Früher war nicht alles besser – aber es lässt sich aus der Vergangenheit doch manches lernen.
1. Verortung im Brief
In den Kapiteln 8-10 des 1. Korintherbriefs (1 Kor) dreht sich alles um die Gemeinde und ihr Verhältnis zum Heiligen und seinen Zeichen. Konkret bedeutet das: Was ist für einen Christen ein segensreiches Zeichen und wie erweise ich mich diesem Zeichen als würdig? Wie verhalte ich mich zum Heiligen meiner Nachbarn, dem Götzenopfer, dem Kult etc.? Für eine Gemeinde, die noch nicht sehr groß ist und mitten in einer Welt lebt, in der andere religiöse Regeln gelten und andere Götter verehrt werden, durchaus eine wichtige Frage. In der heutigen Lesung zieht Paulus Beispiele aus dem Alten Testament heran, um der Gemeinde einen Weg durch diese Fragen und Unsicherheiten bzw. falschen Sicherheiten zu bahnen.
2. Aufbau
Der Text lässt sich grob zweiteilen: Verse 1-6 und Verse 10-11. Dabei sind die Verse 6 und 11 als Zwischenfazit zu verstehen und Vers 12 als abschließende Mahnung an die Gemeinde.
3. Erklärung einzelner Verse
Verse 1-2: Mit „unsere Väter“ spricht Paulus der Gemeinde in Korinth zu, dass sie, in Kontinuität zu Gottes erwähltem Volk Israel steht. Diese Feststellung ist bedeutsam, weil die Mehrzahl der Gemeinde aus Heidenchristen bestand, also aus Menschen, die nicht aus dem jüdischen Glauben heraus an den Glauben zu Christus gekommen sind.
Die Wanderung durch die Wüste begleitet durch die Wolke als Zeichen der Gegenwart Gottes und der Durchzug durchs Rote Meer werden von Paulus hier als Heilszeichen an Israel beschrieben. Mose, der das Volk auf seinem Weg durch die Wüste anführt, und als Prophet Vermittler zwischen Gott und seinem Volk war, ist der Kristallisationspunkt dieses Heilsereignisses. So formuliert Paulus, dass die Israeliten „auf Mose getauft“ werden. Wenn er von „Taufe“ spricht, meint er damit tatsächlich die christliche Taufe. Die Formulierung „auf Mose“ spielt auf die christliche Taufformel auf den Namen Jesu Christi an (vgl. 1 Kor 1,14). Mose wird so in Beziehung gesetzt zu Christus.
Paulus dehnt an dieser Stelle die Bilder von der Wolke und dem Durchzug durchs Rote Meer etwas weit aus. Denn anders als in der christlichen Taufe, bei der es um ein Untertauchen ins Wasser geht, berührt das Volk Israel weder die Wolke (sie zieht voran) noch das Meer (es weicht vor ihnen zurück).
Verse 3-4: Zwei weitere Ereignisse aus der Exoduserzählung werden von Paulus nun herangezogen: Das Manna, das vom Himmel fällt, und der Fels, aus dem Wasser entspringt. Beide sind Zeichen der göttlichen Zuwendung, sie sind wie Paulus formuliert „geistgeschenkt“ und bewahren das Volk vor Hunger und Durst. Die Betonung, dass alle davon profitieren, will wie in den Versen 1-2 deutlich machen, dass das gesamte Volk Israel Gottes Gaben geschenkt bekam.
Speise und Trank, die das Überleben sichern, erinnern die Gemeinde in Korinth selbstverständlich an das Herrenmahl, das sie Sonntag für Sonntag gemeinsam feiern. Wenn Paulus dann am Ende auch noch Christus mit dem lebensspendenden Felsen identifiziert, wird auch dem letzten Zuhörer klar geworden sein, dass Paulus von der Eucharistie als Gabe Jesu spricht, in der ewiges Leben geschenkt wird.
Vers 5: Es folgt ein Abschluss der zusammengestellten Erzählungen aus der Exodusgeschichte: Trotz der Anteilnahme an den geistgeschenkten Gaben Gottes hat die Mehrzahl der Israeliten das gelobte Land nicht erreicht.
Vers 6: Das Schicksal der Israeliten, die am Ende zu Großteilen nicht das gelobte Land erreichten, obwohl sie vorher von Gott beschenkt wurden und Anteil an seinen Gaben hatten, soll als Mahnung dienen. Paulus spricht hier von „Gier“ und meint damit, wie die folgenden Beispiele zeigen, die Sehnsucht nach immer mehr.
Verse 10-11: Als ein Beispiel für die Gier ist das „Murren“ des Volkes angeführt. Dabei geht es um das Aufbegehren gegen Mose und Aaron, die das Volk auf Gottes Wort hin in die Wüste führten. Das Murren gegen Mose und Aaron als Propheten ist zugleich ein Murren gegen Gott selbst, der durch die beiden das Volk leitet.
Vers 11 ist eine Hilfestellung zum Verstehen der Beispiele. Paulus deutet das Geschehen der Wüstengeneration als Beispiel und Warnung für die christliche Gemeinde in Korinth. Die Christen dort, die auf das Ende der Zeit und die Wiederkunft des Herrn hoffen, sollen sich die Ereignisse des Exodus gut ins Gedächtnis rufen.
Dahinter steckt das Verständnis, dass nun kurz vor dem Ende der Zeit, die Ankündigungen und Beispiele der Schrift ihren tieferen Sinn enthüllen.
Vers 12: Die abschließende Mahnung des Paulus fällt so direkt wie knapp aus: Die Gemeinde soll sich in ihrem Glauben und ihrer Beständigkeit nicht zu sicher fühlen!