jesu vom himmlischen Vater zu den Menschen und sein Wirken mitten unter ihnen im Fokus. Mit dem Evangelium von der Fußwaschung (Joh 13,1-15) beginnt der Rückzug Jesu aus dem öffentlichen Wirken und zugleich die Rückkehr zum Vater, die mit Tod und Verherrlichung am Kreuz endet. Die Kapitel 13-20 (zweiter Hauptteil) verbringt Jesus vor allem mit seinem Jüngerkreis. Ihnen erklärt er nach der Fußwaschung in den sogenannten Abschiedsreden, die Bedeutung dessen, was ihn dann im Leiden und Auferstehen widerfährt.
Der vorliegende Abschnitt aus dem Evangelium entstammt der Überleitung von der Fußwaschung hin zu den deutenden Abschiedsreden.
2. Aufbau
Inhaltlich lassen sich zwei Schwerpunkte in dem Abschnitt ausmachen: Die Verse 31-33 haben die Verherrlichung Jesu zum Thema. In den Verse 34-35 geht es um das neue Gebot Jesu, das er ihnen als Erkennungszeichen der Jüngerschaft mit auf den Weg gibt.
3. Erklärung einzelner Verse
Verse 31-33a: Nachdem Weggang des Judas ist Jesus allein „mit den Seinen, die er liebt“ (Joh 13,1). Und auch das „Jetzt“ zu Beginn der Worte Jesu knüpft an den Beginn des 13. Kapitels und die Szene der Fußwaschung an. Dort war davon die Rede, dass „Jesu Stunde“ gekommen war, „um aus dieser Welt zum Vater hinüberzugehen“ (Joh 13,1). „Jetzt“ und die Stunde des Hinübergehens zum Vater beschreiben einen identischen Zeitpunkt: Von nun an läuft alles auf den Moment hinaus, an dem Jesus seine Sendung vollendet. Den Moment, in dem er im Tod am Kreuz zum Vater zurückkehrt. Der Evangelist Johannes beschreibt dies hier mit dem Begriff der Verherrlichung.
Der „Menschensohn-Titel“ wird im Johannesevangelium immer dann für Jesus verwendet, wenn es um seine Sendung vom und zum Vater geht. Der „Menschensohn“ ist ein Bild aus der spät-alttestamentlichen Zeit und sehr vielschichtig. Knapp zusammengefasst steht der Menschensohn als Bild für einen Menschen oder das Volk Israel, das am Ende der Zeit in Erscheinung tritt und an der Durchsetzung der göttlichen Herrschaft, des Reiches Gottes in unterschiedlicher Form beteiligt ist. Diese Hoffnung auf ein Näherkommen des Gottesreiches ist dem Evangelisten Johannes wichtig, wenn er von Jesus als dem Menschensohn spricht oder ihm die Worte in den Mund legt. Jesus ist der vom Himmel her kommende und von Gott ausgesendete Menschensohn, der die Wirklichkeit Gottes, sein Reich auf die Erde bringt.
Zur Verherrlichung Jesu gehört nicht nur die Sendung durch Gott, sondern auch die Rückkehr zu ihm. Daher kündigt Jesus den Seinen hier an, er werde nur noch kurze Zeit bei ihnen sein.
Vers 34-35: Angesichts des kommenden Abschieds Jesu erhalten die Worte Jesu den Charakter eines Vermächtnisses – so wie zuvor die Fußwaschung. Auch inhaltlich gibt es eine enge Verknüpfung: Die Fußwaschung ist eine Zeichenhandlung zur Verdeutlichung des gegenseitigen Dienens und soll den Jüngern Vorbild sein. Jesus sagt am Ende dazu: „Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe.“ (Joh 13,15). Ein ebensolches Beispiel soll die Liebe Jesu sein, die ihren tiefsten Ausdruck im Tod am Kreuz findet. Diese Liebe, die bedingungslos bis ans Äußerste geht, sie soll auch von den Jüngern gelebt und sichtbar gemacht werden.