Lesejahr B: 2023/2024

2. Lesung (Offb 1,5b-8)

5... [Jesus Christus] ... ist der treue Zeuge, der Erstgeborene der Toten, der Herrscher über die Könige der Erde. Ihm, der uns liebt und uns von unseren Sünden erlöst hat durch sein Blut,

6der uns zu einem Königreich gemacht hat und zu Priestern vor Gott, seinem Vater: Ihm sei die Herrlichkeit und die Macht in alle Ewigkeit. Amen.

7Siehe, er kommt mit den Wolken und jedes Auge wird ihn sehen, auch alle, die ihn durchbohrt haben; und alle Völker der Erde werden seinetwegen jammern und klagen. Ja, Amen.

8Ich bin das Alpha und das Omega, spricht Gott, der Herr, der ist und der war und der kommt, der Herrscher über die ganze Schöpfung.

Überblick

Was für ein "König", der als "Herrscher über die Könige" die Menschen zu einem "Königreich" vor Gott macht - zu Menschen mit Würde, Freiheit und Selbststand, die sich der Nähe Gottes gewiss sein dürfen. Das ist die Botschaft der Zweiten Lesung an diesem Christkönigssonntag.

 

Einordnung in den Kontext und Aufbau

Der Lesungsabschnitt gehört zur Eröffnung der Offenbarung des Johannes und umfasst trotz seiner Kürze mehrere sehr unterschiedliche Unterabschnitte. Deren Sinn wird erst wirklich erkennbar, wenn man die fortgelassenen vorangehenden Verse mit berücksichtigt. Denn sie lassen die komplizierte Konstruktion erkennen, die hinter dem Buch steht: Inhaltlich geht es um eine Offenbarung Gottes, die über drei Mittlerstufen an "die sieben Gemeinden in der Provinz Asien" (Vers 4) weitergegeben wird. Die in ihnen lebenden Gläubigen (Gottes "Knechte" [Vers 1]) sollen erfahren, "was bald geschehen muss" - so die rätselhafte Ankündigung in Vers 1. Die drei Mittler zwischen Gott und den Gemeinden sind in absteigender Rangfolge 1. Jesus Christus , 2. Gottes Engel, 3. Gottes Knecht: Johannes. 

Dieser Johannes dürfte eine Art Wanderprediger bzw. eine prophetische Führungsgestalt in den später (Vers 11) ausdrücklich genannten sieben Gemeinden Ephesus,  Smyrna, Pergamon, Thyatira, Sardes, Philadelphia und Laodizea gewesen sein, die sich wie eine Perlenkette entlang der türkischen Westküste aneinanderreihen und an einer wichtigen römischen Handelsstraße (Via Egnatiana) lagen. Mit ihrer Symbolzahl 7 (Zahl der Vollkommenheit) stehen sie vermutlich repräsentativ für die ganze Kirche der Provinz Asia (heute: vordere Türkei) oder für die gesamte christliche Kriche der damaligen Zeit. Aus nicht sicher zu benennenden Gründen (Flucht vor Verfolgung? Auseinandersetzung mit Menschen aus den Gemeinden? am wenigsten wahrscheinlich: Verbannung, da diese Strafe nur über hochrangigen Römer verhängt wurde) lebt Johannes auf der den Gemeinden gegenüberliegenden Mittelmeerinsel Patmos und teilt die empfangenen Offenbarungen in einem Brief mit. Seine Absicht ist die Stärkung zu einem kompromisslosen und entschiedenen Glauben in Verfolgungszeiten (am Ende des 1. Jh. unter Domitian oder, sogar wahrscheinlicher, am Beginn des 2. Jh. zur Zeit der Kaiser Trajan oder Hadrian). Ermutigung und Trost vom durch die Passion gegangenen und auferweckten Christus her ist das eigentliche Thema der Schrift.

Als Brief folgt die Gesamtschrift von der Form her einem Muster, von dem allerdings nur die Eröffnung (Vers 4: "Johannes an die sieben Gemeinden in der Provinz Asien: Gnade sei mit euch und Friede ...") und der Schluss (Offenbarung 22,21: "Die Gnade des Herrn Jesus sei mit allen!") ausgeführt werden. M. a. W. das Briefformat ist nur sehr äußerlich über das Gesamtschreiben gelegt. Unter Anknüpfung an eine Kommunikationsform, die man von den Paulusbriefen her kannte und die damit eine akzeptierte Verkündigungsform war, bietet die Offenbarung des Johannes die Mitteilung von Visionen bzw. Weissagungen (Prophezeiungen), die er auf Gott selbst zurückführt.

Die heutige Lesung nun spricht vor allem von dem ersten "Vermittler" zwischen Gott als eigentlichem Offenbarer und JohanneDieses: Jesus Christus. Dazu wird die klassische Brieferöffnung "Gnade sei mit euch und Friede ..." (Vers 4) weitergeführt, nämlich:

"4 ... Friede von Ihm, der ist und der war und der kommt [= Gott selbst], und von den sieben Geistern vor seinem Thron1 , 5 und von Jesus Christus ...".

Genau an dieser Stelle, nämlich bei der Namensnennung Jesu, setzt die Lesung ein. Was in der Lesung wie ein selbstständiger Christushymnus klingt, ist also Teil des brieferöffnenden Friedensgrußes und soll erklären, inwiefern denn dieser Jesus überhaupt ein "geeigneter" Vermittler der göttlichen Botschaft ( an den Engel und über den Engel an Johannes und über Johannes an die Gemeinden) ist.

Dazu erfolgt in Vers 5-6a eine erste Dreierliste mit "Titeln" ("treuer Zeuge", "Erstgeborener der Toten", "Herrscher über Könige") und eine zweite Dreierliste, die Jesu Wirken an denen, die ihm glauben, beschreibt ("liebt", "erlöst", "gemacht hat zu ...").

Durch die Vers 6a abschließende Formel "vor Gott, seinem Vater" erhält der anschließende Lobpreis (Doxologie, Vers 6b) eine doppelte Bezugsmöglichkeit: Gott selbst, der zuletzt genannt wurde und der eigentliche Offenbarer ist (dieser Bezug ist eindeutig auch in Offenbarung 7,12 erkennbar; s. unter "Kontext");  oder Jesus Christus, dem das Lied der Verse 5-6a gilt. Vielleicht ist diese Doppeldeutigkeit bewusst gewollt, denn in Offenbarung 5,13 heißt es: "Ihm, der auf dem Thron sitzt [= Gott], und dem Lamm [= Jesus Christus] gebühren Lob und Ehre und Herrlichkeit und Kraft in alle Ewigkeit."

Vers 7 bringt eine erste Weissagung des Sehers Johannes, zu der er sich durch Christus selbst ermächtigt sieht (dies besagen die ausgelassenen Verse 1-2; die anschließende Seligpreisung derer, die die Niederschrift des Johannes vorlesen und derer, die sie hören und entsprechend handeln [Vers 3], bekräftigt den göttlichen Rang der Worte). 

Der ganze Absatz endet in Vers 8 mit einer Selbstaussage Gottes.

 

Verse 5-6a

Der entscheidende Mittler zwischen dem für den (irdischen) Menschen letztlich unzugänglichen Gott und Johannes bzw. den Menschen, die seine Botschaft vernehmen, ist Jesus Christus. Drei Titel werden ihm zugesprochen:

  • Er ist "der treue Zeuge", weil er seine Sendung von Gott her durchgehalten und mit dem eigenen Tod bezeugt hat. Auf den gewaltsamen Kreuzestod spielt das Stichwort "Blut" am Ende von Vers 6 ausdrücklich an. Kann man sich einen glaubwürdigeren Vermittler zwischen Gott und den Menschen vorstellen als den, der sein Leben für diesen Gott hingegeben hat? Der Begriff "treuer Zeuge" ist im Übrigen entlehnt aus  Jeremia 42,5: "Sie selbst versicherten Jeremia: Der HERR sei ein wahrer und treuer Zeuge gegen uns, wenn wir nicht genau nach jedem Wort handeln, mit dem dich der HERR, dein Gott, zu uns sendet." Johannes überträgt ihn auf Christus.
  • Dieser ist aber nicht nur ein "Märtyrer" (im Sinne eines "Blutzeugen"), sondern der erste, den Gott aus dem Tode erweckt hat ("der Erstgeborene der Toten"). Auch dies beglaubigt ihn als den Offenbarer des Vaters.
  • Dasselbe gilt für seine Erhöhung zu Gott durch die Auferweckung und die Einsetzung zum eigentlichen Weltenherrscher ("Herrscher über die Könige"), dem jede denkbare Macht untergeordnet ist. 

Diesen drei Aussagen werden drei Wirkweisen zugeordnet:

  • Der Tod Jesu ist motiviert durch die Liebe zu den Seinen.
  • Zugleich dient er dazu, dass es nicht bei dem "Erstgeborenen der Toten" bleibt, sondern alle, die an ihn glauben, zur Auferweckung gelangen und in diesem Sinne zu "Nachgeborenen" des Erstgeborenen werden. Was daran hindern könnte, die Gottentfremdung ("Sünde"), hat Jesus durch sein Tun als Hindernis beseitigt ("Erlösung").
  • Auch die "Weltenherrschaft" ist nicht ein Exklusivrecht Jesu, sondern sie eröffnet allen Glaubenden Anteil an der "Königsherrschaft" Gottes. Jesus setzt seine "Position" beim Vater dafür ein, möglichst Viele in den Wirkkreis Gottes hineinzuholen. Die wirkliche Anteilhabe an der Herrschaft gilt erst nach der Auferweckung. Aber schon im Hier und Jetzt gibt das Wissen um die Zugehörigkeit zur "Königsherrschaft" Gottes jeder und jedem Einzelnen eine königliche Würde, die sich mit Freiheit, Selbststand und einem Gehen mit erhobenem Haupt (nicht zu verwechseln mit Hochnäsigkeit) verbindet ("der uns zu einem Königreich gemacht hat"). In diese Vorstellung ordnet sich auch der "Priester"-Begriff ein, der nicht als bestimmtes Amt, sondern metaphorisch (in einem übertragenen Sinn) gemeint ist und für besondere Nähe (zu Gott) steht.

 

Vers 6b

Der Lobpreis, der in verschieden ausführlichen Varianten die ganze Offenbarung durchzieht, weist mit seinem Schlusswort "Amen" auf einen liturgischen, also gottesdienstlichen Zusammenhang hin. Dieser ist doppelt einzuordnen: Als ursprünglichen Ort des Christusliedes (Verse 5-6a) nimmt man die Tauffeier an, in welcher der Täufling in das Heilsgeschehen der Liebe Christi, seines Todes und seiner Auferweckung einschließlich Erhöhung zum Vater mit hneingenommen wird. Das genau bedeutet ja das Taufsakrament. 

Bedenkt man zum anderen, dass Johannes die Offenbarung in ein Briefformat kleidet, wenn auch nur sehr äußerlich (s. o.), so liegt nahe, dass dieser "Brief" ebenfalls im Rahmen eines Gottesdienstes gelesen werden soll. Darauf spielt bereits der der Lesung vorangehende Vers 3 an: "Selig, wer die Worte der Prophetie vorliest, und jene, die sie hören und das halten, was in ihr geschrieben."

 

Vers 7

Dieser Vers zielt auf den am Ende der Zeiten wiederkommenden Christus. Der Schreiber weiß, dass es bis dahin noch die gegenwärtige, bedrängende Zeit der Römerherrschaft und vielleicht noch manch andere schlimme Zeit zu bestehen gilt. Zur näheren Berechnung der Dauer taugen seine Offenbarungen nicht. Sie wollen vielmehr vermitteln, dass - egal, was an Schlimmem noch kommt - von Gott her der heilvolle Ausgang schon entschieden ist. Es ist dieser Ausgang, den Johannes "vorab" sehen darf, um auf diese Weise die Seinen zu ermutigen und zu stärken. Aber diesem "im Himmel" schon feststehenden Ende der Zeiten geht in der Sicht der Offenbarung (Apokalypse) noch eine gerichtliche Konfrontation voraus: Der Menschheit wird noch einmal vor Augen gestellt, was sie mit der Kreuzigung des Unschuldigen ("Lamm" ist das dafür gewählte Bildmotiv in der Offenbarung) angerichtet haben. Die Unsinnigkeit ihrer Tat wird ihnen schmerzhaft bewusst werden. Auch wenn hier ein Szenario für eine ferne Zukunft entworfen wird, geht es am Ende wohl weniger um diese ferne Zukunft, über die niemand etwas Sicheres weiß, als darum, das Ungeheuerliche der Tötung des Gottessohnes aktuell vor Augen zu stellen: der Leserschaft damals, zur Zeit des Johannes, wie auch zu jeder Zeit, da der Text vorgelesen wird. Die Motive zur Beschreibung des Schreckens stammen aus Sacharja 12,10: "Und sie werden auf mich blicken, auf ihn, den sie durchbohrt haben. Sie werden um ihn klagen, wie bei der Klage um den Einzigen; sie werden bitter um ihn weinen, wie man um den Erstgeborenen weint.

Der furchtbaren Tat aber, in der letztlich alle grausam-unisnnigen Taten dieser Welt zusammenfallen, steht gegenüber, dass der Getötete - Christus - sich durch den Tod hindurch als der Stärkere erwiesen hat. Er wird "das letzte Wort haben". Dazu spielt Vers 7 auf  Daniel 7,13-14 an, die Erwartung eines von Gott herkommenden endzeitlichen Weltenrichters, von dem es heißt: "Da kam mit den Wolken des Himmels einer wie ein Menschensohn. Er gelangte bis zu dem Hochbetagten und wurde vor ihn geführt. 14 Ihm wurden Herrschaft, Würde und Königtum gegeben. Alle Völker, Nationen und Sprachen dienten ihm. Seine Herrschaft ist eine ewige,  unvergängliche Herrschaft. Sein Reich geht niemals unter." Gezielt werden also dem Schreckensszenario die Überwindung des ihm zugefügten Todes vorangestellt und die Einsetzung in eine unüberwindliche Machtposition, die am Ende der Zeiten allen in dieser Welt scheinbar Mächtigen hellleuchtend und schmerzerregend zugleich vor Augen stehen wird.

 

Vers 8

Der Schluss erklärt sich aus der für die Lesung ausgelassenen Einleitung der Offenbarung. Denn ohne sie fragt man sich beim Hören der Lesung: Warum spricht auf einmal Gott selbst? Doch die ersten Worte der Apokalypse des Johannes lauten: "Offenbarung Jesu Christi, die Gott ihm gegeben hat, ..." (Vers 1).

Und genau dieser Gott meldet sich in allem zu Wort, was Johannes - vermittelt durch Jesus Christus (und den Engel) - vernimmt. Er, Gott, ist der über den Zeiten Stehende. Als Schöpfer gibt es rückwärts gedacht keinen vorstellbaren Augenblick, der nicht von seiner Gegenwart erfüllt ist. Und als der, der der die Menschen aus dem Tode erweckt, wartet er im himmlischen Jerusalem auf die, die "durch die Tore in die Stadt eintreten" (Offenbarung 22,14). Damit gibt es auch auf alle zukünftige Ewigkeit hin keinen denkbaren Zeitpunkt, der nicht von Gottes Gegenwart erfüllt ist. In beidem zusammen ist aber auch jede Gegenwart eingeschlossen. Genau dies wird in der Symbolik der Alphabetsprache ausgedrückt: Alpha und Omega sind der erste und letzte Buchstabe des griechischen Alphabets. Sie bezeichnen Anfang und Ende, schließen aber auch alle dazwischenliegenden Buchstaben ein. Im Deutschen würde man sagen: von A bis Z.

1

Auslegung

"zu Priestern vor Gott" (Vers 6)

Noch vier weitere Male ergeht der Zuspruch des Priestertums an Menschen, die mit Sicherheit keine Priester im Sinne einer mit kultischen Aufgabe betrauten Person sind:

Ex 19,6: "... ihr aber sollt mir als ein Königreich von Priestern und als ein heiliges Volk gehören." (angesprochen ist an dieser Stelle das gesamte Volk Israel, das in der Wüste am Sinai versammelt ist).

Jes 61,5-6: "5 Fremde stehen bereit und weiden eure Herden, Ausländer sind eure Bauern und Winzer. 6 Ihr aber werdet Priester des HERRN genannt,  Diener unseres Gottes sagt man zu euch." (Wieder ist die Gesamtheit des nachexilischen Israel angesprochen.)

1 Petrus 2,5: "Lasst euch als lebendige Steine zu einem geistigen Haus aufbauen, zu einer heiligen Priesterschaft, um durch Jesus Christus geistige Opfer darzubringen, die Gott gefallen!"

Offenbarung 5,10: "... und du hast sie für unsern Gott  zu einem Königreich und zu Priestern gemacht;  und sie werden auf der Erde herrschen."

Es erstaunt nicht, das in einer Kirche, die geprägt ist von Priestern, diese Sätze bezogen wurden auf ein vom Priesteramt abgesetztes, allgemeines Priestertum. Besonders Luther und im Gefolge die evangelische Kirche haben daraus die Ablehnung des Weihepriestertums abgeleitet. Bei einer genauen Betrachtung der biblischen Texte wird man feststellen müssen, dass in ihnen eine vergleichbare Diskussion überhaupt nicht geführt wird. Israel (das Alte Testament)  kann vom "Priestertum" aller zum Gottesvolk Gehörenden sprechen, ohne damit das Kultpriestertum abzuschaffen oder eine Konkurrenz herbeizuführen. Das Neue Testament hingegen kennt den Priester im katholischen Sinn überhaupt noch nicht. Kein einziges Mal taucht ein eigenständiger Begriff zur Kennzeichnung dessen auf, der dem Gottesdienst vorsteht. Es ist kein Zufall, dass die entsprechenden drei neutestamentlichen Texte, die vom Priestertum der zu Christus Gehörigen sprechen (1 Petrus 2,5; Offenbarung 1,6; 5,10), dies unter "Ausleihe" der alttestamentlichen Vorgaben tun. 

Hilfreich für das Verständnis ist besonders der Blick auf Jesaja 61, denn hier stehen den "Priestern" die "Fremden" gegenüber. Damit wird deutlich: Es gibt eine Verwendung des Priesterbegriffs, der den des Tempelpriesters bei weitem überschreitet und metaphorisch für die Nähe zu Gott steht. Sie wird von Gott her zu gesprochen: im Alten Testament durch Bundesworte (Exodus 19) oder Verheißungen (Jesaja 61), im Neuen Testament letztlich durch die Taufe. Über die Aufgabenverteilung, wer am Altar stehen darf und wer nicht, sagen diese Texte nichts. Wohl aber sagen sie aufgrund ihrer Grundsätzlichkeit etwas darüber, dass der Priesterbegriff gänzlich ungeeignet ist, Diskussionen über Wesens- und Rangunterschiede zu führen. Im Sinne der biblischen Texte gibt es nur Nähe oder Fremdheit, Gottverbundenheit und Gott-Nichtverbundenheit. Diese Trennlinie wird aber nicht durch die Weihe umschrieben, sondern zieht sich durch die Gesamtschar der Glaubenden, Klerus wie Nicht-Klerus, Gottesvolk wie die sie Leitenden. Denn die Nähe oder Nicht-Nähe erweist sich im Tun dessen, was Gott gefällt (s. 1 Petrus 2,5). Auf beiden Seiten gibt es die Verfehlung des Priestertums, zu dem alle gerufen sind, und auf beiden Seiten gibt es die nachahmenswerten Beispiele.

 

"die ihn durchbohrt haben" (Vers 7)

Schon das Johannesevangelium hat das düstere Prophetenwort aus Sacharja 12,10 (s. Überblick) auf den gekreuzigten Jesus und den als Todesprobe angesetzten Lanzenstoß bezogen (Johannes 19,37: "Und ein anderes Schriftwort sagt: Sie werden auf den blicken, den sie durchbohrt haben."). Für die Offenbarung ist das Motiv der Seitenwunde wichtig, weil es die Glaubensaussage "er hat uns erlöst durch sein Blut" ansichtig macht (aus der Seitenwunde tritt Blut aus). Bildlich taucht es in veränderter Form viele Male in der Offenbarung aus, wenn vom "Lamm" die Rede ist, das "aussieht wie geschlachtet" (erstmals in Offenbarung 5,6). Dies ist eine Anspielung auf die im jüdischen Bereich gängige Praxis des Schächtens, also eines Messerstiches in die Halsschlagader, um ein Tier ausbluten zu lassen. Dieses "wie geschlachtet" aussehende "Lamm" ist das Christussymbol schlechthin im Buch der Offenbarung. Als "inthronisiertes" Tier, das an die geschlachteten Lämmer beim Auszug Israels aus Ägypten erinnert, deren Blut zur Abwehr tödlicher Bedrohung an die Zeltstangen gestrichen wurde, vereint es Kreuzestod und Auferweckung zur "Herrlichkeit" (Offenbarung 5,13). Diese rein in Symbolen sich bewegende Sprache, die die konkreten Begriffe "Kreuz", "Grab" und "Auferweckung" vermeidet, ist typisch für die sogenannte Apokalyptik (eine eigene Theologie in Zeiten schlimmster Unterdrückung), der die Offenbarung ebenso zugehört wie im Alten Testament das Buch Daniel. Sie bietet Schutz nach außen (Fremde bzw. Feinde verstehen sie nicht), lässt aber den "Wissenden" ganze Bildwelten vor dem inneren Auge aufleuchten und berührt damit auch emotional. So kann sie auch besonders motivierend wirken, die Gemeinde der Glaubenden nicht zu verlassen. 

Kunst etc.

Alpha und Omega, CC BY4.0, Markus Mayer (2014)
Alpha und Omega, CC BY4.0, Markus Mayer (2014)

Alpha und Omega sind der erste und letzte Buchstabe des griechischen Alphabets. Sie bezeichnen Anfang und Ende, schließen aber auch alle dazwischenliegenden Buchstaben ein. Diese Symbolik wurde christlich gedeutet als Verweis auf den Uranfang, der Gott selbst ist, wie auch auf das erwartete "Ende", das kein Ende, sondern "herrliche Ewigkeit" oder "ewige Herrlichkeit" ist, die wiederum Gott selbst meint, der den Menschen erwartet.