Lesejahr C: 2021/2022

2. Lesung (Offb 5,11-14)

11Ich sah und ich hörte die Stimme von vielen Engeln rings um den Thron und um die Lebewesen und die Ältesten; die Zahl der Engel war zehntausend mal zehntausend und tausend mal tausend.

12Sie riefen mit lauter Stimme:

Würdig ist das Lamm, das geschlachtet ist, / Macht zu empfangen, Reichtum und Weisheit, / Kraft und Ehre, Lob und Herrlichkeit.

13Und alle Geschöpfe im Himmel und auf der Erde, unter der Erde und auf dem Meer, alles, was darin ist, hörte ich sprechen:

Ihm, der auf dem Thron sitzt, und dem Lamm / gebühren Lob und Ehre und Herrlichkeit und Kraft in alle Ewigkeit.

14Und die vier Lebewesen sprachen: Amen. Und die vierundzwanzig Ältesten fielen nieder und beteten an.

Überblick

Das Lamm, das Johannes sieht, ist nicht putzig und süß, eher bemerkenswert. Nicht zufällig lenkt es die ganze Aufmerksamkeit des Sehers auf sich. Er erkennt in diesem Lamm, das Zeichen der Ohnmacht wie der Stärke in sich vereint, denjenigen, von dem allein her Hoffnung zu gewinnen ist. Es stand und steht allen entgegen, die ihre Hoffnung allein auf Krieg setzen, besonders denen, dei Kriege anzetteln.

 

Was für die Lesungsauswahl alles weggelassen wurde, aber für das Verstehen hilft

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Dieser Lesungabschnitt ist der Abschluss der ersten großen Vision, die der Seher Johannes auf Patmos schildert (zum Buch der Offenbarung, seinem apokalyptischen Charakter und seinem Aufbau s. unter "Überblick" zur Zweiten Lesung des Zweiten Sonntags der Osterzeit). Im Cinematoskop-Format darf Johannes in dieser Vision (insgesamt umfasst sie Offenbarung 4,1 - 5,14) Einblick nehmen in den Bereich Gottes: Zum Teil an prophetischen Visionen (Jesaja 6, Ezechiel 1), zum Teil an der apokalyptischen Bilderwelt Maß nehmend, steht Johannes ein himmlischer Thronsaal vor Augen, in dem die verschiedensten Wesen Gott die Ehre geben. Sie spiegeln letztlich in symbolischer Weise die gesamte Schöpfung in ihrer ganzen Vielfalt wieder, die Gott als ihren Schöpfer lobpreist (Kapitel 4). 

In Kapitel 5 werden zwei neue "Dinge" eingeführt, die Johannes als Vision wahrnimmt: eine zusammengerollte und versiegelte Buchrolle sowie  ein Lamm: "Es sah aus wie geschlachtet und hatte sieben Hörner und sieben Augen; die Augen sind die sieben Geister Gottes, die über die ganze Erde ausgesandt sind" (Offenbarung 5,6).

Die Buchrolle ist ein Symbol für das, was Gott mit der gesamten Geschichte vor hat; für seinen Plan, wie er seinen Heilswillen in die Tat umsetzen wird. Da Gott und Schöpfung streng gegetrennt sind, gibt es kein geschöpfliches Wesen, das dieses Heilsgeheimnis kennt. In der Vision wird dies daran erkennbar, dass kein einziges der Wesen aus dem himmlischen "Hofstaat", die alle denkbaren Geschöpfe "im Himmel, auf der Erde und unter der Erde" repräsentieren, diese Rolle zu öffnen vermag. Einzig dem "Lamm" mit der Messerwunde am Hals (vom jüdischen Schlachtritus des Schächtens herrührend), das mit Allmacht und Allsichtigkeit ausgestattet ist (die Zahl "sieben" symbolisiert Vollkommenheit, die "Hörner" sind im Alten Orient ein Machtsymbol, das etwa an die Kraft von Stieren denken lässt), wird in der Vision die Buchrolle zur Entsiegelung in die Hand gegeben.

Das besagt: Einzig Jesus Christus, der am Kreuz in den Tod gegangen ist, um mit seinem Blut das letzte Unheil, den Verlust der Freundschaft Gottes und damit des ewigen Lebens, von den Menschen fernzuhalten (das meint "Erlösung"), der aber aus dem Tode erweckt wurde und von Gott Vater mit himmlischer Macht bekleidet wurde - einzig dieses Lamm, das nicht Geschöpf ist, sondern Gottes Sohn, vermag die Buchrolle zu öffnen. Die Lösung der sieben Siegel prägt den weiteren Verlauf des Buches der Offenbarung: In Kapitel 6-7 werden die ersten sechs Siegel geöffnet, mit Kaptitel 8 beginnt die Öffnung des siebten Siegels, das einen ganzen "Wasserfall" von Visionen auslöst - nach einer spannnungsvollen Stille:  "Als das Lamm das siebte Siegel öffnete, trat im Himmel Stille ein, etwa eine halbe Stunde lang" (Offenbarung 8,1).

Diese besondere Rolle des Lammes erklärt die ehrfurchsvolle Verehrung durch alle anderen Wesen. Von ihnen werden besonders herausgehoben die 24 Altesten (eine Art "Thronrat", der 24 Stunden zur Verfügung steht und - wie bereits die Ältesten im Judentum - für Würde und Weisheit steht) und die vier Thronwächter ("Wesen"), die in der Lesung als bekannt vorausgesetzt werden (Vers 11.14), weil sie bereits in Offenbarung 4,4.7-8 vorgestellt wurden:

4 Und rings um den Thron standen vierundzwanzig Throne und auf den Thronen saßen vierundzwanzig Älteste, in weiße Gewänder gekleidet und mit goldenen Kränzen auf dem Haupt. ...

6b Und in der Mitte des Thrones und rings um den Thron waren vier Lebewesen voller Augen, vorn und hinten. 7  Das erste Lebewesen glich einem Löwen, das zweite einem Stier, das dritte sah aus wie ein Mensch, das vierte glich einem fliegenden Adler. 8 Und jedes der vier Lebewesen hatte sechs Flügel, außen und innen voller Augen. Sie ruhen nicht, bei Tag und Nacht, und rufen: Heilig, heilig, heilig ist der Herr, der Gott, der Herrscher über die ganze Schöpfung; er war und er ist und er kommt (Offenbarung 4,4.7-8). 

Nachdem diese beiden Gruppen - Älteste und Wesen - dem Lamm ihre Ehre erwiesen haben und es als denjeigen gegrüßt haben, der durch sein Blut (also den Kreuzestod Jesu) viele für Gott gewonnen hat, stimmen nun die Engel als die übrigen, etwas niederrangigen "Mitglieder" des himmlischen Hofstaates in den Lobpreis Gottes und des Lammes ein. Das ist der Beginn der Lesung, die für die Hörenden im Gottesdienst im Grunde sehr unvermittelt einsetzt.

 

 

Der Lesungstext

Vers 11: "Zehntausend mal zehntausend und tausend mal tausend Engel"

Die Engel haben ihre "Karriere" erst in der Zeit zwischen dem Alten und Neuen Testament gemacht. Früher wurde von einzelnen "Boten" (traditionell wird das hebräische Wort mal'ak "Bote" mit "Engel" übersetzt)  als Überbringern göttlicher Botschaften gesprochen (vgl. z. B. Richter 6,11). Außerdem gab es Kerubim bzw. Serafim als geflügelten Wesen mit der Aufgabe des Bewachens (Paradiesgarten in Genesis 3,24) oder des ständigen Lobpreises Gottes (z. B. Jesaja 6,2-3); hier begegnet allerdings nicht der Begriff mal'ak. Die Apokalyptik aber (s. den Link oben) bevölkert den Himmel mit ganzen Chören von Engeln. Sie repräsentieren als Gott sehr nahe, aber nicht gottgleiche Wesen teilweise die irdischen Völker, Gemeinden und Einzelpersonen im Himmel,  zum Teil stellt man sich wohl auch das Leben der Verstorbenen in Engelgestalt vor. Alles Zählen versagt hier. Normalerweise schreibt man im Hebräischen - und die Apokalyptik kommt aus dem jüdisch-hebräischen Denken - Zahlen mit Hilfe der Buchstaben des Alphabets. Bei 22 Buchstaben kommt man aber nur bis 400. Darüber hinaus gibt es noch zwei eigene Zahlwörter für 1.000 und 10.000. Besonders die "Zehntausend" steht letztlich für Unzählbarkeit, was dann erst recht für die Multiplikationen gilt, die in Vers 11 gewählt wurden (vgl. auch Daniel 7,10).

 

Vers 12: Der Lobgesang

Diese unzählbare Zahl der Engel also stimmt in den Lobgesang der 4 Wesen und 24 Ältesten auf das Lamm als einzig würdiges Wesen zur Öffnung der Buchrolle ein, der zuvor schon einmal ausgeführt wurde (Offenbarung 5,9-10). Wenn dieser Gesang dort als "neues Lied" eingeführt wird, so wird er als himmlische Entsprechung des irdischen Psalmengesangs verstanden. Denn in den Psalmen ist sehr oft von einem "neuen Lied" die Rede: Psalm 33,3; 40,4; 96,1; 98,1; 144,9; 149,1. 

Wer bei dem konkreten Lobpreis ("Doxologie") in Vers 12 sich an die Doxologie, die oft auf das Vaterunser folgt, erinnert fühlt, liegt nicht falsch: "Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen". Vermutlich spiegelt auch der Engelgesang einen konkrete gottesdienstlichen Text aus den Gemeinden des Johannes wieder. Das Wichtigste ist wieder einmal die Zahlensymbolik: Genau sieben Aussagen werden gemacht - entsprechend der Zahl der Heiligkeit und Vollkommenheit, die biblisch immer auf Gott verweist, ob z. B. als Schöpfung in 7 Tagen (Genesis 1,1 - 2,4a) oder als 7 Gaben des Geistes Gottes (Jesaja 11,2-3). Und wenn die Offenbarung in Kapitel 2-3 genau sieben Gemeinden anspricht, so geht es hier wohl vor allem die Gemeinschaft derer, die zu Gott und Jesus Christus gehören - egal, wie viele Gemeinden Johannes tatsächlich "betreut" hat.

 

Vers 13: Die Erweiterung der Lobpreisenden

Vers 13 füllt den Chor der Lobpreisenden noch einmal um die gesamte geschöpfliche Welt auf. Er liest sich wie eine Bestätigung des großen Christus-Hymnus des Apostel Paulus, der sich in seinem Brief an die Gemeinde von Philippi findet (die fettgedruckte Aussage findet sich wörtlich in Vers 13 der Lesung):

9 Darum hat ihn Gott über alle erhöht und ihm den Namen verliehen, der größer ist als alle Namen, 
10 damit alle im Himmel, auf der Erde und unter der Erde ihr Knie beugen vor dem Namen Jesu 
11 und jeder Mund bekennt: Jesus Christus ist der Herr zur Ehre Gottes, des Vaters (Philipper,2,9-11).

 

Vers 14: Der Abschluss des himmlischen Gottesdienstes

Die Orientierung der himmlischen Liturgie am irdischen Gottesdienst findet ihre letzte Bestätigung im Schluss-Amen bzw. Niederknien der vier Wesen und der 24 Ältesten. Nachdem sie ja bereits in Vers 9-10 ihren Lobpreis ausgesprochen haben, bestätigen sie jetzt die Doxologie der Anderen: inhaltlich mit dem zustimmenden Amen, auf der Handlungsebene mit der entsprechenden Ehrfurchtsgeste vor dem, den sie soeben gepriesen haben.

Auslegung

Das Lamm

1. Hintergründe

Im Mittelpunkt der Lesung steht ein Lamm (Verse 12-13). Der ausgelassene Vortext (Offenbarung 5,6) spricht indirekt von einer Wunde ("es sah aus wie geschlachtet"), doch zugleich steht das Lamm in direkter Nähe zum Thron, auf dem Gott Vater sitzt, und hat je sieben Hörner und Augen. Gegen Ende der Offenbarung wird es auch noch Hochzeit feiern mit einer weiß gekleideten Braut (Offb 19,7.9).

Diese Bildwelt ist geprägt von der insgesamt bildträchtigen apokalyptischen Literatur des Judentums, die sich als Reaktion auf die religionsunterdrückende griechische Vorherrschaft seit dem 3. Jh. v. Chr. ausbreitete. Hierzu gehört einerseits das biblische Buch Daniel (um 167 v. Chr.), andererseits als wichtiger außerbiblischer Zeuge das Äthiopische Henochbuch (ällteste Teile aus dem 3. Jh. v. Chr.). Dieses Henochbuch kennt das Lamm als Bild für den sich herrscherlich am Ende der Zeiten durchsetzenden Messias, also eine von Gott her erwartete Heilsgestalt. Auf diese Macht und Herrschaft weisen Hörner (Machtsymbol), Augen (Allsichtigkeit) und Nähe zum Thron (Königtum) hin.  Wichtiger aber ist, das Lamm von seinem Gegenbild her zu verstehen: Das Lamm ist nämlich - anders als der „Drache“, der als Symboltier Roms in Offenbarung 12 vorgestellt werden wird -  keine Leben verschlingende Bestie, sondern Symbol für die Bereitschaft Jesu, eher selbst in den Tod zu gehen als zu töten. Darauf verweisen Blut und Wunde des Lammes in der Offenbarung. Die Schlachtwunde am Hals ist vermutlich die ins Symbolische übertragene Wunde des Lanzenstiches, den Johannes 19,34 bei der Kreuzigung festhält.

Schaut man in den griechischen Text, fällt auf, dass die Offenbarung durchgängig für die Rede vom Lamm ein Wort verwendet (arníon), das an anderen biblischen Stellen, die vom Lamm sprechen, nicht vorkommt (das Lamm, das beim Auszug aus Ägypten geschlachtet wird, heißt próbaton [Exodus 12,3], das vor seinem Scherer verstummende Lamm, mit dem der sogenannte Gottesknecht in Jes 53,7 verglichen wird, amnós). Die Begriffswahl zeigt eine gewisse Eigenständigkeit des Buches der Offenbarung an, die vielleicht gerade die Zusammengehörigkeit von Niedrigkeit (Halswunde) und Hoheit (Herrschersymbolik) ausdrücken soll. Es ist das Symboltier des in den Himmel erhöhten Christus.

 

2. Ein Vergleichstext

Ohne Symbolik findet sich das Gemeinte vielleicht wieder in der österlichen Thomas-Szene (Johannes 20,24-29): Dieser zweifelnde Jünger darf bei der Begegnung mit dem Auferstandenen, die er nicht wirklich glauben kann, seine Finger in die Kreuzeswunden Jesu legen. Der Auferweckte hat die Zeichen seines erniedrigenden Kreuzestodes also nicht abgelegt. Sie gehören zu Jesus Christus dazu. Indem aber der Auferweckte dem Thomas erlaubt, seine Finger in die Wunden zu legen, ehe dieser überhaupt seine entsprechende Bitte vorgetragen hat, wird der Auferweckte in seiner Hoheit erkennbar, in der er die Gedanken der Menschen schon vorher weiß.

Während die Thomas-Szene noch ein letztes Mal die Möglichkeit zulässt, wirklich zu sehen - Jesus steht Thomas und den übrigen Jüngern gegenüber - und zu glauben, gehört die Offenbarung in die Zeit, da solches Sehen nicht mehr möglich ist. Christus ist erhöht zum Vater - außer Greif- und Sichtweite. Es gilt, zu glauben ohne zu sehen (vgl. Johannes 20,29).

 

3. Was heißt Vision?

Was Johannes auf Patmos geschenkt wird, ist daher nicht ein Sehen im Sinne einer photographischen Wahrnehmung, so dass man sagen könnte: "So genau sehen Gott, Jesus und der Himmel aus". Es ist ein "verhülltes Sehen" - anders ist das Paradox wohl kaum aufzulösen. Deshalb kann Johannes auch nur in Bildern, Vorstellungen und Worten schreiben, die sich auf die ihm vorliegende Heilige Schrift (das Erste oder Alte Testament),und andere Schriften der Glaubenstradition seiner Zeit beziehen. Und doch steht hinter diesem "verhüllten Sehen" die reale Glaubenserfahrung: Der Tod hat nicht mehr das letzte Wort, ebensowenig irdische Gewalttätigkeit. Sondern das letzte Wort hat Gott selbst, der seinen Sohn gesandt hat, welcher der Tötungwut der Menschen nicht ausgewichen und gerade als solcher vom Vater in Macht eingesetzt ist. Und das - da ist Johannes gewiss - hat Jesus nicht für sich getan, sondern im Blick auf die Menschen. Die "Wunde des Lammes" ist nicht nur Zeichen passiven Erleidens, sondern ebenso Zeichen des Einsatzes für Andere: In Offenbarung 5,9 heißt es deshalb im Hymnus auf dieses Lamm: "denn du wurdest geschlachtet und hast mit deinem Blut Menschen für Gott erworben aus allen Stämmen und Sprachen, aus allen Nationen und Völkern" (Offenbarung 5,9). "Weniger blutig" umschreibt das Johannes-Evangelium denselben Gedanken: "Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt" (Johannes 15,13). Dem, der das getan hat, gilt der große Lobpreis im Lesungsabschnitt. Dabei wartet das himmlische "Amen" (Vers 14) auf die Unterstützung durch das irdische "Amen" von "zehntausend mal Zehntausend und tausend mal Tausend". Wer so auf den Weg Jesu setzt, darf auf eine ewige Perspektive hoffen, die dem Gewalttätigen nicht gegeben ist. Der Thronsaal Gottes hat genügend Platz!

Kunst etc.

Albrecht Dürer, Apokalypse, Johannes und die 24 Ältesten vor dem Thron, gemeinfrei Wikimedia
Albrecht Dürer, Apokalypse, Johannes und die 24 Ältesten vor dem Thron, gemeinfrei Wikimedia

Die Holzschnitte Albrecht Dürers zur Apokalypse des Johannes haben die Vorstellungswelt geprägt. Offensichtlich verfolgte er die Idee einer 1:1-Umsetzung des biblischen Textes ins Bild. Das "Lamm" hat tatsächlich 7 Hörner und 7 Augen und erinnert damit eher an ein Fabeltier. Dass Kunst immer auch Spiegelung ihrer Zeit ist, erkennt man u. a. daran, dass sich "unter der Hand" die in biblischer Zeit übliche "Schriftrolle" in ein Buch gewandelt hat. Man denke daran, dass durch Johannes Gutenberg der Buchdruck seit 1450 das Leben zu prägen begann, also zur Zeit der Entstehung von Dürers Holzschnittmappe zur Apokalypse schon fast 50 Jahre existierte.

Jenseits ihres künstlerischen Werts bleibt zu fragen, ob die Umsetzung einer Vision ins gemalte Bild wirklich hilfreich ist. Denn auf einmal steht bei den Betrachtenden fest, dass Gott einen langen Bart hat - irgendwann auch im übetragenen Sinn -, und beim Lamm wartet man nur noch auf ein blökendes "Mäh", wie es in einer Verfilmung zur Offenbarung des Johannes aus dem Jahr 2002 zu sehen ist (Apokalypse - Film aus der TV-Reihe "Die Bibel"). Mit anderen Worten: Die Darstellung im Bild macht es sehr viel schwerer, von der Vision zu ihrer symbolischen Deutung zu gelangen und wahrzunehmen, dass eine Vision die Welt Gottes nicht wie eine Fotografie wiedergibt (s. dazu die Rubrik "Auslegung").