Große Freude! Wenn Wort und Tat ineinandergreifen, ist Gottes Geist nicht weit!
1. Verortung im Buch
Nachdem in den Kapiteln 1,5-8,4 Jerusalem der Dreh- und Angelpunkt der Apostelgeschichte (Apg), zeigt Lukas, der Autor des Evangeliums und der Apostelgeschichte nun, wie sich das Christentum in Samaria und Judäa verbreitet. Ausgangspunkt für die Ausbreitung ist die „Zerstreuung“ der Christen Jerusalems nach der Steinigung des Stephanus (Apg 8,54-60). Stephanus und Philippus, der nun in Samaria tätig wird, gehörten dem Kreis der Sieben an, die durch Gemeinde und Apostel dazu bestimmt wurden, die Versorgung der griechisch-sprechenden Witwen in der Jerusalemer Gemeinde zu gewährleisten (Apg 6,1-7). Wie viele andere Christen ist Philippus aus Jerusalem geflohen und wirkt nun als Verkündiger des Evangeliums in Samaria.
Für Lukas ist es wichtig, eine Kontinuität zwischen dem Wirken und Auftrag Jesu und der „Fortsetzung“ dieses Auftrags durch die zwölf Apostel und die Gemeinde darzustellen. Im vorliegenden Abschnitt vorliegenden Abschnitt stellt er dies nicht nur durch die Autorität der von Jesus ernannten stellt er dies nicht nur durch die Autorität der von Jesus ernannten Apostel, sondern auch durch die Parallelität von Ereignissen zwischen Jesus und seinen Jüngern dar.
Die Verse des Lesungstextes sind verwoben mit einer anderen Geschichte, die in den Versen 9-13 und 18-25 von einem angesehenen Zauberer namens Simon erzählt. Simon ist von der Predigt des Philippus so beeindruckt, dass er sich taufen lässt. Die Vollmacht der Apostel, die Hände aufzulegen und den Geist weiterzugeben, ist für Simon jedoch auf falsche Weise anziehend. So wird auch in der „Zwischengeschichte“ von Simon dem Zauberer das Thema der Wirksamkeit des Geistes und der sich zeigenden Vollmacht thematisiert, wenn auch auf ganz andere Weise.
2. Aufbau
Der Lesungstext ist aus zwei Sinnabschnitten zusammengesetzt, die über die örtliche Angabe (Samaria) miteinander verbunden sind. In den Versen 5-8 geht es um die verkündigende Tätigkeit des Philippus in Samaria. Die Verse 14-17 zeigen den Erfolg dieses Wirkens, indem die Apostel Petrus und Johannes durch die Geistweitergabe die neue Gemeinde dort legitimieren.
3. Erklärung einzelner Verse
Verse 5-8: Neben Stephanus war Philippus aus dem Kreis der Sieben bei der Darstellung ihrer Wahl besonders herausgehoben worden (Apg 6,5), die beiden führen die die Liste der Gewählten an. Philippus zieht wie die anderen Gläubigen, die zerstreut wurden herum und verkündet das Evangelium (Apg 8,4). Mit der Hauptstadt Samarias dürfte nicht Sebaste gemeint sein, da diese Stadt vollkommen durch die griechische Kultur geprägt und von Nicht-Juden bewohnt war. Da die Verkündigung an die Heiden erst später explizit erfolgt, ist eher an Sichem zu denken. Sie ist das religiöse Zentrum der Samaritaner, die auf dem Garizim und nicht in Jerusalem im Tempel Gott verehrten. Die unterschiedlichen Kultstätten sind ein wesentlicher Grund für die Auseinandersetzung zwischen Juden und Samaritanern. Für Lukas ist jedoch diese Differenz hier nicht so sehr von Bedeutung, ihm geht es um eine Verkündigung des Evangeliums an Juden – auch wenn diese auf dem Garizim ihren Ort der Gottesverehrung haben. Wenn Philippus „Christus verkündet“, ist damit gemeint, dass er Jesus von Nazareth als den ersehnten Messias/Christus Israels bekennt und verkündet. Lukas zeigt mit dieser Notiz, dass Philippus genau das tut, was auch die Apostel tun (vgl. Apg 5,42). Dies setzt sich auch in der weiteren Schilderung des Wirkens des Philippus fort. Denn die Menge hört „einmütig“ (vgl. Apg 2,45) den Worten des Philippus zu und sieht, die Zeichen, die er vollbringt (vgl. Apg 5,12-16). Das Motiv von Hören und Sehen wird auch bei der Schilderung der benannten Wunder wiederholt. Denn das Austreiben von Dämonen ist immer mit lautem Schreien des Dämons verbunden, es handelt sich also um eine Wunder, das sich den Zuschauern durchs Hören bestätigt (vgl. Lukasevangelium 4,31-37). Die Heilung von Lahmen und Verkrüppelten zeigt sich hingegen sichtbar, denn es wird berichtet, wie der Geheilte umher läuft und sichtbar frei von Beschwerden ist (vgl. Apg 3,1-11).
Die sichtbaren und hörbaren Anzeichen vollmächtigen Handelns führen in der Stadt zu großer Freude. „Freude“ ist wie die Furcht seit der Erzählung von der Geburt Jesu (Lukasevangelium 2,10) das Zeichen für die Begegnung mit göttlichem Wirken. Freude ist die Konsequenz auf das Erleben göttlicher Wirkmacht unter den Menschen. Wo Gott sichtbar und erlebbar wird, da gibt es für die Menschen Grund zu jubeln (Apg 3,8).
Verse 14-17: Philippus spielt nun keine explizite Rolle mehr, allerdings setzt sein erfolgreiches Wirken erst die folgenden Ereignisse in Gang. Denn die Kunde von der gelungenen Verkündigung in Samarien gelangt bis zu den Aposteln in Jerusalem, die als von Jesus direkt Beauftragte einen klaren Autoritätsrang bei den jungen christlichen Gemeinden innehatten. Petrus und Johannes werden als Abgesandte für die Zwölf dorthin geschickt, wo sich das Evangelium offenbar erfolgreich verbreitet hatte und viele sich hatten taufen lassen (Apg 8,12). Die beiden Apostel bestätigen oder vervollständigen den Akt der Zugehörigkeit zur christlichen Gemeinde, indem sie ihnen die Hände auflegen und durch Gebet den Heiligen Geist vermitteln.
Lukas schildert das Hinzukommen der Apostel und deren Handauflegung als einen bewussten Akt und verfolgt damit direkt mehrere Aussageabsichten: Zum einen macht er deutlich, dass die Gemeinde, die in Samaria aufgrund der Verkündigung des Philippus entstanden ist, zusammengehört mit der „Ursprungsgemeinde“ in Jerusalem. Christliche Gemeinschaften sind nie nur ein lokales Ereignis, sie dürfen sich verbunden wissen, mit der Gemeinde, die die Apostel selbst bilden und die der Ursprung der weiteren Verkündigung in der nachösterlichen Zeit ist. Die Apostel sind Garant der Einheit der Gemeinden. Zum anderen bestätigen die Apostel damit das Wirken des Philippus als Verkündigung aus der „Mitte der Gemeinde“. Außerdem geben die Apostel der Gemeinde das hinzu, was nur sie in direkter Nachfolge Jesu übertragen: Den Geist, der befähigt in der Nachfolge Jesu zu handeln. Philippus ist das direkte Beispiel dafür, was dies bedeutet. Ihm waren in Jerusalem die Hände aufgelegt worden und damit der Geist verliehen worden, als Jünger Jesu auch sichtbar zu handeln. Er verkündet das Evangelium mit Wort und Tat – dies soll nun auch in der Gemeinde in Samaria geschehen. Lukas verbindet mit der Entsendung von Petrus und Johannes also einerseits die Übertragung einer Vollmacht, die in der entstehenden Kirche klar an die Apostel gebunden war. Andererseits zeigt er so, dass eine Gemeinde nie nur für sich allein steht, sondern in ein Beziehungsnetz von Gemeinden hineinwächst, die Jesus als den Christus bekennen.