Mitten ins Herz! Die Worte des Petrus treffen offenbar den Nerv einiger Zuhörer. Doch „Getroffensein“ allein reicht nicht, es braucht eine Reaktion!
1. Verortung im Buch
Nach der Ausgießung des Geistes über die Jünger (Apostelgeschichte 2,1-13) deutet der Apostel Petrus das Geschehen für die Umstehenden (2,14-36). Dabei greift Petrus zunächst auf die Heilige Schrift zurück – vor allem auf die Vision des Propheten Joël von der Ausgießung des Geistes am Ende der Zeit. Zudem erklärt er Gottes machtvolles Handeln, wie es sich im Leben Jesu und durch dessen Handeln zeigt. Seine Worte schließt Petrus ab mit einem Ruf zur Umkehr an alle, die auf diesen Gott vertrauen („das ganze Haus Israel“) – hier setzt der Text der Lesung ein und schildert die Reaktion der Angesprochenen.
2. Aufbau
Der Text setzt ein mit einem Aufruf an die Zuhörenden (Vers 36), der eine Unterbrechung der Rede des Petrus einleitet. In Vers 37 erfolgt die direkte Reaktion auf den Umkehrruf des Petrus, der daraufhin konkrete Anregungen gibt zu einem Leben im Glauben an Jesus Christus (Verse 38-40). Die abschließenden Verse 41-42 schildern die Folge der Predigt des Petrus und den ersten Erfolg der Verkündigung der Apostel.
3. Erklärung einzelner Verse
Vers 14a: Die Einleitung zur Rede des Petrus ist hoch feierlich. Zum ersten Mal sind die zwölf Apostel mit dem nachgewählten Matthias nun im Fokus des Geschehens und alleinige Handlungsfiguren. Wie selbstverständlich ragt Petrus insofern aus den übrigen heraus, als er das zuvor Gesehene deutet. Denn für die Umstehenden dürfte das Pfingstwunder und die Ausgießung des Heiligen Geistes ein erklärungsbedürftiges Ereignis gewesen sein. Selbst wenn ihnen durch den Propheten Joel eine solche prophetische Begabung als Phänomen der anbrechenden Endzeit vertraut sein dürfte (Joël 3,1-5). Nachdem der Geist auf die Jünger ausgegossen wurde und sie in fremden Sprachen reden konnten, gilt es nun begreifbar zu machen, was geschehen ist.
Vers 36: Wiederum mit einer gewissen Feierlichkeit und durch „also“ als zusammenfassendes Plädoyer gekennzeichnet, richtet sich Petrus an „das ganze Haus Israel“. Diese Formulierung ist aus dem Alten Testament bekannt (z.B. Levitikus 10,6), findet aber auch im Neuen Testament eine Wiederaufnahme (z.B. Matthäus 10,6). Lukas, der Autor der Apostelgeschichte, bringt damit zum Ausdruck, dass die Worte des Apostels nicht nur den Zuhörenden gelten, sondern für alle, die an den Gott Israels glauben, Bedeutung haben. Die „Gewissheit“, auf die sich die Adressaten bei ihren Überlegungen stützen können, ist das Schriftzeugnis und die Verkündigung, die Petrus in seiner vorangehenden Rede unter Beweis gestellt hat. Aber nicht nur das Wort des Petrus kann zur Gewissheit führen, auch das Pfingstereignis selbst bringt für die Zuhörenden eine Erfahrung von Gottes unmittelbarem Handeln mit sich. Genau dieses Handeln Gottes mit und an Jesus war Thema der Worte des Petrus. Hier fasst er es zusammen in dem Satz: „Gott hat ihn zum Herrn und Christus gemacht, diesen Jesus, der ihr gekreuzigt habt.“ Es handelt sich um ein nahezu formelhaftes Bekenntnis, das Lukas wohl aus älteren Traditionen übernommen hat (z.B. Philipperbrief 2,11). Dies zeigt sich unter anderem daran, dass Lukas selbst in seinem Evangelium bereits von Anfang an Jesus als den Christus und Herrn vorgestellt hatte (Lukasevangelium 2,11). Die Bekenntnisformel hingegen legt den Fokus auf eine durch Tod, Auferstehung und Himmelfahrt erfolgte Bestätigung Jesu durch den Vater („Gott hat ihn zum Herrn und Christus gemacht“).
Das nachgestellte und dadurch besonders betonte „den ihr gekreuzigt habt“ stellt das Verhalten der Angesprochenen in krassen Gegensatz zum Handeln Gottes: Gott setzt Jesus ein zum Herrn und Christus, das Haus Israel kreuzigt ihn.
Vers 37: Auf dem eigentlichen Höhepunkt der Rede des Petrus lässt Lukas die Zuhörer zu Wort kommen. Er gestaltet damit bewusst die Rede und Reaktion in der Folge des Pfingstereignisses als ein Geschehen von umfassenderer Bedeutung. Die kunstvolle Gestaltung des Zusammenhangs von Apg 2 lässt das Pfingstereignis und die Erstverkündigung der Apostel in Jerusalem als Gründungsgeschehen einer stetig anwachsenden Gemeinde dort hervortreten.
Die Zuhörer sind von den Worten des Petrus im Innersten getroffen. Das Herz ist nicht nur Sitz der Emotionen, sondern auch des Urteilsvermögens und der Gesinnung des Menschen. In genau diesen Bereich dringt die Botschaft des Petrus. Entsprechend folgt auch eine direkte Reaktion. Die Menschen fragen Petrus und die übrigen Apostel, was sie tun sollen. Die Anrede „Brüder“ nimmt Bezug auf die Anrede des Petrus in Apg 2,29 und zeigt, dass sich die Apostel und die Angesprochenen als eine Gemeinschaft verstehen aufgrund ihres gemeinsamen Glaubens an Gott, den Schöpfer des Himmels und der Erde, der durch die Propheten spricht und sich seinem Volk immer wieder gezeigt hat.
Die Frage nimmt die Frage der Menschen wieder auf, die im Lukasevangelium Johannes dem Täufer begegnen. Auch sie fragen angesichts der Botschaft der Umkehr, was denn dann nun zu tun sei? (Lukasevangelium 3,10)
Verse 38-40: Wie auch im Lukasevangelium erfolgen nun konkrete Hinweise, was aus der Erkenntnis einer Umkehr und damit Lebensveränderung folgen soll. Anders als im Evangelium geht es hier nicht um den allgemeinen Ruf zur Umkehr und zu einem Leben nach dem Willen Gottes. Petrus ruft dazu auf, Jesus als Herrn und Christus zu bekennen und daraufhin das Leben auszurichten. Dies bedeutet: Die eigene Umkehr durch die Taufe zum Ausdruck zu bringen und damit das alte Leben hinter sich zu lassen (Vergebung der Sünden). Die Taufe „auf den Namen Jesu Christi“ schließt sichtlich an die Ankündigung im Lukasevangelium 24,47 an, was dort aufgetragen wurde, wird hier als Aufruf weitergegeben. Wer sein Leben auf diese Weise bereit ist durch sichtbare Zeichen neu auszurichten, der wird mit der Gabe des Geistes beschenkt, so wie es die Zuhörenden an den Aposteln erlebt haben. Petrus macht deutlich, dass das Pfingstereignis kein exklusives, nur auf die Apostel bezogenes Geschehen ist, sondern, dass sich dort beispielhaft ereignete, was allen, d.h. dem ganzen Haus Israel und den „Fernen“ (Nicht-Juden) offensteht. Voraussetzung dafür ist das Loslassen des Alten und die Bereitschaft, sich von Gott erretten zu lassen. Damit ist das berufende Handeln Gottes, das unabhängig von der Person erfolgt, betont. Dieses Handeln wird sich in der Apostelgeschichte immer mehr zeigen, wenn Juden und Nicht-Juden sich von der Botschaft Jesu als Herrn und Christus anstecken lassen und andere diesen Ruf ablehnen.
Vers 40 weist darauf hin, dass die Unterweisung des Petrus noch weit ausführlicher war, jedoch immer in dem eindringlichen Ruf zum Loslassen mündete.
Verse 41-42: Nachdem in Vers 41 von 3000 Personen die Rede war, die im Anschluss an die Worte des Petrus zum Glauben kamen und getauft wurden, schildert Lukas nun, wie sich das Leben der neuen Gemeindemitglieder darstellt. Die vier Elemente des christlichen Lebens, die hier spezifisch für die Neugetauften genannt werden, werden später noch einmal im Hinblick auf die Gesamtgemeinde aufgenommen (Apg 2,44-46).
Die Zahl 3000 ist nur als Symbolzahl zu lesen. Bei einer ungefähren Gesamteinwohnerzahl Jerusalems von 25.000-30.000 ist ihr Ziel vor allem das stetige Wachstum der Gemeinde zu veranschaulichen. Waren es bei der Wahl des Matthias 120 „Brüder“, die zur Gemeinde gezählt wurden und abstimmten (Apg 1,15), sind es nun 3000 Personen, die neu zum Glauben kommen. In Apg 4,4 ist von 5000 Männern in der Gemeinde von Jerusalem die Rede – auch dies ist keine reale Zahl. Der Evangelist Lukas möchte in großen Zahlen die Wirksamkeit und Ausstrahlungskraft der Apostel in Jerusalem veranschaulichen, keine Gemeindestatistik erstellen, insofern sind seine Zahlen Indizien des Wachstums, aber keine belastbaren Größen.
Das Leben der Neugetauften zeichnet sich durch vier Merkmale aus, die mit „Festhalten an“ umschrieben sind:
1. „die Lehre der Apostel“: Lukas beschreibt immer wieder den Tempel als den Ort, an dem die Apostel tätig werden (z.B. Apg 3,11). Hier deuten sie die Schrift im Hinblick auf Jesus Christus und verkünden ihn als den Sohn Gottes, der in die Welt gesandt wurde und durch Leiden und Auferstehung als der ersehnte Messias bestätigt wurde. Diese „Lehre“, darf nicht als festgelegtes Curriculum, sondern muss als dynamisches Verkündigungsgeschehen gedacht werden, das immer situativ angepasst wurde, wie Lukas im Verlauf der Apostelgeschichte zeigt. Die „Lehre“ richtet sich dabei sowohl werbend an interessierte Zuhörer (nach außen) als auch zur Vertiefung an die Gemeindemitglieder (nach innen, vgl. Vers 46).
2. „die Gemeinschaft“: Lukas wird in den Verse 44-46 diesen Aspekt verschiedentlich aufnehmen. Er umfasst mehr als ein Beieinandersein, vielmehr geht es um gottesdienstliche Gemeinschaft, die sich in einem Sozialverhalten ausdrückt, das auf Fürsorge untereinander und Kompromissbereitschaft (Einmütigkeit) basiert.
3. „das Brechen des Brotes“: Mit diesem Ausdruck ist im Neuen Testament, vor allem bei Lukas und Paulus, die Mahlgemeinschaft der Gemeinde gemeint (Apg 20,7-11; 1. Korintherbrief 10,16-17). Aufgrund der engen Verknüpfung zwischen gemeinsamem Sättigungsmahl und eucharistischer Mahlgemeinschaft in der jungen Gemeinde, umfasst „Brechen des Brotes“ die Mahlgemeinschaft insgesamt. Es ist aber davon auszugehen, dass die explizite eucharistische Mahlgemeinschaft nur an Herrentagen (Sonntagen) zum Sättigungsmahl hinzutrat.
4. „die Gebete“: Lukas verwendet hier den Plural und greift damit inhaltlich zurück auf sein Evangelium. Dort hatte nicht nur Jesus selbst immer wieder als Betenden hervorgehoben, Jesus lehrte auch seine Jünger beten (Lukasevangelium 11,1-2) und forderte sie auf, das Gebet zu einer beständigen Praxis werden zu lassen (Lukasevangelium 18,1). Die junge Gemeinde wird weiterhin an den Gebeten der jüdischen Gemeinde festgehalten und diese um spezielle christliche Gebete wie das Vater Unser erweitert haben.