Lesejahr B: 2023/2024

Evangelium (Mk 6,7-13)

7Er rief die Zwölf zu sich und sandte sie aus, jeweils zwei zusammen. Er gab ihnen Vollmacht über die unreinen Geister

8und er gebot ihnen, außer einem Wanderstab nichts auf den Weg mitzunehmen, kein Brot, keine Vorratstasche, kein Geld im Gürtel,

9kein zweites Hemd und an den Füßen nur Sandalen.

10Und er sagte zu ihnen: Bleibt in dem Haus, in dem ihr einkehrt, bis ihr den Ort wieder verlasst!

11Wenn man euch aber in einem Ort nicht aufnimmt und euch nicht hören will, dann geht weiter und schüttelt den Staub von euren Füßen, ihnen zum Zeugnis.

12Und sie zogen aus und verkündeten die Umkehr.

13Sie trieben viele Dämonen aus und salbten viele Kranke mit Öl und heilten sie.

Überblick

Niemals aufgeben. Jesus sendet die Jünger auf, damit sie handeln wie er handelt – und sich dabei an seinem Beispiel orientieren.

1. Verortung im Evangelium
Der Evangelist Markus unternimmt es als erster eine Jesuserzählung zu schreiben und die zuvor meist mündliche Überlieferung zu einer fortlaufenden Geschichte zusammenzustellen. Das Markusevangelium (Mk) entsteht kurz nach der Zerstörung des Jerusalemer Tempels (70 n.Chr.) im Jüdischen Krieg. Der Verfasser ist unbekannt, auch wenn es innerhalb der kirchlichen Tradition eine Verbindung zu Markus einem Judenchristen hellenistischer Herkunft gibt. Dieser ist einerseits Paulusbegleiter (Apostelgeschichte 12,12) und andererseits Vertrauter des Petrus (1. Petrusbrief 5,13).
Das Markusevangelium beginnt in der Wüste (Mk 1,1-13) mit dem Auftreten des Täufers und der Taufe Jesu. Dann schildert es den Beginn der Verkündigung Jesu in Galiläa (Mk 1,14-8,26) und den Weg nach Jerusalem (Mk 8,27-10,52) und endet mit den Ereignissen in Jerusalem (Mk 11,1-16,20). Das ursprüngliche Ende des Evangeliums war die Begegnung der Frauen mit dem Engel am leeren Grab (Mk 16,8). Die Erweiterung um die Erscheinungserzählungen sind später hinzugefügt worden (Mk 16,9-20).
Der Abschnitt Mk 6,7-13 wird eingerahmt durch die Erzählung von der Ablehnung Jesu in seiner Heimatstadt Nazareth (Mk 6,1-6, hier die Auslegung dazu https://www.in-principio.de/sonntags-lesungen/lesung/Evangelium-Mk-61b-6/) und dem Bericht von der Enthauptung Johannes des Täufers (Mk 6,14-29). Inmitten dieser Geschichten, die die Konsequenzen eines Eintretens für die Botschaft Gottes aufzeigen, entsendet Jesus die Zwölf, da mit sie das Evangelium verkünden.

 

2. Aufbau
Der Text lässt sich in vier Abschnitte untergliedern: 1. Aussendung und Übergabe von Vollmacht (Vers 7), 2. Anweisungen für die Ausrüstung (Verse 8-9), 3. Hinweise zum Verhalten (Verse 10-11), 4. Bericht über das Wirken der Apostel (Verse 12-13).

 

3. Erklärung einzelner Verse

Vers 7: Jesus ist ganz klar der Hauptdarsteller der Episode, auch wenn die Zwölf erzählerisch im Mittelpunkt stehen. Es ist sein Wort, sein Herbeirufen und Aussenden, das den Ausgangspunkt der Erzählung bildet. Nur in den letzten beiden Versen (12-13) werden Aktionen der Apostel wiedergegeben.
Die Zwölf wurden vom Evangelisten Markus bereits in Mk 3,13-19 (Wahl der Zwölf und Nennung der Namen), sowie in Mk 4,10 (im Rahmen der Gleichnisrede) als herausgehobene Gruppe benannt. Jesus sendet sie zu zweit aus. Dies entspricht nicht nur der christlichen Missionspraxis, wie sie auch die Gemeinde des Markus kennen wird, sondern es spiegelt sich darin auch die Idee einer zuverlässigen Zeugenschaft im jüdischen Sinne wieder: Zwei Zeugen bekräftigen die Glaubwürdigkeit der Botschaft.
Die übergebene Vollmacht „über die unreinen Geister“ entspricht der Vollmacht, die Jesus selbst ausübt (z.B. Mk 1,21-28). So haben die Zwölf Anteil an der Vollmacht Jesu, die so viel anders ist als die Macht anderer Wundertäter.

 

Verse 8-9: Jesus sagt den Ausgesendeten nun, was sie nicht (!) mitnehmen sollen. „Kein Brot“ mitzunehmen bringt das Vertrauen in Gottes Fürsorge zum Ausdruck, ebenso das Verbot, eine „Vorratstasche“ dabei zu haben. „Kein Geld im Gürtel“ steht dafür, dass die Jünger sich auf die Annahme durch Menschen verlassen sollen und zugleich mit ihrer Botschaft kein Geld erwirtschaften. „Kein zweites Hemd“ zeigt die Reduktion aufs Wesentliche. In einem positiven Sinne erwähnt werden nur der „Wanderstab“ und „Sandalen“ an den Füßen. Die beiden Evangelisten Lukas und Matthäus, die nach Markus schreiben und dessen Evangelium kennen, erlauben auch Wanderstab und Sandalen nicht mehr (so zum Beispiel: Lukasevangelium 9,3). Insgesamt sind die klaren Regeln dazu gedacht, den Fokus der Verkündiger auf ihre Botschaft zu konzentrieren. Wenn sie nichts verlieren oder vergessen können und auf keine Habseligkeiten achten müssen, sind sie jederzeit ganz bei dem, was sie weitertragen sollen. Außerdem wird in der Schlichtheit der Ausrüstung, die eigentlich immer nur für einen Tag gut ist, deutlich, wie sehr die Zwölf sich auf Gottes Zuwendung verlassen. Sie werden so in ihrer Glaubwürdigkeit bestärkt.

 

Verse 10-11: Nun beschreibt Jesus das Verhalten, das Verkünder des Gottesreichs kennzeichnen soll. Diese Regeln sind durch die direkte Rede Jesu von den vorherigen Geboten beziehungsweise Verboten abgesetzt. Jesus trägt den Zwölfen auf: Wo sie gastfreundlich aufgenommen werden, da sollen sie auch bleiben. Die Aufnahme der Missionare ist gleichzusetzen mit der Annahme ihrer Botschaft. Wo die Botschaft nicht angenommen und die Zwölf nicht aufgenommen werden, da sollen die Zwölf weiterziehen. Jesus unterscheidet zwischen der Aufnahme in einem Haus und der Ablehnung an einem Ort. Die Gastfreundschaft in einem Haus führt dazu, dass die Jünger auch insgesamt an dem Ort bleiben. Werden sie in einem Ort, also in mehreren Häusern dort nicht aufgenommen, ziehen sie weiter. Das Abschütteln des Staubs von den Füßen ist ein Zeichen, dass für die Aufhebung der Gemeinschaft steht. Wahrscheinlich geht dieses Zeichen über den Moment hinaus und bedeutet zeigt zugleich die Nicht-Gemeinschaft der Jünger mit den Menschen dieses Ortes am Tag des Gerichts. Die Bewohner des Ortes haben nicht nur die Jünger, sondern auch ihre rettende Botschaft abgelehnt.

 

Verse 12-13: Die Erzählung von der Aussendung der Zwölf endet mit dem Bericht über deren Wirken. Endlich geraten nun die, über die die ganze Zeit gesprochen wurde, stärker in den Mittelpunkt. Der Evangelist bekräftigt in einer Art Zusammenfassung, dass die Zwölf tun, was Jesus ihnen aufgetragen hat. Sie ziehen aus (= er sendet sie aus), sie verkünden die Umkehr (vgl. Mk 1,15), treiben Dämonen aus (= „er gab ihnen Vollmacht über die unreinen Geister“) und salben Kranke mit Öl. Während die drei ersten Elemente der Tätigkeit alle ein Pendant im Wirken Jesu oder seinen Aussendungsworten haben, ist der letzte Teil des Wirkens ohne Entsprechung. Überhaupt wird in den gesamten Evangelien nirgendwo von einer „Krankensalbung“ mit Öl berichtet, nicht von Jesus oder einem seiner Jünger. Einzig der Jakobusbrief kennt im Neuen Testament diese Handlung, verbindet sie aber mit der Vergebung der Sünden (Jakobusbrief 5,14-15). Vermutlich geht in diese Darstellung des Markusevangeliums bereits die frühchristliche Praxis, einer Salbung mit Öl ein. Gleichzeitig ist das Öl aus der Tradition des Alten Testaments immer Zeichen der Zuwendung und Nähe Gottes und seiner Bestärkung.

Auslegung

Was Jesus den Zwölfen in seinen Aussendungsworten mit auf den Weg gibt, verstärkt der Evangelist Markus durch die Zusammenstellung der Perikopen (Erzählabschnitte). Jesus beschreibt den Jüngern gegenüber die zwei grundlegenden Szenarien ihres Handelns. Entweder die Menschen schenken der Botschaft vom Reich Gottes Beachtung, sie lassen sich zur Umkehr rufen und wollen sich von Gottes Nähe in ein neues Leben rufen lassen – oder sie lehnen diese Botschaft kategorisch ab und äußern dies in der Ablehnung der Verkündiger. Wo die Botschaft angenommen wird, werden die Zwölf aufgenommen werden. Wo sie nicht aufgenommen werden, wird auch die Botschaft keinen Widerhall finden. Es ist ein einfaches und klares Grundprinzip von Sendern und Empfängern, das Jesus den Jüngern mitgibt. Eine Zuspitzung erfährt es dadurch, dass der Evangelist Markus es sehr bewusst in seine Erzählabfolge von Begebenheiten Jesu auf dem Weg einbettet. In Mk 3,13-15 hatte Jesus sich diese Zwölf, „die er selbst wollte“ ausgewählt, „damit sie mit ihm seien“. Ihm geht es dabei nicht nur um Gemeinschaft und selbstgewählte Gefährten. Das „mit ihm Sein“ ist von Anfang an gedacht als Anteilhabe an seinem Reden und Handeln (Mk 3,14-15). Er kann die Botschaft vom Gottesreich alleine verkünden, aber er möchte es nicht. Es ist sein Wille, die Kunde schnell zu verbreiten, die Wirkung zu beschleunigen und rasch eine Dynamik zu entfalten. Dazu braucht er Menschen, die sich auf diese Botschaft nicht nur selbst ganz einlassen, sondern die auch bereit sind, für sie alles zu riskieren. Der Evangelist Markus setzt die Aufforderung Jesu entschlossen zwischen zwei Szenen, die genau dieses Risiko der Verkündigung intensiv beleuchten: Jesus erfährt die Ablehnung und das Unverständnis der eigenen Heimatstadt. Johannes der Täufer, der zuvor zu Umkehr und einem neuen Leben nach dem Willen Gottes aufgerufen hatte, wurde enthauptet. Der Bericht darüber schließt sich in Mk 6,14-29 an die Aussendung an.
Was Jesus den Jüngern als Konsequenzen ihres Handelns aufzeigt, das verstärkt der Evangelist durch diese Komposition. Gleichzeitig gewinnt die Aufforderung an die Zwölf und damit an jeden in der Nachfolge Jesu die Eindringlichkeit: Egal, was kommt, gib nicht auf, für die Botschaft einzustehen. Jesus lässt sich von dem Erlebnis in Nazareth nicht von seinem Weg abbringen, im Gegenteil, er intensiviert seine Bemühungen, indem er weitere Zeugen der Botschaft entsendet. Und Johannes der Täufer hat sich in vollem Bewusstsein der Sprengkraft seiner Worte gegen den König Herodes und seinen Lebensstil gewendet (Mk 6,18-20). Gib nicht auf, die Botschaft zu verkünden, lass dich nicht einschüchtern – mit dieser Aufforderung versieht der Evangelist Markus die Aussendungsworte Jesu, indem er sie auf diese Weise in den Erzählablauf einbettet.

Kunst etc.

Diese Buchmalerei vom „Meister der Reichenauer Schule“ (um 1010) zeigt Christus, der die Zwölf bevollmächtigt und aussendet.