Lesejahr A: 2022/2023

1. Lesung (Jes 2,1-5)

1 Das Wort, das Jesaja, der Sohn des Amoz, über Juda und Jerusalem geschaut hat.

2 Am Ende der Tage wird es geschehen: 

Der Berg des Hauses des HERRN steht fest gegründet als höchster der Berge; er überragt alle Hügel. Zu ihm strömen alle Nationen. 3 Viele Völker gehen und sagen: 

Auf, wir ziehen hinauf zum Berg des HERRN und zum Haus des Gottes Jakobs. Er unterweise uns in seinen Wegen, auf seinen Pfaden wollen wir gehen. Denn vom Zion zieht Weisung aus und das Wort des HERRN von Jerusalem.

4 Er wird Recht schaffen zwischen den Nationen und viele Völker zurechtweisen. Dann werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen umschmieden und ihre Lanzen zu Winzermessern. Sie erheben nicht das Schwert, Nation gegen Nation, und sie erlernen nicht mehr den Krieg.

5 Haus Jakob, auf, wir wollen gehen im Licht des HERRN.

Überblick

Die Weisung Gottes bedeutet Frieden, bedeutet Heil. Die Völker werden verlernen Krieg zu führen – der Prophet Jesaja sieht eine Völkerwallfahrt zum Zion voraus. Und darum gilt es im Hier und Jetzt im Licht Gottes zu wandeln!

 

1. Verortung im Buch

Nur Gott ist es zu verdanken, dass Jerusalem – und mit dieser Stadt das Volk – nicht das Schicksal Sodoms und Gomorras ereilt hat. Mit dieser radikalen Feststellung und Mahnung beginnt das Buch des Propheten Jesaja (siehe Jesaja 1,8-10). Rettung bietet allein die Weisung Gottes – und das gilt sowohl für das Volk Israel als auch für die Völker der Welt. Die Weisung Gottes geht von Jerusalem in die Welt hinaus und schafft Frieden. Am Anfang des Buches Jesaja werden grundlegende Themen dieser prophetischen Botschaft angesprochen: die Bedeutung Jerusalems, auch genannt Zion; die Anerkennung des Gottes Israels durch die Völker und der Völkerzug zum Zion.

 

2. Aufbau

Jesajas Vision – genauer das Wort, das er geschaut hat (Vers 1) – ist eine Heilsschilderung (Verse 2-4), die in einer Selbstaufforderung des Propheten an das Volk gerichtet endet. So wie die Völker sagen werden, „Auf, wir ziehen hinauf zum Berg des HERRN … auf seinen Pfaden wollen wir gehen“, so soll Israel sagen, „auf, wir wollen gehen im Licht des HERRN“ – und so heute schon der Weisung Gottes folgen, die die Völker erst empfangen werden.

 

3. Erklärung einzelner Verse

Vers 1: Am Anfang steht nicht das „Wort Gottes“, sondern das geschaute „Wort“. Das es göttlicher Herkunft und somit eine Vision ist, verdeutlicht der Vergleich mit Jesaja 1,1. Vielleicht betont der Begriff „Wort“, dass die folgende Heilsschilderung als eine Zusage Gottes zu verstehen ist, die zugleich die Kernbotschaft des Propheten Jesaja darstellt.

Vers 2: Nicht "am Ende der Tage", sondern – wörtlich übersetzt – "in zukünftigen Tagen", heißt es am Anfang der Vision. Es geht um eine noch entfernte Zukunft in der Weltgeschichte, die aber bereits in der Gegenwart verankert ist und jetzt von Bedeutung ist, wie Vers 5 betont. Und zugleich sprengt die erste Zusage die Wirklichkeit, denn der Berg Gottes in Jerusalem ist nur ein Hügel, der selbst von nahegelegenen Hügeln, wie dem Ölberg, überragt wird. Doch die Erhöhung des Berges verweist auf seine dauerhaft begründete Bedeutung, die ihn näher am Himmel sein lässt als jeder andere Götterberg.

Vers 3: Die herausgehobene Stellung des Berges, auf dem der Tempel des Gottes Israels steht, wird wie ein Magnet für die Völker der Welt wirken. In Vers 2 heißt es noch, dass „alle Nationen“ zu ihm strömen werden, aber in Vers 3 wird diese Aussage direkt eingeschränkt. Nur „viele Völker“ strömen zum Ort der Gegenwart Gottes, um seine Weisung zu empfangen. Dass dieser Ort „Haus des Gottes Jakobs“ genannt wird, ist dabei von besonderer Bedeutung. Im Buch Jesaja ist mit dem Namen Jakob die Erlösungsbedürftigkeit verbunden (siehe zum Beispiel Jesaja 8,17). Indem sich Gott dem Erzvater Jakob zugewendet hat, wurde aus ihm Israel (siehe Genesis 35,10-12).

Vers 4: Die Weisung Gottes, die den Völkern zu teil werden wird, ist eine Friedensbotschaft, der sie gehorchen werden. Er wird unter ihnen Recht sprechen und somit die Gründe für Kriege beseitigen. Die Frucht der Weisung Gottes wird dann der Wille zum Frieden der Völker werden. Sie werden selbst die Initiative ergreifen, und Ackerbau und Weinlese ihre einzigen Sorgen sein lassen. Der Pflug steht dabei für die Vorbereitung zur Aussaat und das Winzermesser für die Ernte. Nicht einmal die Bereitschaft zum Krieg, das Erlernen der Kriegskünste und ihre Praxis, wird mehr eine Sorge der Völker sein – aus der Weisung Gottes entspringt eine Friedensherrschaft.

Vers 5: Die Wortwahl verdeutlicht, dass die geschaute Initiative der Völker, die zum Ort der Gegenwart Gottes strömen werden, um seine Weisung zu empfangen, als ein Vorbild für Israel dient. Aber nicht erst in einer noch fernen Zukunft, sondern jetzt, soll Israel „im Licht JHWHs“ gehen. Gottes Licht steht im Buch Jesaja für das durch ihn gewirkte Heil (siehe Jesaja 60,1). So setzt der Prophet in seiner Selbstaufforderung die Weisung Gottes, die es zu befolgen gilt, mit dem Heil Gottes gleich.  

Auslegung

„Haus Jakob, auf, wir wollen gehen im Licht des HERRN.“ – mit diesen Worten ruft der Prophet Jesaja das Volk auf, die Weisung Gottes zu befolgen, wie es in Zukunft auch die Völker tun werden. Diese Aufforderung erklingt aus einer düsteren Tiefe – kurz zuvor heißt es noch: „Wehe der sündigen Nation, dem schuldbeladenen Volk, der Brut von Übeltätern, den Söhnen, die Verderben bringen! Sie haben den HERRN verlassen, den Heiligen Israels verschmäht und ihm den Rücken zugekehrt“ (Jesaja 1,4). Das Vorbild für die Hinwendung zum Leben ermöglichenden Licht, mit dem der Prophet die Weisung Gottes identifiziert, sind nun nicht die Gerechten des Volkes, sondern die Völker der Welt. Sie sind nicht der Anfang des Heils – das ist Gott –, aber ihr Verhalten soll Israel ermuntern. In der Vision Jesajas ist der Anfang des Heils die Erhöhung des Berges Jerusalems, auf dem der Ort der Gegenwart Gottes zu finden ist. Der Erhöhung folgt der Aufstieg der Völker zu diesem Ort, der Himmel und Erde verbindet. Sie erheben sich zum Frieden und realisieren Frieden. Für die Adressaten dieser Vision ergibt sich, dass das Folgen der Weisung Gottes, das Wandeln in seinem Licht, Frieden bedeutet. Gottes Wille für die Zukunft ist ein Frieden, in dem der Krieg verlernt wird. 

Kunst etc.

„Schwerter zu Pflugscharen“ – aus diesen biblischen Worten ist eine Redewendung geworden. Sie drückt die Hoffnung auf einen Völkerfrieden durch weltweite Abrüstung aus. Ab den 80er Jahren wurde die Redewendung zuerst ein Motto nicht-staatlicher Abrüstungsinitiativen in der DDR und wurde dann bald auch in der damaligen BRD von der Friedensbewegung übernommen. Weltweit bekannt ist die Skulptur im Garten des Hauptsitzes der Vereinten Nationen in New York City. Sie zeigt einen Mann, der mit seiner eigenen Kraft, ein Schwert zu einer Pflugschar schmiedet. Die Statue, die Redenwendung und erst recht das zugrundliegende Bibelwort betonen, dass der Friede durch die Initiative der Menschen bewirkt wird. Passend ist daher der Titel dieser Bronzestatue gewählt, die vom sowjetischen Künstler Evgeny Vuchetich geschaffen wurde: „Lasst uns unsere Schwerter in Pflugscharen schlagen“.

„Let Us Beat Our Swords into Ploughshares
„Let Us Beat Our Swords into Ploughshares", Bronzestatue, Evgeny Vuchetich, fotografiert von Colin W. – Lizenz: CC BY-SA 3.0