Lesejahr A: 2022/2023

2. Lesung (1 Kor 15,20-26.28)

20Nun aber ist Christus von den Toten auferweckt worden als der Erste der Entschlafenen.

21Da nämlich durch einen Menschen der Tod gekommen ist, kommt durch einen Menschen auch die Auferstehung der Toten.

22Denn wie in Adam alle sterben, so werden in Christus alle lebendig gemacht werden.

23Es gibt aber eine bestimmte Reihenfolge: Erster ist Christus; dann folgen, wenn Christus kommt, alle, die zu ihm gehören.

24Danach kommt das Ende, wenn er jede Macht, Gewalt und Kraft entmachtet hat und seine Herrschaft Gott, dem Vater, übergibt.

25Denn er muss herrschen, bis Gott ihm alle Feinde unter seine Füße gelegt hat.

26Der letzte Feind, der entmachtet wird, ist der Tod.

28Wenn ihm dann alles unterworfen ist, wird auch er, der Sohn, sich dem unterwerfen, der ihm alles unterworfen hat, damit Gott alles in allem sei.

Überblick

Auferstehung als Entmachtung des Todes. Das Ende der Zeit und die Hoffnung, die daraus für das Leben erwächst.

1. Einordnung in den Brief
Im 1. Korintherbrief (1 Kor) widmet sich der Apostel Paulus verschiedenen aktuellen Fragen der Gemeinde, aber auch Themen, die ihm selbst für die Gemeinde wichtig erscheinen. Paulus selbst hatte die Gemeinde 50/51 n. Chr. gegründet. Sein Brief, den er rund um das Jahr 54 n. Chr. aus Ephesus schreibt, gibt einen tiefen Einblick in die Fragen und Herausforderungen einer jungen christlichen Gemeinde. So waren Streitigkeiten innerhalb der Gemeinde, die richtige Feier der gemeinsamen Gottesdienste und zuletzt (Kapitel 12-14) das Zusammenspiel und der richtige Einsatz der Geistesgaben beispielhafte Fragen. Insgesamt ist das Miteinander in der Gemeinde eines der zentralen Themen des Briefes. Ein weiteres ist die Treue zu der Verkündigung des Evangeliums durch Paulus.
Das Kapitel 15 beschäftigt sich ganz mit der Frage nach der Auferstehung. Dabei geht es sowohl um das Fundament des gemeinsamen Glaubens als auch um eine Auseinandersetzung mit einer theologischen Eigendynamik der Gemeinde, die sich durch andere Verkünder und die Auseinandersetzung mit philosophischen Strömungen dort eingeschlichen hat. Das Kapitel beginnt mit einem Bekenntnis zum Glauben an die Auferstehung Jesu Christi und ihre Zeugen (1 Kor 15,1-11). Daran schließt sich ein Abschnitt über die Gewissheit der Auferstehung der Toten an. Paulus argumentiert gegen eine in Teilen der Gemeinde aufkommende Auffassung, eine Auferstehung der Toten gäbe es nicht. Paulus zeigt den Korinthern auf, dass eine Leugnung der Auferstehung Jesu zugleich bedeuten würde, den eigenen Glauben und die eigene Hoffnung für nutzlos zu erklären. Hier setzt der vorliegende Abschnitt an.

 

2. Aufbau
Die Verse 20-22 bilden ein theologisch begründetes Bekenntnis des Apostels zur Auferstehung der Toten mit Jesus Christus als Erstem der Auferweckten. Die Verse 23-26 und 28 nehmen davon ausgehend die Ereignisse bei der Wiederkunft des auferweckten und zum Vater erhöhten Herrn in den Blick.

 

3. Erklärung einzelner Verse
Verse 20-22: Paulus wiederholt die Realität der Auferstehung Jesu und knüpft damit an das Bekenntnis zu Beginn des Kapitels an (1 Kor 15,1-11). Die Rede von Christus als „Erstem“ hat nicht nur den Sinn, eine Reihenfolge der Auferstehung anzulegen. Vielmehr steht im Hintergrund der alttestamentliche Gedanke von der „Erstlingsgabe“ der Ernte, die in der Paschawoche am Tag nach dem Sabbat Gott von seinem Volk dargebracht wurde (Levitikus 23,9-15). Nach dieser Erstlingsgabe folgt das Einholen der weiteren Ernte – diesen Gedanken wird Paulus ab Vers 23 auch auf die Auferstehung beziehen. Das bedeutet: Die Erstlingsgabe ist immer der Auftakt zu einem weiteren Geschehen und in diesem Sinne soll hier von Anfang an die Auferstehung Jesu betrachtet werden.
Paulus erweitert dies um eine Adam-Christus-Parallelisierung: Adam steht für den ersten Menschen und damit für die Menschheit generell. Und so wie die mit Adam beginnende Menschheit ganz sterblich ist, so wird mit Jesus Christus eine „neue Menschheit“ entstehen, die nicht im Tod ihr Ende findet, sondern auferstehen wird.

 

Vers 23: Paulus nimmt den Gedanken aus Vers 20 von der Erstlingsgabe wieder auf und beschreibt die Abfolge der Auferstehung der an Christus Glaubenden. Christus wird von Gott auferweckt und ist damit der Erste der Auferstandenen. Er ist – hier lässt Paulus einige Schritte aus – durch die Himmelfahrt zum Vater erhöht und mit dessen Vollmacht ausgestattet und kommt wieder am Ende der Zeit. Dann werden alle, die sich zu ihm bekennen, zu ewigem Leben auferstehen.

 

Verse 24-26.28: Paulus bleibt im Szenario vom Ende der Zeit und wirft einen Blick auf das, was bei der Wiederkunft Christi geschieht. Der Sohn bezwingt alle irdischen Mächte und Verhältnisse, so dass überall Gottes Reich sichtbar und erfahrbar ist. Weil der Zielpunkt des Wirkens Jesu das Reich Gottes ist, wird er, wenn dieses Reich Durchsetzung gefunden hat, dem Vater all seine Macht übergeben. Der entscheidende letzte Punkt dabei ist die Entmachtung des Todes. Sie ist bereits mit der Auferstehung Jesu erfolgt und setzt sich fort, wenn diejenigen, die zu Christus gehören, zu neuem Leben erweckt werden.
Die Formulierung der „Machtverhältnisse“ im Text ist nicht einfach auseinanderzuhalten. Womöglich spiegelt sich darin das paulinische Verständnis des Zusammenspiels und der Einheit von Vater und Sohn bei der Entmachtung aller irdischen Kräfte wieder.

Auslegung

In unterschiedlichen Angängen versucht Paulus den Christen in Korinth die Realität der Auferstehung Jesu und die Bedeutung dieser Wirklichkeit für den eigenen Glauben zu erschließen. Im vorliegenden Abschnitt liegt der Fokus des Apostels dabei auf den Machtverhältnissen, die mit der Auferstehung Jesu verbunden bzw. verändert sind. Dazu verwendet er zwei Bezugspunkte: Zum einen versucht er durch die Parallele Adam-Christus verständlich zu machen, dass das Schicksal eines Menschen das Schicksal aller Menschen beeinflussen kann. Wie Adam als erster Mensch sterblich und damit der Macht des Todes unterworfen war, so kann Christus auch als Erster auferweckt und der Macht des Todes entrissen sein. Wie nach Adam jeder Mensch dessen Schicksal teilt, so kann auch nach Christus jeder Mensch dessen Schicksal teilen. Adam und Christus sind so Urtypen einer jeweiligen Schicksalsgemeinschaft. Zum anderen verwendet Paulus den Gedanken vom Ende der Zeit und dem von Jesus verkündeten Gottesreich als Bezugspunkt. Die Welt läuft auf eine Wirklichkeit zu, in der Gottes Wille Realität wird – diese Botschaft prägt die gesamte Verkündigung Jesu. Diese Wirklichkeit, das Reich Gottes, zeichnet sich unter anderem dadurch aus, dass in ihr Grenzen gesprengt, Kranke geheilt, Menschen befreit werden von sie beherrschenden Mächten. Mit Jesu Wirken ist das Gottesreich gekommen, aber noch nicht in seiner Fülle erreicht. 
Ganz Wirklichkeit wird das Reich Gottes erst am Ende der Zeit, wenn selbst die Macht, die Gott als Gott des Lebens entgegensteht, ihren Schrecken verloren hat. Mit Tod und Auferstehung Jesu ist das Ende der Zeit näher gerückt, denn sein Auferwecktwerden vom Tod hat dem Tod die Macht über das Leben entrissen. Gott, der ein Gott des Lebens ist, hat sein Wesen und seinen Willen für das Leben in der Auferstehung Jesu ein für alle Mal kundgetan. Gott ist stärker als der Tod und wie sich dies im Schicksal des eigenen Sohnes zeigt, so wird sich dies auch im Schicksal derer zeigen, die an den Sohn und damit den Vater und seine lebensspendende Macht glauben.
An die Auferstehung Jesu zu glauben, bedeutet, davon überzeugt zu sein, dass Gott ein Gott des Lebens ist. Es bedeutet zu verinnerlichen, dass nur Gott Herr über Leben und Tod ist und dass damit auch unsere Zukunft als Glaubende von Hoffnung und nicht von Unsicherheit geprägt ist. Mit diesen Gedanken versucht der Apostel Paulus der Gemeinde in Korinth den Glauben an die Auferstehung Jesu als Zukunftsbotschaft und schicksalsverändernde Realität zu verdeutlichen.

Kunst etc.

Dieses Gemälde von Raphael ist zwischen 1499 und 1502 entstanden und mit „Die Auferstehung Christi“ betitelt. Es zeigt aber nicht nur den Auferstandenen als denjenigen, der aus dem Grab aufsteht. Der schwebende Zustand Jesu deutet seine in der Überwindung des Todes stattfindende Erhöhung zum Vater bereits an.