Lesejahr B: 2023/2024

1. Lesung (2 Kön 4,42-44)

42Einmal kam ein Mann von Baal-Schalischa und brachte dem Gottesmann Brot von Erstlingsfrüchten, zwanzig Gerstenbrote und frische Körner in einem Beutel. Elischa sagte:

Gib es den Leuten zu essen!

43Doch sein Diener sagte:

Wie soll ich das hundert Männern vorsetzen?

Elischa aber sagte:

Gib es den Leuten zu essen! Denn so spricht der HERR:

Man wird essen und noch übrig lassen.

44Nun setzte er es ihnen vor; und sie aßen und ließen noch übrig, wie der HERR gesagt hatte.

Überblick

Wie durch 20 Brote und ein paar Körner sich ein Gotteswort erfüllte und Glauben schenkt. 


1. Verortung im Buch

Er mehrt Öl aus Nichts, er erweckt Tote, er verwandelt für seine Jünger Gift in Essen und speist 100 Menschen mit nur 20 Broten und frischen Getreidekörnern – so wirkte der Prophet Elischa, der Schüler und Nachfolger des Propheten Elija. Aus heutiger Sicht wirken die vier Wundererzählungen in 2 Könige 4 wie eine Vorlage für die Erzählungen über die Wundertaten Jesu. Und ebenso wie er, überbrachte Elischa nicht nur das Wort Gottes, sondern in seinem Handeln war er das Wort Gottes bei den Menschen. 

Die Dramatik des in 2 Könige 4,42-44 erzählten Speisungswunder wird noch deutlicher, wenn man bedenkt, dass gemäß Vers 38 „damals im Land eine Hungersnot herrschte“. 

 

2. Aufbau

Zweimal fordert der Prophet seinen Diener auf, die vom Mann aus Baal-Schalischa mitgebrachte Nahrung zu verteilen: „Gib es den Leuten zu essen!“ (Verse 42 und 43). Darin zeigt sich, dass es in der kurzen Erzählung nicht nur um ein Speisungswunder geht, sondern auch um Glauben. Der Diener zweifelt, doch am Ende steht anstatt der von ihm gesehenen Knappheit der Überfluß.

 

3. Erklärung einzelner Verse

Vers 42: Der Ort Baal-Schalischa liegt ca. 22 km nördlich von Lod. Der Mann aus diesem Ort, bringt dem Propheten Brot, das er aus der ersten Ernte des Jahres gebacken hat, und dazu noch frisch geerntete Getreidekörner. Das Buch Levitikus schreibt den Israeliten vor, dass vom ersten Getreide, das im Jahr wächst – d.i. die Gerste – ein Teil Gott als Opfer dargebracht werden muss (siehe Levitikus 23,10; siehe dazu unter „Kontext“). Der Mann wird also als sehr großzügig dargestellt – inmitten einer Hungersnot bringt er dem Propheten eine großzügige Gabe, die dieser direkt verteilen lassen will.

Vers 43: Ob mit den 100 Männern, bzw. Leuten Prophetenjünger (siehe Vers 38) oder eine Menschenansammlung um den wundertätigen Propheten gemeint ist, lässt sich nicht erschließen. Das Gotteswort, das Elischa anführt, ist in der Auslegung sehr offen (siehe „Auslegung“), wörtlich lautet es: „essen und übriglassen“.

Vers 44: Im Vordergrund steht, dass alle essen und von dem Wenigen, sogar noch etwas übrigblieb. Das Wort Gottes hat sich erfüllt.

Auslegung

In einer Zeit der Hungersnot brachte jemand zwanzig Brote, die er aus den Erstlingsfrüchten der Ernte gebacken hatte, und einen Sack Körner zum Propheten Elischa. Gemäß dem im Buch Deuteronomium niedergeschriebenen Gesetz sollte ein Teil der Erstlingsfrüchte am Jerusalemer Tempel Gott dargebracht werden (Deuteronomium 26,1-11). Diese Darbringung eines Teils der Ernte war Ausdruck des Dankes an Gott. Der Mann bringt nun einen Teil der Erstlingsfrüchte, den er zu Brot verarbeitet hatte,  zum Propheten, der hier als Gottesmann bezeichnet wird. In der damaligen Zeit war Nahrung für Propheten eine Art der Bezahlung für ihre Dienste (1 Könige 14,3) – aber in der vorliegenden Erzählung wird der Grund des Geschenks nicht benannt. 

Es geht um etwas anderes. Entscheidend ist die zweifache Aufforderung Elischas an seinen Diener: „Gib es der Volksmenge, damit sie essen!“ Im Hebräischen steht der Ausdruck עם (gesprochen: am), der sowohl das gesamte Volk als auch eine umstehende Volksmenge bezeichnen kann. Der Diener bezieht es vermutlich auf die um den Propheten versammelten Menschen: Die zwanzig Brote und die Körner reichen doch nicht mal für 100 Leute. Doch der Prophet fordert ihn ein zweites Mal dazu auf, dass Volk damit zu versorgen – und als Zusage fügt er ein Wort Gottes hinzu: „essen und übriglassen“. Diese wörtliche Wiedergabe der hebräischen Wörter, lässt sich auf mehrere Weisen deuten: zum Beispiel „Sie sollen essen und übriglassen“ oder „Sie werden essen und übriglassen.“ Der Text erzählt im Folgenden nicht, ob das Volk satt geworden ist. Auch nicht wird erwähnt, wie viele Menschen davon gegessen haben und auch nicht, was übriggeblieben ist.  Aber jeder aß und es blieb etwas übrig. Aus dem Unglauben des Dieners wird die Verwirklichung eines Gotteswortes. Selbst in der Zeit der Hungersnot versorgt Gott durch die kleine Gabe der Erstlingsfrüchte eines Mannes das ganze Volk – denn der Gottesmann glaubt entgegen dem kritischen Zweifel.

Kunst etc.

Die Gerste ist in den klimatischen Bedingungen in Israel das erste Getreide, das im Jahr wächst und geerntet werden kann. In der Exegese ist es umstritten, was genau der Mann zusätzlich zu den Gerstenbroten dem Propheten gebracht hat. Die hebräische Wörter ‎כַרְמֶ֖ל בְּצִקְלֹנוֹ (gesprochen: karmel beziklono) bedeutet entweder „frische Getreidekörner in einem Sack“ oder „frische Getreidekörner in ihrer Ähre“.

Bild von kie-ker auf Pixabay
Bild von kie-ker auf Pixabay