Lesejahr A: 2022/2023

2. Lesung (Eph 3,2-3a.5-6)

2Ihr habt doch gehört, welches Amt die Gnade Gottes mir für euch verliehen hat.

3Durch eine Offenbarung wurde mir das Geheimnis kundgetan.

5Den Menschen früherer Generationen wurde es nicht kundgetan, jetzt aber ist es seinen heiligen Aposteln und Propheten durch den Geist offenbart worden:

6dass nämlich die Heiden Miterben sind, zu demselben Leib gehören und mit teilhaben an der Verheißung in Christus Jesus durch das Evangelium.

Überblick

Das im Volksmund "Heilige Drei Könige" genannte Fest heißt offiziell "Erscheinung des Herrn". In den Weisen aus dem Osten erscheint Gott selbst im Kind der ganzen Welt. Auf das "Lokalereignis" Geburt in Bethlehem bzw. die Erscheinung Gottes in der jüdischen Welt folgt die Anbetung durch Repräsentanten der gesamten nichtjüdischen Welt. Denn Gottes Zuwendung zum Menschen im Kind meint "alle Welt" - im wörtlichen Sinn. Was das Matthäusevangelium erzählerisch entfaltet, hält der Epheserbrief als eine Art theologischen Grundsatz fest.

 

Einordnung der  Lesung in den Brief mit vergleichendem Hinweis auf das Matthäusevangelium

Der Epheserbrief stammt vermutlich, wie bereits der Kolosserbrief, nicht von Paulus, sondern dürfte zwei bis drei Jahrzehnte später entstanden sein (zwischen 80 und 90 n. Chr.). Der entscheidende Unterschied: Er hat nicht das Problem einer einzelnen Gemeinde wie Korinth oder Thessalonich im Blick, sondern die Frage, wie die vielen von Paulus oder auch von Anderen gegründeten christlichen Einzelgemeinden zu einer großen Einheit zusammenwachsen können. Anders gesagt: Der Epheserbrief interessiert sich für das Thema "Kirche".

Dabei vertritt der Epheserbrief die ergänzende Gegenperspektive zum Matthäusevangelium, aus dem der Evangelienabschnitt des Festtages stammt. Während Matthäus sich nämlich an Judenchristen wendet, die ihrerseits nichts mit den sogenannten Heidenchristen, also Christen ohne jüdischen Ursprung zu tun haben wollen, wendet sich der Epheserbrief an Heidenchristen, die sich vermutlch eher als "Liberale" sahen und mit großem Dünkel auf die "engen" Judenchristen herabblickten. Matthäus zeigt seiner hochmütigen judenchristlichen Gemeinde auf: Guckt mal, die ersten Anbeter des Jesuskindes waren keine Juden, sondern Heiden - eben die Weisen aus dem Osten. Der Epheserbrief hingegen schreibt: Ihr Heidenchristen, bildet euch nichts ein - ohne die Judenchristen (sprich: die ersten JüngerIinnen Jesu und die Jerusalmer Urgemeinde) gäbe es euch gar nicht. Denn sie haben euch das Evangelium gebracht.

Diesen Gedanken entfaltet der Epheserbrief zum ersten Mal innerhalb der großen lehrhaften Einleitung Kapitel 1 - 3, und zwar in Eph 2,11-22. Um der sicherlich nicht nur auf Zustimmung stoßenden Forderung nach Einheit und gegenseitiger Wertschätzung aller innerchristlichen Gruppierungen Nachdruck zu verleihen, identifiziert sich der anonyme Verfasser des Epheserbriefes in Eph 3,1-13 mit Paulus - die aufgrund seines Missionswerks wie vermutlich auch seines Martyrertodes  von allen anerkannte Autorität. In Eph 2,20 wird Paulus indirekt bereits dem Kirchen-"Fundament der Apostel und Propheten" zugerechnet. 

In dieses biographisch argumentierende Kapitel des Epheserbriefes ordnet sich die Zweite Lesung des Epiphanie-Festes ein. Die Auslassung der Verse Eph 3,3b-4 ist insoweit sinnvoll, als der Autor hier einen Rückverweis auf einen vorangehenden Briefteil unterbringt, den ja im Augenblick der Lesung im Gottesdienst niemand kennt.

 

Ein Wortspiel (Eph 3,2-3)

Als Paulus verweist der Verfasser des Epheserbriefes auf sein "Amt". Im Griechischen steht hier das Wort "oikonomía", das eigentlich "Verwaltung" bedeutet. Dasselbe Wort begegnet wieder in Vers 9, jetzt aber in der Bedeutung "Wirklichkeitswerdung". Näherhin geht es um die Verwirklichung des "Geheimnisses Gottes", von dem auch in Eph 3,3 die Rede ist. Das verwirrende Wortgeflecht lässt sich so auflösen:

Paulus wirkt mit an der Verwirklichung des Geheimnisses Gottes, das nach Eph 1,9-10 darin besteht, dass Gott alles, also den gesamten Kosmos, unter Christus vereinen will. Dieses "Geheimnis" (im Sinne eines Planes Gottes, der den Menschen noch verborgen ist) hat Paulus durch "Offenbarung" (Vers 3) erfahren. Hier kann der Epheserbrief u. a. auf Galater 1,12 zurückgreifen, wo Paulus schreibt: 

"Ich habe es ja nicht von einem Menschen übernommen oder gelernt, sondern durch eine Offenbarung Jesu Christi empfangen."  

Das "Amt" des Paulus besteht also in der Verkündigung des großen Planes Gottes, alles in Christus zusammenzuführen. In dem Maße, wie Menschen dieses Evangelium annehmen und sich zu Christus bekennen, verwirklicht sich schon etwas von diesem Plan Gottes. Insofern ist der "Verwaltungsdienst" des Paulus tatsächlich auch "Verwirklichungsdienst. Diese "Definition" des Aposteldaseins des Paulus erinnert nicht nur an die Beauftragung der zwölf Jünger: "Euch ist das Geheimnis des Reiches Gottes gegeben." (Markus 4,11), sondern auch an die alttestamentlichen Propheten: "Nichts tut GOTT, der Herr, ohne dass er seinen Knechten, den Propheten, zuvor seinen Ratschluss offenbart hat" (Amos 3,7). In Paulus fließen nach Sicht des Epheserbriefes beide Traditionen zusammen.

 

Die Perspektive (Eph 3,5-6)

Wurde oben gesagt, dass der Epheserbrief sich an Heidenchristen wendet, die einen Dünkel gegenüber den Judenchristen haben, verwundert, dass in Kapitel 3 nicht die Zugehörigkeit der Judenchristen zur Verheißung betont wird, sondern diejenige der Heidenchristen. Dieser Perspektivenwechsel ergibt sich durch den in Kapitel 3 gewählten Ansatz, Paulus sprechen zu lassen. Da dieser Judenchrist war, ist ihm die Zuwendung Gottes zu seinem ersterwählten Volk Israel das Selbstverständliche, die Erwählung der Heiden hingegen das Neue. Für ihn war gerade die gottgeschenkte Erkenntnis, dass Gott sich in Jesus Christus allen Menschen, also auch den Nichtjuden zuwenden will, die Initialzündung für seinen Missionsauftrag in der nichtjüdischen Welt.

Das Spiel mit den Perspektiven verwirrt die heutige Hörer- und Leserschaft, erweist sich aber zugleich als ein sehr cleveres Stilmittel. Als anonymer, seiner damaligen Leserschaft natürlich namentlich bekannter Autor kann sich der Schreiber des Epheserbriefes besonders an die Heidenchristen wenden, um sie zur Aufgabe ihrer Überheblichkeit gegenüber den Judenchristen zu bewegen. Als "fiktiver" Paulus kann er sich besonders an die Judenchristen wenden, die sich durch die erfolgreiche Paulusmission mittlerweile ins Hintertreffen geführt fühlen, um sie aufzurichten und zu stärken.

Spätestens ab Eph 4,7 wird Paulus als Person wieder ganz in den Hintergrund treten. Der Autor des Epheserbriefes wendet sich nun an Heiden- wie Judenchristen gleichermaßen und fordert beide zu einem Verhalten auf, an dem das spezifisch christliche Leben erkennbar wird und das sich unterscheiden soll vom Leben derjenigen, die sich noch nicht für Christus entschieden haben: "Lebt nicht mehr wie die Heiden in ihrem nichtigen Denken!" (Epheser 4,17). Auf dieser Ebene darf die Unterscheidung Judenchrist - Heidenchrist oder sonst eine binnenchristliche Unterscheidung überhaupt keine Rolle mehr spielen.

 

Auslegung

Vers 6: Dreimal "mit-"

Die ganze Lesug läuft auf den abschließenden Vers zu. Hier stehen drei gleichgeartete Begriffe (Partizipien) nebeneinander, die man im Deutschen nur schwer wörtlichwiedergeben kann: "mit-erbend" (griech. syngkleronómos), "mit-leibend" (griech. sýssomos von sóma - "Leib") und "mit-teilhabend" (griech. symmétochos). Der Brief formuliert dies an dieser Stelle auf die Heidenchristen hin, denen also im Blick auf ihre Christuszugehörigkeit eine absolute Gleichheit gegenüber den Judenchristen zugesprochen wird: Alle Getauften gehören in gleicher Weise zu den Erben des ewigen Lebens und der ewigen Gemeinschaft mit Gott; alle gehören zu demselben Leib, der für den Epheserbrief die eine Kirche ist mit Christus als Haupt; und alle haben gleichermaßen Anteil an der durch Christus bewirkten Versöhnung (vgl. Eph 2,11-22).

Die Unterscheidung Judenchristen - Heidenchristen hat im Laufe der Geschichte ihre Bedeutung verloren. Das Anliegen des Epheserbriefes aber keineswegs! Denn der tiefe Wunsch nach Einheit aller, die zu Christus gehören wollen, ist in der Welt alles andere als verwirklicht. Die Trennung in Konfessionen (katholisch - evangelisch - altkatholisch), in Ost- und Westkirche (Orthodoxie - römisch-katholische Kirche), in Staatskirchen (anglikanische Kirche, skandinavische Kirchen), aber auch innerhalb der Konfessionen (z. B. Priesterbruderschaft St. Pius X.) zeigen die offene Wunde an. Der Rückzug welcher Teilgruppe auch immer, alleine im Recht zu sein, ist nicht die Lösung, die dem Verfasser des Epheserbriefes vorschwebt. Die Versuchung zu solch "einfacher" Lösung ist offensichtlich so alt wie die Kirche selbst. Der Epheserbrief wie auch das Matthäusevangelium mahnen, bei der Suche nach einer wirklichen Lösung solange im Aufbruch zu bleiben, bis das Bethlehem der "einen Kirche" erreicht ist.

Kunst etc.

Raphael Seitz: Das Kölner Oekuemenekreuz (1989), ©DR Domradio
Raphael Seitz: Das Kölner Oekuemenekreuz (1989), ©DR Domradio

Der bekannte Heilbronner Glaskünstler Raphael Seitz (1957 - 2015) hat 1989 im Auftrag der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) Köln ein ökumenisches Vortragekreuz, ein "Versöhnungskreuz" geschaffen. "Ableger" für Aachen, Bad Honnef, Hamburg, Piesport und Rom sind entstanden, bei denen sich jeweils nur ein Farbstreifen unterscheidet. Für die argentinische Bischofskonferenz wurde ein weiteres angefertigt. Kurz nach der Segnung dieses Kreuzes in Rom durch Papst Franzsikus ist Raphael Seitz leider viel zu früh verstorben. 

Als gelungener künstlerischer Beitrag, die zerrissene christliche Kirche in ihrem verschiedenen Bekenntnissen und Ausprägungen zusammenzubringen und "Einmütigkeit" als Ziel des Wirkens Christi (für dieses Wirken steht das Kreuz) wie auch als Gabe des Gottesgeistes (auch die Gestalt einer Taube als Symbol des Heiligen Geistes ist im Kreuz erkennbar) nicht aus dem Auge zu verlieren - das alles macht dieses Kreuz zu einem wunderbaren Symbol für das, um was es dem Verfasser des Epheserbriefes geht.