Lesejahr C: 2021/2022

1. Lesung (Jer 17,5-8)

5So spricht der HERR:

Verflucht der Mensch,

der auf Menschen vertraut,

auf schwaches Fleisch sich stützt

und dessen Herz sich abwendet vom HERRN.

6Er ist wie ein Strauch in der Steppe, der nie Regen kommen sieht;

er wohnt auf heißem Wüstenboden, / im Salzland, das unbewohnbar ist.


7Gesegnet der Mensch,

der auf den HERRN vertraut

und dessen Hoffnung der HERR ist.

8Er ist wie ein Baum, der am Wasser gepflanzt ist / und zum Bach seine Wurzeln ausstreckt:

Er hat nichts zu fürchten, wenn Hitze kommt;

seine Blätter bleiben grün;

auch in einem trockenen Jahr ist er ohne Sorge,

er hört nicht auf, Frucht zu tragen.

Überblick

Der Mensch steht vor einer radikalen Entscheidung: Ist es besser auf andere Menschen anstatt auf Gott zu vertrauen?

 

1. Verortung im Buch

Nach den vorherigen Kapiteln, die kaum Hoffnung für das Volk Israel lassen (Jeremia 11-16), betont auch Jeremia 17: auf nichts Menschliches ist mehr Verlass! Die Sünde ist tief im Herzen des Volkes verankert (Verse 1-4). Aber zugleich klingt auch eine zarte Hoffnung an. Heil liegt im Vertrauen auf Gott, im Gebet sowie der Einhaltung des Sabbats als Ruhetag (Verse 12-18.19-27). Und Gott antwortet nun auf Jeremias Anklage gegen ihn, die er zuvor in Jeremia 15,18 ausgesprochen hatte: „Wahrlich, wie ein versiegender Bach bist du [Gott] mir geworden, ein unzuverlässiges Wasser.“ 

 

2. Aufbau

In zwei Weisheitssprüchen zeigt Gott zwei Alternativen auf: Das Vertrauen auf den Menschen und das Vertrauen auf Gott. Der Kontrast ist deutlich formuliert: „Verflucht ist …“ (Verse 5-6), „Gesegnet ist …“ (Verse 7-8).

 

3. Erklärung einzelner Verse

Vers 5: In diesem Vers werden im Hebräischen zwei verschiedene Worte für „Mensch“ verwendet. Fluch und – später in Vers 7 – Segen erfährt der גֶּבֶר  (gesprochen: gewer). Dieses Wort kann sowohl einen Mann als auch den Menschen allgemein bezeichnen und leitet sich von der Grundbedeutung „stark sein“ ab. Somit wird eine Relativierung der menschlichen Macht angezeigt: Der starke Mensch, der Held, ist verflucht, wenn er nicht auf Gott vertraut, sondern auf irgendeinem אָדָם (gesprochen: adam). Der Mensch, wie er von Gott geschaffen ist, ist nur vergängliches Fleisch. Es ist ein Trugschluss, darauf seine Stärke zu begründen (wörtlich: „Verflucht der starke Mann/Mensch, der … Fleisch festlegt als seine Stärke“. Das Vertrauen auf andere Menschen ist an sich nicht verurteilungswürdig, aber wenn es einhergeht mit der Abwendung von Gott, wenn also das Menschenvertrauen größer ist als das Gottvertrauen, dann ist der Mensch fehlgeleitet.

Vers 6: Wer auf Menschen vertraut anstatt auf Gott, begibt sich in Leben verunmöglichende Bedingungen und hat kaum eine Chance auf ein Überleben. Dies verdeutlichen die Bilder vom Nacktsein in der Steppe, dem verbrannten Erdboden in der Wüste und dem alles Leben im Keim erstickenden, salzigen Land.

Vers 7:  Nur wenn der Mensch sich voll und ganz auf Gott ausrichtet, wird sein Leben gelingen. Die Worte für „vertrauen“ und „Zuversicht“ stammen im Hebräischen aus derselben Wortwurzel (בטח), die somit in diesem Vers doppelt hervorgehoben wird im Kontrast zu Vers 5 – sowohl als Handeln des Menschen als auch seinem Zustand.

Vers 8: Die Bilder aus Vers 6 werden kontrastiert. Der Mensch, der auf Gott vertraut ist sozusagen das blühende Leben. Anstelle von todbringender Hitze und Dürre tritt nun das erquickende Wasser. Selbst eine Dürre braucht dann kein Grund zur Sorge mehr zu sein. Gott ist die Quelle lebendigen Wassers für denjenigen, der auf ihn vertraut und dementsprechend handelt.

Auslegung

Der aufgestellte Kontrast ist radikal. Menschliche Macht, ja, das menschliche Leben hängt völlig vom Vertrauen auf Gott ab. Man kann die Aussage sogar noch radikalisieren: Wer auf die Stärke von Menschen vertraut, dem mangelt es an Gottvertrauen. In dieser Kritik findet sich eine Verheißung. Der Glauben an Gott ist die Quelle des Lebens, weil die Macht Gottes eben keine vergängliche ist. Leben realisiert sich im Vertrauen auf Gott.

Ja, Gott sagt „Verflucht!“ und blickt auf den Menschen. Nein, er blickt nicht auf den Menschen, sondern auf dessen vermeintliche Stärke. Er verflucht das männliche Getue, das mehr auf Vergängliches vertraut als auf den Ewigen – so steht es im Buch des Propheten Jeremia: „Verflucht der starke Mann, … dessen Herz sich abwendet von JHWH!“ Keiner ist ohne Gottvertrauen ein Held – und die wahren Helden sind diejenigen, die trotz allem ihre Hoffnung und Zuversicht nicht in menschlichen Konstrukten, sondern in Gott selbst finden. Diese Menschen sind gesegnet – sie werden nicht erst von Menschen gesegnet. Ihr Gott ist segensreich und spricht: „Gesegnet ist der starke Mann, der auf JHWH vertraut!“; und das gilt - hoffentlich - auch für alle starken Frauen! Im Gottvertrauen und nicht in menschlichen Händen liegt der Segen.

Kunst etc.

Die Wüste gehörte zur Lebenswirklichkeit Israels. Am östlichen Rand von Jerusalem beginnt die judäische Wüste, der sich im Süden die Negev-Wüste anschließt. In dieser trockenen und heißen Lebenswirklichkeit macht eine Wasserquelle einen bedeutenden Unterschied, wie man hier auf dem Bild sehen kann. Eine Quelle, die in Ein Gedi, in der Nähe vom Toten Meer entspringt, lässt mitten in der Wüste einen kleinen Teil vertrocknete Erde aufblühen.

„Canyon Landscape in Ein Gedi Reserve in Israel“, fotografiert von Robert Bye - Lizenz: gemeinfrei
„Canyon Landscape in Ein Gedi Reserve in Israel“, fotografiert von Robert Bye - Lizenz: gemeinfrei