Lesejahr B: 2023/2024

Evangelium (Mk 16,15-20)

15Dann sagte er zu ihnen: Geht hinaus in die ganze Welt und verkündet das Evangelium der ganzen Schöpfung!

16Wer glaubt und sich taufen lässt, wird gerettet; wer aber nicht glaubt, wird verurteilt werden.

17Und durch die, die zum Glauben gekommen sind, werden folgende Zeichen geschehen: In meinem Namen werden sie Dämonen austreiben; sie werden in neuen Sprachen reden;

18wenn sie Schlangen anfassen oder tödliches Gift trinken, wird es ihnen nicht schaden; und die Kranken, denen sie die Hände auflegen, werden gesund werden.

19Nachdem Jesus, der Herr, dies zu ihnen gesagt hatte, wurde er in den Himmel aufgenommen und setzte sich zur Rechten Gottes.

20Sie aber zogen aus und verkündeten überall. Der Herr stand ihnen bei und bekräftigte das Wort durch die Zeichen, die es begleiteten.

Überblick

Eine Botschaft für alle! Das Markusevangelium endet mit einem universalen Aufruf und dem Hinweis zur selbstkritischen Betrachtung.

1. Verortung im Evangelium
Der Evangelist Markus unternimmt es als erster eine Jesuserzählung zu schreiben und die zuvor meist mündliche Überlieferung zu einer fortlaufenden Geschichte zusammenzustellen. Das Markusevangelium (Mk) entsteht kurz nach der Zerstörung des Jerusalemer Tempels (70 n.Chr.) im Jüdischen Krieg. Der Verfasser ist unbekannt, auch wenn es innerhalb der kirchlichen Tradition eine Verbindung zu Markus einem Judenchristen hellenistischer Herkunft gibt. Dieser ist einerseits Paulusbegleiter (Apostelgeschichte 12,12) und andererseits Vertrauter des Petrus (1. Petrusbrief 5,13).
Das Markusevangelium beginnt in der Wüste (Mk 1,1-13) mit dem Auftreten des Täufers, der Taufe Jesu und der Erzählung von der Versuchung Jesu. Dann schildert es den Beginn der Verkündigung Jesu in Galiläa (Mk 1,14-8,26) und den Weg nach Jerusalem (Mk 8,27-10,52) und endet mit den Ereignissen in Jerusalem (Mk 11,1-16,20). Das ursprüngliche Ende des Evangeliums war die Begegnung der Frauen mit dem Engel am leeren Grab (Mk 16,8). Die Erweiterung um die Erscheinungserzählungen sind später hinzugefügt worden (Mk 16,9-20).

 

2. Aufbau
Der Abschnitt ist als Ganzer eine Kombination von verschiedenen Überlieferungen zur Beauftragung der Jünger und der Himmelfahrt Jesu. Das sind auch die beiden zwei Schwerpunkte, die sich in Mk 16,15-20 ausmachen lassen. Auftrag zur Verkündigung des Evangeliums (Verse 15-18), Himmelfahrt Jesu (Verse 19-20).

 

3. Erklärung einzelner Verse

Verse 15: Mit „dann“ beginnt der Abschnitt unvermittelt. Er schließt nahtlos an Vers 14 an, indem Jesus den „Elf“ beim Mahl erscheint und sie tadelt, weil sie denen nicht glauben, die von der Auferstehung berichteten (Verse 9-13). Trotz der Ermahnung folgt in Vers 15 der Aufruf zur Verkündigung des Evangeliums. Sie ist in doppelter Weise universal ausgerichtet, weil explizit die „ganze Welt“ und die „ganze Schöpfung“ als Adressaten genannt sind. Der Inhalt des „Evangeliums“ wird nicht näher charakterisiert. Deutlich wird aber, dass die Botschaft allumfassend ist und entsprechend auch der Anspruch, der damit verbunden ist. Denkt man an den Anfang des Markusevangeliums, ist dort mit dem „Evangelium“ eng der Anbruch des Reich Gottes verknüpft. Auch wenn der sekundäre Markusschluss (Mk 16,9-20) losgelöst vom Evangelium verfasst und dann als Ganzer hinzugefügt wurde, kann beim Aufruf, das Evangelium zu verkünden, die Botschaft vom Gottesreich als Kernstück dieser Verkündigung vermutet werden. Wenn diese Nachricht universal zu verstehen ist, wird damit auch die allumfassende Spannweite des Reich Gottes ausgesagt.

 

Vers 16: Ist die Verkündigung erfolgt, sind zwei Reaktionen denkbar: Glaube und Unglaube. Dies deckt sich mit den Erfahrungen der Verkündigung durch Jesus selbst. Die gläubige Annahme des Evangeliums mündet in der Taufe, die als Zeichen des Bekenntnisses und Akt des Neu-Werdens aus Jesus Christus heraus Rettung mit sich bringt. Durch die Gegenüberstellung mit der Alternative (nicht glauben und verurteilt werden) wird deutlich, dass Rettung ein Bewahrt werden im Gericht meint.

 

Verse 17-18: Nun kommt in den Blick, was durch alle Gläubigen an sichtbaren Zeichen wirksam wird. Explizit ist hier die Rede von denen, „die zum Glauben kommen“. Es wird kein Unterschied zwischen den Elf und anderen in der Nachfolge Jesu gemacht. Die Glaubenden werden unter Berufung auf Jesus selbst, das bedeutet im Bekenntnis zu ihm („in meinem Namen“) Wundertaten vollbringen können. Die genannten Ereignisse lassen sich alle in den Erzählungen vom (ersten) Wirken der Apostel in der Apostelgeschichte wiederfinden. Diese Tatsache, aber auch die Begegnung des Auferstandenen mit seinen Jüngern beim Mahl (Vers 14), deutet darauf hin, dass der sekundäre Schluss des Markusevangeliums in Kenntnis der lukanischen Doppelwerks (Evangelium und Apostelgeschichte) verfasst wurde. Das Reden „in neuen Sprachen“ verweist auf das Pfingstwunder (Apostelgeschichte 2,1-11), von Paulus wird eine Dämonenaustreibung berichtet (Apostelgeschichte 16,16-18), Krankenheilungen durch Petrus und Johannes, Paulus und Barnabas werden ebenfalls in der Apostelgeschichte geschildert (Apostelgeschichte 3,1-10: 14,8-10; 28, 8-9). Die Immunität gegenüber Schlangen (und deren Gift) wird bei der Rückkehr der ausgesandten Jünger (Lukasevangelium 10,19) und von Paulus (Apostelgeschichte 28,3-6) berichtet.

 

Verse 19-20: Nach der Beauftragung der Elf zur Weitergabe des Evangeliums („Missionsbefehl“) folgt der Abschied des Auferstandenen. Er wird „in den Himmel aufgenommen“ wie es auch von Elija erzählt wird (2. Buch der Könige 2,11). Das eigens erwähnte Platznehmen zur Rechten Gottes entspricht den Worten Jesu selbst (Mk 14,62), erinnert aber auch an Psalm 110,1: „So spricht der HERR zu meinem Herrn: Setze dich zu meiner Rechten und ich lege deine Feinde als Schemel unter deine Füße“. Sein Ende findet das Markusevangelium in der heutigen Gestalt mit einem „Erfahrungsbericht“. Die Jünger folgen der Aufforderung Jesu zur Verkündigung des Evangeliums und erleben in ihrem wunderhaften Wirken den bleibenden Beistand Jesu.
Die knappe und fast formelhafte Darstellung der Himmelfahrt und der bleibenden Verbundenheit zwischen Jesus und den Jüngern könnte darauf zurückzuführen sein, dass hier eine Formulierung verwendet wurde, die bereits als Bekenntnis zum Beispiel im gottesdienstlichen Kontext benutzt wurde.

Auslegung

Das Markusevangelium, das ursprünglich mit Mk 16,8 und dem Schweigen der Frauen endete, wurde im Nachhinein durch ein „best-of“ von Ostererzählungen erweitert. Aufgrund der Überlieferung in den Handschriften und Textzeugen muss dies bereits bis ca. 200 n.Chr. erfolgt sein. Dabei scheint das heutige Ende (Mk 16,9-20) nicht explizit als „neues“ Ende des Markusevangeliums verfasst worden zu sein. Vielmehr finden sich in diesen Versen zunächst einmal viele verschiedene Traditionen, die mit Ostern, der letzten Begegnung zwischen Jesus und seinen Jüngern und dem Übergang in die Zeit danach verbunden waren. Auffällig oft gibt es Übereinstimmungen oder Anklänge an die Werke des Evangelisten Lukas (Evangelium und Apostelgeschichte), aber auch weitere Traditionen scheinen verwendet worden zu sein. Wer auch immer die Erzählung der Verse 9-20 verfasst hat, derjenige hatte den Wunsch, die Auferstehung Jesu zu bestätigen und um „Beweise“ und Konsequenzen für die Christen zu erweitern. Ob der Abschnitt zum Beispiel als Teil katechetischer Unterweisung benutzt wurde, wie manche Kommentatoren vermuten, muss offen bleiben – genauso wie die Frage, wer wann das ursprüngliche Ende des Markusevangeliums um diese Verse erweitert hat.

Wenn wir heute das Markusevangelium zu Ende lesen, dann nehmen wir in den Versen 15-20, dort also, wo Jesus sich noch einmal direkt an alle elf Apostel wendet, zwei Schwerpunkte war. Zum einen soll die Botschaft Jesu, die Kunde vom Reich Gottes, die Verkündigung der bedingungslosen Liebe und des Rufs in ein neues Leben universal bekannt gemacht werden. Die beiden Umschreibungen „in die ganze Welt“ und „der ganzen Schöpfung“ verdeutlichen dies. Die Ankündigung des Heils gilt damit nicht nur „allen Menschen guten Willens“ oder „allen Menschen“, sondern jedem einzelnen Teil von Gottes Schöpfung. Dies bedeutet mit großer Radikalität, dass Verkündigung des Evangeliums nicht nur in Wort und Tat gegenüber allen Menschen erfolgen soll, sondern dass auch Tiere, Pflanzen, die gesamte Schöpfung, in der wir leben, Gottes Wunsch nach Heil, nach Frieden und Unversehrtheit erleben soll. Ein unglaublich direkter Auftrag, die Verkündigung des Evangeliums nicht allein auf den zwischenmenschlichen Bereich zu beschränken.
Zum anderen rücken die Verse 15-20 ins Bewusstsein, dass die Weitergabe des Evangeliums im Namen Jesu mit sehr konkreten Zeichen verbunden sein wird. Die in den Versen 17-18 aufgezählten „Wunder“ sind hier sicher beispielhaft zu verstehen und in Anlehnung an das Erleben der ersten Christen (z.B. Apostelgeschichte) formuliert. Vers 20 formuliert jedoch offen und mit Hinblick auf die Wirksamkeit der Wortverkündigung durch die Zeiten hindurch: Das Wort wird durch die Zeichen, die es begleiten bekräftigt! Ein Wort ohne Zeichen ist in der Weitergabe des Evangeliums also undenkbar. Dies bedeutet auch, wo zwar vom Evangelium erzählt wird, es aber nicht greifbar wird, da ist das Wort der Frohen Botschaft nicht bestätigt. Ob Vers 20 damit ein Kriterium für die Authentizität einer Verkündigung einführen will, muss offenbleiben.
Die zwei Schwerpunkte im Abschluss des Markusevangeliums (Verse 15-20) rufen Fragen auf, die sich die Leser am Ende stellen lassen müssen: Wie gelingt es mir, das Evangelium in seiner universalen Ausrichtung weiterzugeben? Nehme ich es als Botschaft für alle Menschen ernst und trage es so weiter? Gelingt es mir die ganze Schöpfung in die Verkündigung des Heils einzubeziehen, indem ich aktiv Wege in den Blick nehme, sie zu bewahren, ihren Frieden herzustellen, das Wohl aller Geschöpfe zu suchen? Achte ich eigentlich darauf, wo mein verkündigendes Wort durch Zeichen bekräftigt wird? Kann ich ein Wort der Verkündigung im Namen Jesu unterscheiden, was ich mir selbst als „Botschaft“ zurechtgelegt habe?

Kunst etc.

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Die Elfenbeintafel, die um 400 n. Chr. in Rom oder Mailand entstand und heute im Bayerischen Nationalmuseum in München (Inv. MA 157) zu sehen ist, zeigt nicht nur die Frauen am Grab und in der Begegnung mit dem Auferstandenen in der unteren Bildhälfte. Rechts oben wird die „Himmelfahrt Jesu“ und das Staunen der Jünger gezeigt. Jesus wird hier von der Hand Gottes in den Himmel emporgezogen oder ihm wird die Hand zum Hochgehen gereicht.