Für eine Frau aus Shunem wird Gastfreundschaft zu einer Verheißung.
1. Verortung im Buch
„Elija - er wurde vom Wirbelsturm verhüllt und Elischa wurde mit seinem Geist erfüllt; zu seiner Zeit wurde er von keinem Herrscher ins Wanken gebracht und niemand hatte Macht über ihn“, mit diesen Worten beginnt der biblische Weisheitslehrer Jesus Sirach sein Lob über den Propheten Elischa (Namensbedeutung: „Gott hilft“), dessen Geschichte in den Königebüchern erzählt wird. Er war der Schüler und Nachfolger des Propheten Elija und wirkte wie dieser im Nordreich Israel. In der Erzählung über ihn fällt vor allem auf, dass er stets unterwegs war und an vielen Orten wirkte; er trat im Namen Gottes nicht nur den Königen und Mächtigen entgegen, sondern sein Wirken ist auch eng bezogen auf das Leben einzelner Menschen. Er versorgt sie mit Nahrung, ermöglicht eine Schwangerschaft, heilt und lässt auferstehen (2 Könige 4). Diese Geschichten aus dem Alltag zeichnen ihn mit denselben Attributen wie der kanaanäische Fruchtbarkeitsgott Baal, dem das Königshaus Omri des Nordreiches Israel diente.
2. Aufbau
In 2 Könige 4 reihen sich insgesamt vier Wundergeschichten aneinander. Keine von ihnen ist zeitlich verortet; die Hauptpersonen, abgesehen von Elischa und seinem Diener Gehasi bleiben namenlos – gemeinsam ist allen nur, dass sie keine Machtpositionen innehaben. Die Geschichte der namenlosen und kinderlosen Frau aus Schunem spielt auch in der weiteren Erzählung eine Rolle (siehe 2 Könige 8,1-6) – Elischa schenkt ihr ein zweifaches Wunder. In 2 Könige 4,8-11 wird ihr wohlwollendes Handeln an Elischa beschrieben. Und dann wird ihr, die sie für ihre Gastfreundschaft keine Gegenleistung erwartet, die Geburt eines Sohnes verheißen (Verse 12-17). Den Höhepunkt erreicht die Geschichte, als einige Jahre später dieser Sohn stirbt, aber durch den Propheten wieder ins Leben zurückgeholt wird (Verse 18-37). Entscheidend für das Verständnis ihrer Geschichte sind Teile der Erzählung, die in der Lesung nicht vorkommen.
Sie wird gefragt, wie der Prophet das ihm Gute denn vergelten könne – und er verweist explizit darauf, dass er durch seine Verbindungen zum Königshof Gutes tun kann (siehe dann auch 2 Könige 8,1-6). Doch sie winkt ab: „Du hast dir so viel Mühe um uns gemacht. Was können wir für dich tun? Sollen wir beim König oder beim Obersten des Heeres ein Wort für dich einlegen? Doch sie entgegnete: Ich wohne inmitten meiner Verwandten.“ (Verse 12-13) Sie ist gut versorgt und genügsam. Sie verweist auch nicht auf ihre Kinderlosigkeit; darauf mach Gesahi seinen Herren Elischa aufmerksam. Und selbst als dieser ihr nun die Geburt eines Sohnes prophezeit erwidert sie: „Ach nein, Herr, Mann Gottes, täusche doch deiner Magd nichts vor!“ (Vers 16b). Sie hat sich mit ihrem Leben abgefunden und will keine falsche Hoffnung – doch sie wird tatsächlich einen Sohn zur Welt bringen (Vers 17).
3. Erklärung einzelner Verse
Verse 8-11: Schunem liegt südlich von Nazareth und lag in biblischer Zeit strategisch wichtig an den Handelsrouten durch die Jesreelebene. Die Bezeichnung Elischas als „heiliger Gottesmann“ statt dem einfachen Titel „Prophet“, drückt die enge Beziehung aus, die die Frau aus Schunem zwischen Gott und Elischa wahrgenommen hatte. Das erklärt auch, dass sie ihre Gastfreundschaft als Werk für Gott versteht.
Verse 14-16a: Die an die namenlose Frau ergehende Verheißung ist ein Echo der Nachkommenverheißung an die Erzmutter Sarah: „In einem Jahr komme ich wieder zu dir. Siehe, dann wird deine Frau Sara einen Sohn haben.“ (Genesis 18,10).