Im Haus des Gebetes für alle Völker können selbst Fremde zum Teil des Volkes Gottes werden – wenn sie Gottes Forderungen einhalten.
1. Verortung im Buch
Der dritte und somit letzte Teil des Buches Jesaja stellt Zions Zukunft in den Mittelpunkt – und behandelt an seinen Rändern die Frage, wer Anteil am göttlichen Heil haben wird. Bereits kurz zuvor wird verkündet, wie man das Heil und somit Gottes Gerechtigkeit zu verstehen hat: „Auf, alle Durstigen, kommt zum Wasser! Die ihr kein Geld habt, kommt, kauft Getreide und esst, kommt und kauft ohne Geld und ohne Bezahlung Wein und Milch! Warum bezahlt ihr mit Geld, was euch nicht nährt, und mit dem Lohn eurer Mühen, was euch nicht satt macht? Hört auf mich, dann bekommt ihr das Beste zu essen und könnt euch laben an fetten Speisen! Neigt euer Ohr und kommt zu mir, hört und ihr werdet aufleben! Ich schließe mit euch einen ewigen Bund: Die Erweise der Huld für David sind beständig.“ (Jesaja 55,1-3).
2. Aufbau
Die Gemeinde Gottes steht allen Menschen offen – diese radikale Aussage steht im Zentrum von Jesaja 56,1-8. Der Sabbat und das Bewahren Gottes Bundes sind die göttlichen Kriterien, die selbst dem Eunuchen und dem Fremden eine Zukunft im Volk Gottes geben: „Selig der Mensch, der dies tut, und jeder Einzelne, der daran festhält, den Sabbat zu halten und ihn nicht zu entweihen und seine Hand vor jeder bösen Tat zu bewahren“ (Vers 2). Explizit werden die Bedenken gegen diese Annahme aus dem Weg geräumt: „Der Fremde, der sich dem HERRN angeschlossen hat, soll nicht sagen: Sicher wird er mich ausschließen aus seinem Volk.“ (Vers 3 und siehe als Antwort darauf Verse 6-7). Das in Vers 1 angekündigte Heil bedeutet nicht nur die Sammlung Israels aus dem Exil, sondern auch die Offenheit des Volkes für die Fremden: „Spruch GOTTES, des Herrn, der die Versprengten Israels sammelt: Noch mehr, als ich schon von ihnen gesammelt habe, will ich bei ihm sammeln.“ (Vers 8).
3. Erklärung einzelner Verse
Vers 1: Am Anfang steht eine Mahnung zum frommen Handeln: „Übt Gerechtigkeit … denn meine Gerechtigkeit kommt!“. Diese Forderung erhält ihre Dringlichkeit durch das bevorstehende Kommen Gottes, wie es bereits vergleichbar in Jesaja 46,13 verkündet wurde: „Ich habe meine Gerechtigkeit nahegebracht, sie ist nicht mehr fern und meine Rettung verzögert sich nicht. Ich schaffe Rettung in Zion und verleihe Israel meine strahlende Pracht.“
Vers 6: Die hier genannten Fremden sind Proselyten, die zum Volk Gottes übertreten wollen. Wie radikal die Aussage ist, erkennt man, wenn man sie mit der Tendenz der klaren Unterscheidung zwischen Volk Israel und den Fremden im Buch Nehemia betrachtet: „Die, die ihrer Abstammung nach Israeliten waren, sonderten sich von allen Fremden ab; sie traten vor und bekannten ihre Sünden und die Vergehen ihrer Väter“ (Nehemia 9,2 – siehe auch Nehemia 13,1-3). Auch sprachlich werden die Proselyten sehr eng an das Volk Israel herangeführt. Sie wollen Gott „dienen“ – so wie es eigentlich die Priester und Leviten tun. Sie lieben Gott, wie es eigentlich dem Volk Israel aufgetragen ist (siehe Deuteronomium 11,32). Auch der Verweis, dass sie als Knechtes Gottes zu sehen sind, beschreibt sie in ihrer Intention bereits als Teil des Volkes Gottes. Zu dem entscheidenden Kriterium, ob sie ein Teil des Volkes Gottes sein können siehe die Rubrik „Auslegung“.
Vers 7: Die Fremden werden vollständig als Teil der Kultgemeinde aufgenommen. Der heilige Berg ist der Ort des Tempels, der hier „Haus des Gebets für alle Völker“ genannt wird. Gebet und Opfer sind im Alten Testament kein Gegensatz, sondern die Gebete sind Teil des Opfervollzugs. Mit der Annahme der Opfer der Fremden sind diese im Endeffekt keine Fremden mehr.