Jerusalem ist nicht verloren. Die Verheißungen Gottes zeigen, dass er selbst seine zerstörte und verlassene Stadt nicht vergisst, sondern sein Volk wieder in ihr versammeln wird, so wie die Propheten es verheißen haben.
1. Verortung im Buch
Am Ende des Buches Baruch wird dem zerstörten und entheiligten Jerusalem, nachdem Jerusalem als personifizierte Stadt selbst ihr Leid beklagt (Baruch 4,9-29), die Erlösung und Wiederherstellung nach dem Exil verheißen. Gott erhört das flehende Gebet seiner Stadt: „Habt Vertrauen, meine Kinder, schreit zu Gott! Er wird euch der Gewalt entreißen, den Händen der Feinde.“ (Baruch 4,21).
2. Aufbau
Das Heil wird sich nicht in ferner Zukunft ereignen, sondern die Stadt wird mit Imperativen zur Freude aufgefordert (Verse 1-2 und 5) und die Freude wird jeweils ausführlich begründet (Vere 3-4 und 6-9).
3. Erklärung einzelner Verse
Vers 1: Jerusalem ist in einer beklagenswerten Situation. Sie ist zerstört und ihre Bewohner sind in Babylon exiliert – so ruft sie zu Gott: „Abgelegt habe ich das Gewand des Friedens, angezogen das Bußkleid meines Flehens. Zum Ewigen will ich rufen, solange ich lebe“ (Baruch 4,20). Nun tröstet der Prophet die Stadt und verheißt Rettung. Die Trauerkleidung kann abgelegt werden und der Lichtglanz der Gegenwart Gottes wird an Jerusalem fortan für immer sichtbar werden, wie es das Buch Jesaja verheißt: „Denn siehe, Finsternis bedeckt die Erde und Dunkel die Völker, doch über dir geht strahlend der HERR auf, seine Herrlichkeit erscheint über dir.“ (Jesaja 60,2).
Vers 2: Das Obergewand der göttlichen Gerechtigkeit zu tragen, bedeutet zweierlei: Es ist eine Folge des Gebotsgehorsams und zeigt zugleich Gottes Beistand (vgl. Baruch 4,13). Die Krone, genauer hin das Diadem / die Stirnbinde, trägt ansonsten nur der Hohepriester (Exodus 28,37) und es verweist auf die enge Beziehung der Stadt zu ihrem Gott. Gemäß Jesaja 61,10 kleidet Gott seinen Auserwählten sowohl in das Obergewand der göttlichen Gerechtigkeit als lässt ihn auch das Diadem tragen.
Verse 3-4: Jerusalem soll sich göttlich schmücken, damit dies die ganze Welt sehen kann, wie es das Buch Jesaja verheißt: „Um Zions willen werde ich nicht schweigen, um Jerusalems willen nicht still sein, bis hervorbricht wie ein helles Licht seine Gerechtigkeit und sein Heil wie eine brennende Fackel. Dann sehen die Nationen deine Gerechtigkeit und alle Könige deine Herrlichkeit. Man ruft dich mit einem neuen Namen, den der Mund des HERRN für dich bestimmt.“ (Jesaja 62,1-2). Aber anders als im Prophetenbuch dient dies nicht zur Bekehrung der Völker zu Gott, sondern soll um willen der Stadt geschehen. Aus der Stadt des Friedens, wie man den Namen Jerusalem übersetzen kann, wird der Friede der Gerechtigkeit und die Herrlichkeit der Gottesfurcht. Die Namen spiegeln wieder, dass Frieden aus einer Lebensführung nach den Gesetzen resultiert, die aus Gottesfurcht entsteht.
Verse 5: Jerusalem wird als Mutter angesprochen, die ihre Kinder aus dem Exil zurückkehren sieht. An ihnen verwirklicht sich das Wort Gottes, dass die Sammlung Israels und die Rückkehr nach Jerusalem verheißt: „Nur für eine kleine Weile habe ich dich verlassen, doch mit großem Erbarmen werde ich dich sammeln: „Nur für eine kleine Weile habe ich dich verlassen, doch mit großem Erbarmen werde ich dich sammeln.“ (Jesaja 54,7; vgl. Zefanja 3,19-20).
Vers 6: Gott wird Israel nicht nur aus dem Exil wieder zurückführen, sondern er hat die Feinde als sein Werkzeug genutzt. In Baruch 4,10 klagt Jerusalem über diese Strafe: „Denn ich musste sehen, dass meine Söhne und Töchter verschleppt wurden, wie es der Ewige über sie verhängt hat.“. Auf die Strafe folgt aber das Erbarmen. Sie werden wie auf einem Königsthron in einer Prozession heimgetragen nach Jerusalem, dem Thron Gottes (vgl. Jeremia 3,17).
Vers 7-8: Die geheilte Beziehung zwischen Gott und seinem Volk wird zu einem Triumphzug, in dem das Volk von seinem Gott zurück nach Jerusalem geleitet werden wird. Im Alten Orient war es üblich, für Reisen von Königen oder für große Armeetruppenbewegungen die Windungen der Wege zu begradigen und unpassierbare Stelle einzuebnen. Das Gotteswort in Jesaja 40,3-4 wird sich für Israel erfüllen: „Eine Stimme ruft: In der Wüste bahnt den Weg des HERRN, ebnet in der Steppe eine Straße für unseren Gott! Jedes Tal soll sich heben, jeder Berg und Hügel sich senken. Was krumm ist, soll gerade werden, und was hüglig ist, werde eben.“ Die Natur selbst wird Israel auf Geheiß Gottes erquicken und in der Wüste Schatten spenden.
Vers 9: Abschließend wird nochmals begründet, warum sich Jerusalem und somit das Volk Israel freuen können: Gott selbst führt Israel in Freude heim und erweist dadurch sein Erbarmen und seine Gerechtigkeit. Wie einst bei der Führung durch die Wüste aus Ägypten heraus ins verheißene Land leuchtet Gott seinem Volk den Weg (vgl. Exodus 13,21).