Mit dem Blick in die Zukunft Erinnerung gestalten
1. Verortung im Evangelium
Der Evangelist Markus, der als erster ein Evangelium, also eine frohe Botschaft über Jesus von Nazareth, den Christus, schreibt, fand bei der Abfassung seines Evangeliums bereits eine „Passionserzählung“ vor. Diese bestand im Kern aus der Kreuzigungsszene und vermutlich der Grablegung durch Josef von Arimathäa, dem Verhör vor Pilatus, der Geißelung und Verspottung und der Kreuzesinschrift. Darüber hinaus gab es weitere Erzähltraditionen, wie z.B. den Bericht vom letzten Abendmahl oder der Salbung in Betanien. Sie wurden Stück für Stück zur Kernerzählung zur hinzugefügt worden waren. Der Evangelist Markus greift auf diese verschiedenen Überlieferungen zurück und nimmt sie in seine Jesuserzählung auf, um den gewaltsamen Tod Jesu von Nazareth theologisch zu deuten und mit der Erfahrung der Auferstehung zu verbinden.
Der Abschnitt aus dem Evangelium stammt aus dem Beginn der „unmittelbaren“ Passionsereignisse. Mit dem 14. Kapitel des Markusevangeliums (Mk) und dem Todesbeschluss der jüdischen Autoritäten spitzt sich die Situation so zu, dass alles gradlinig auf das Kreuz und den Tod Jesu zuläuft. Das Mahl Jesu mit seinen Jüngern ist der letzte Moment der Gemeinschaft, bevor diese über den Ereignissen zerbricht und die Ankündigungen Jesu von Verrat und Verleugnung wahr werden.
2. Aufbau
Der Evangeliumstext besteht aus zwei eigenständigen Erzählungen. In den Versen 12-16 wird die Feier des Paschamahls, das zum „letzten Abendmahl“ wird, vorbereitet. Der Fokus liegt hier auf dem Wissen Jesu über das, was den Jüngern bei der Vorbereitung wiederfährt. Die Verse 22-26 zielen auf die Zeichenhandlungen Jesu während des Mahl und die damit verbundene Lebenshingabe.
3. Erklärung einzelner Verse
Verse 12-16: Der Evangelist Markus schildert die notwendigen Schritte zur Vorbereitung des gemeinsamen Mahles parallel zu den Vorbereitungen des Einzugs in Jerusalem (Mk 11,1-6). Dort wie hier steht im Zentrum das hoheitliche Vorauswissen Jesu, um das, was sich ereignet. Es ist Zeichen seiner besonderen Vollmacht, von der seit Mk 1,22 die Rede ist, dass er aus der Perspektive Gottes auf die anstehenden Ereignisse schaut. Die Szene möchte nicht die „hellseherischen“ Fähigkeiten Jesu betonen. Vielmehr geht es darum zu zeigen, dass mit dem Folgenden (Leiden und Auferstehung) nichts geschieht, ohne dass es mit dem Heilsplan Gottes verbunden ist. Ähnlich wie in der Szene der Ankündigung des Einzugs in Jerusalem sind nicht die einzelnen Schritte des Vorauswissens wichtig und historisch. In beiden anbahnenden Erzählungen (Einzug in Jerusalem und Paschamahl) werden aus der nachösterlichen Perspektive Begebenheiten aus den letzten Tagen Jesu eingeordnet. Durch das Osterereignis verstehen die Jünger Jesu, dass die Abfolge von jubelumfluteten Einzug, Verleugnung und Tod zusammengehören mit der Auferstehung und der Ermöglichung neuen Lebens, die damit verbunden ist. Das letzte gemeinsame Mahl ist ein wichtiger Bestandteil dieser Gesamterzählung von Tod und Leben. Entsprechend schildern sie dessen Entstehung als Ereignisse, die durch die Vollmacht und das Vorauswissen Jesu entstanden und Teil der umfassenden Lebenshingabe Jesu sind.
Interessant ist hierbei, dass die Handlungsinitiative von den Jüngern selbst ausgeht. Sie gehen auf Jesus zu und fragen, wo sie das Mahl bereiten sollen. In der Regel ist Jesus derjenige, von dem wesentliche Ereignisse ausgehen oder durch den ein Geschehen angebahnt wird. Einzig bei der Speisung der 5000 gibt es ein ähnliches Aktivwerden der Jünger (Mk 6,35-37), allerding besteht die Initiative der Jünger dort in der Aufforderung an Jesus, er möge die Hungrigen wegschicken.
Verse 22-25: Die eigentliche Mahlszene beginnt bereits in Vers 17. In den ausgelassenen Versen 17-21 wird das Zusammenkommen zu Tisch und die Ankündigung des Verrats durch Judas erzählt. Innerhalb des Mahl verbindet Jesus seinen bevorstehenden Tod mit zwei Zeichenhandlungen. Brot und Wein, weisen über sich hinaus, sie sind als Leib und Blut Zeichen seiner Lebenshingabe. Indem er die Jünger auffordert, diese „zu nehmen“ und sie dieser Aufforderung nachkommen, stimmen sie dieser Hingabe seines Lebens zu. Die Rede vom „Blut des Bundes“ erinnert an Exodus 24,8 und die feierliche Besiegelung des Sinai-Bundes. Jesus als Gottessohn schließt hier einen neuen, universalen Bund. Die Formulierung „für die Vielen“ nimmt das Bild des Gottesknechts aus dem Buch Jesaja auf, der sein Leben hingab, sich unter die Abtrünnigen rechnen ließ und die Sünden „der Vielen“ aufhob (Jesaja 53,12). Der eschatologische Ausblick zum Abschluss der Mahlszene ist einer Ermutigung und Bestätigung, dass sich trotz der kommenden Ereignisse das Reich Gottes Bahn brechen wird.
Vers 26: Der Vers schafft eine Überleitung zwischen der Mahlszene und den Ereignissen im Garten Getsemani bzw. am Ölberg. Auf dem Weg vom einen zum anderen (Verse 27-31) wird Jesus den Jüngern ihre Zerstreuung ankündigen und darauf verweisen, dass die, die eben noch mit ihm Mahl hielten, bald an ihm Anstoß nehmen werden. Durch den „Lobgesang“ (als Abschluss der Paschafeier) ist die Szene mit dem Mahl verknüpft.