Lesejahr B: 2023/2024

2. Lesung (Jak 2,1-5)

21Meine Brüder und Schwestern, haltet den Glauben an unseren Herrn Jesus Christus, den Herrn der Herrlichkeit, frei von jedem Ansehen der Person!

2Wenn in eure Versammlung ein Mann mit goldenen Ringen und prächtiger Kleidung kommt und zugleich kommt ein Armer in schmutziger Kleidung 3und ihr blickt auf den Mann in der prächtigen Kleidung und sagt: Setz du dich hier auf den guten Platz! und zu dem Armen sagt ihr: Du stell dich oder setz dich dort zu meinen Füßen! - 4macht ihr dann nicht untereinander Unterschiede und seid Richter mit bösen Gedanken?

5Hört, meine geliebten Brüder und Schwestern! Hat nicht Gott die Armen in der Welt zu Reichen im Glauben und Erben des Reiches erwählt, das er denen verheißen hat, die ihn lieben?

Überblick

Es gibt keine besseren und schlechteren Plätze in der Kirche – entscheidend ist nicht das weltliche Ansehen einer Person; es ist egal, ob die Person reich oder arm ist. 

 

1. Verortung 

Der „reiner und makelloser Gottesdienst“ wird im Jakobusbrief nicht kultisch definiert, sondern sozialethisch. Das zwischenmenschliche Verhalten im Angesicht Gottes ist das entscheidende Kriterium: „Ein reiner und makelloser Gottesdienst ist es vor Gott, dem Vater: für Waisen und Witwen in ihrer Not zu sorgen und sich unbefleckt von der Welt zu bewahren.“ (Jakobus 1,27) – entscheidend ist im Endeffekt die Nächstenliebe: „Wenn ihr jedoch das königliche Gesetz gemäß der Schrift erfüllt: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst!, dann handelt ihr recht.“ (Jakobus 2,8). So zu handeln und sich nicht von weltlichen Ansehen blenden zu lassen, bedeutet „sich unbefleckt von der Welt zu bewahren“. Diese theologische Grundlegung führt nicht nur zu ethischen Leitsätzen, sondern zu einem tuenden Christentum: „Wenn ein Bruder oder eine Schwester ohne Kleidung sind und ohne das tägliche Brot und einer von euch zu ihnen sagt: Geht in Frieden, wärmt und sättigt euch!, ihr gebt ihnen aber nicht, was sie zum Leben brauchen - was nützt das?“ (Jakobus 2,15-16).

 

2. Aufbau

Vor dem Hintergrund der Aufforderung und zugleich theologischen Grundlegung, dass Christen nur einen Herrn haben, wird in den Versen 2-4 ein – realistisches – Fallbeispiel entfaltet, das den Lesern und Leserinnen vor Augen führt, dass das weltliche Ansehen innerhalb der Gemeinde Gottes keine Rolle spielen darf. Das Ansehen der gläubigen Armen wird durch die rhetorische Frage in Vers 5 nochmals betont.

Der Autor des Jakobusbriefes bezieht deutlich selbst Stellung in Bezug auf sein aufgeführtes Fallbeispiel, um zu zeigen, dass weltlicher Reichtum und diesseitige Armut kein Kriterium für Christen sein sollten: „Ihr aber habt den Armen entehrt. Sind es nicht die Reichen, die euch unterdrücken und euch vor die Gerichte schleppen? Sind nicht sie es, die den guten Namen lästern, der über euch ausgerufen worden ist?“ (Verse 6-7).

 

3. Erklärung einzelner Verse 

Vers 1: Der christliche Glaube kennt keine Bevorzugung einer Person aufgrund ihres Ansehens – es gibt keine zu unterscheidende Hoheit, außer der Herrlichkeit Jesus Christus. Hier wird zum letzten Mal im Jakobusbrief „Jesus Christus“ erwähnt – und das mit einem christlichen Paukenschlag. Wäre er nicht genannt, könnte dieser Vers eine alttestamentliche Aussage sein, da „Herr der Herrlichkeit“ eine Gottesbeschreibung in der Hebräischen Bibel ist – die nun auf Jesus Christus als Herrn der Christen übertragen wird. Wörtlich steht hier: „unser Herr Jesus Christus der Herrlichkeit“. Die Aussage ist: Die Herrlichkeit Gottes gehört zum Wesen Jesu Christi. Dieser Glaube, der hier nicht als ein „glauben“, sondern als „Glauben haben“ formuliert wird, soll sich in der Gemeinschaft der Glaubenden zeigen, d.h. als Besitz sichtbar sein. Der weltliche, gesellschaftliche, zwischenmenschliche Status von Mensche zählt vor Gott nicht – und soll daher auch in der Gemeinde keine Bedeutung haben. Das wird anhand eines Beispiels in den Versen 2-4 erklärt.

Vers 2: Dies ist der einzige Vers im Neuen Testament, in dem die - vermutlich gottesdienstliche - Versammlung der Christen mit dem heute nur noch jüdisch geprägten Begriff griechischen Wort συναγωγή / Synagoge bezeichnet wird, der sowohl mit Versammlung als auch Versammlungsort übersetzt werden kann. 

Verse 2-4: In den Versen wird nicht erklärt, ob es sich bei dem Reichen und dem Armen, um Christen oder Nicht-Christen handelt, wie sie zu der Versammlung in Beziehung stehen und warum sie kommen. Es geht allein um den Unterschied zwischen „arm“ und „reich“.  Der Reichtum des kommenden Mannes wird durch seinen Besitz, bzw. Kleidung und Schmuck angezeigt – der Goldring ist entweder ein Zeichen von Prunksucht oder zeigt den gehobenen, römischen Stand eines Ritters an. Der Arme ist im Kontrast nicht nur einfach bedürftig, sondern, wie das gewählte griechische Wort πτωχός (gesprochen: ptochos) anzeigt, „bettelarm“. Im Fokus dieses Fallbeispiels seht das Verhalten der Leser und Leserinnen, denn es geht um „eure Versammlung“. Nun erklingt der Vorwurf, dass in diesem Falle sich der der Unterschied zwischen dem Reichen und dem Bettelarmen auch innerhalb der Versammlung zeigen würde: Der Reiche bekommt einen guten Sitz zugewiesen und ist damit erhöht, über dem Armen, dem von einem Gemeindemitglied ein Platz auf dem Boden, zu den Füßen der anderen Gemeindemitglieder zugewiesen wird: „Du, stell dich hier hin oder setze dich unter meine Fußbank.“ Der Vorwurf gegen ein solches Verhalten ist fundamental: Faktisch kommt so eine Unterscheidung einer Aburteilung gleich. Gemäß dem Jakobusbrief steht es Gott, bzw. Jesus alleine zu Richter zu sein (siehe Jakobus 4,12 und 5,9). Für das Verständnis von Vers 4 ist der erste Teil entscheidend – wörtlich: „Habt ihr dann nicht bei euch (selbst) diskriminierend geurteilt…?“. Eine solche Unterscheidung ist ein Urteil gegen die Gemeinschaft.

Vers 5: Dass Gott die Armen in der Welt erwählt hat, um Reiche im Glauben zu sein, ist eine theologische Linie, die sich durch die gesamte Bibel zieht. Entscheidend ist hierbei nicht nur die Armut, sondern die Zuwendung zu Gott – ein Armer, der in seiner Not zu Gott ruft, wird erhört werden (siehe unter „Kontext“). Ein armer und bedürftiger Mensch hat in seiner Not nur noch den Glauben an Gott – aber das ist vor Gott sein Reichtum. So gesehen fließen die Begriffe Armut und Frömmigkeit ineinander und bedeuten: das Vertrauen ganz auf Gott richten. Als „Erben des Reiches“ gehören die gläubigen Armen zur „Besitzgemeinschaft“ Gottes – dies ist ein bereits jetzt geltender Status; Gott hat dies durch seine Erwählung und Verheißung so festgelegt. In diese Gemeinschaft gehören auch diejenigen, die nicht „bettelarm“ sind, sondern ‚nur‘ fromm – und das heißt, diejenigen, die Gott lieben und aufgrund dieser Liebe keine Standesunterschiede in der Versammlung, in der Gemeinschaft und vor Gott festlegen.

Auslegung

Außer Jesus Christus, dem Herrn der Herrlichkeit, gibt es in der christlichen Gemeinschaft keinen Platz für andere Herren. Das menschliche Ansehen hat vor Gott selbst keinen Bestand und dies bedeutet, dass in der Gemeinschaft der Christen soziale Unterschiede zwar faktisch bestehen, aber sie zu keiner Unterscheidung der Wertigkeit von Menschen führen darf. Die entscheidenden Kriterien für Gott und somit auch für die Gemeinschaft der Gläubigen sind: das Vertrauen auf Gott und die Liebe zu ihm. Wenn die Christen dennoch aufgrund des Ansehens einer Person, zum Beispiel einen reichen Menschen bevorzugt behandeln gegenüber einem bedürftigen Mitmenschen, dann begehen sie ein doppeltes Fehlurteil. Sie treten als Richter auf, obwohl nur Gott dies zusteht – und sie zeigen, dass sie das Gottesbild der gesamten Bibel deutlich missverstanden haben. Gott ist nicht ein parteiischer Richter. Er steht weder allein auf der Seite der Armen oder der Reichen – aber er nimmt sich denen besonders an, die nicht anderes mehr haben als Gottvertrauen und Gottesliebe.

Kunst etc.

Das Metropolitan Museum of Art hat in seiner Sammlung einen goldenen Ring aus der späten, römischen Kaiserzeit (wahrscheinlich aus dem 3. Jahrhundert). Zum einen kann dieser Ring den in Vers 2 genannt Goldring der reichen Person visualisieren. Zugleich regt das Motiv in Verbindung mit dem Lesungstext zum Nachdenken an. Vermutlich deuten die beiden ineinandergreifenden Hände auf eine Vermählung hin. Ein Handschlag bedeutet zugleich, dass man sich auf Augenhöhe trifft und/oder miteinander etwas vereinbart – der Jakobusbrief verlangt von den christlichen Gemeinden nicht weniger, als dass Arm und Reich sich die Hand geben und gleichberechtig sind.

Metropolitan Museum of Art, Accession Number: 2016.239. Lizenz: gemeinfrei.
Metropolitan Museum of Art, Accession Number: 2016.239. Lizenz: gemeinfrei.