Lesejahr B: 2023/2024

2. Lesung (2 Kor 8,7.9.13-15)

7Wie ihr aber an allem reich seid, an Glauben, Rede und Erkenntnis, an jedem Eifer und an der Liebe, die wir in euch begründet haben, so sollt ihr euch auch an diesem Liebeswerk mit reichlichen Spenden beteiligen.

9Denn ihr kennt die Gnade unseres Herrn Jesus Christus: Er, der reich war, wurde euretwegen arm, um euch durch seine Armut reich zu machen.

13Denn es geht nicht darum, dass ihr in Not geratet, indem ihr anderen helft; es geht um einen Ausgleich.

14Im Augenblick soll euer Überfluss ihrem Mangel abhelfen, damit auch ihr Überfluss einmal eurem Mangel abhilft. So soll ein Ausgleich entstehen,

15wie es in der Schrift heißt: Wer viel gesammelt hatte, hatte nicht zu viel, und wer wenig, hatte nicht zu wenig.

Überblick

Ein notwendendes Zeichen. Paulus wirbt für die finanzielle Unterstützung der Jerusalemer Gemeinde

1. Verortung im Brief
Der Apostel Paulus hatte die Gemeinde von Korinth selbst gegründet (50/51 n.Chr.) und steht seitdem in regem Kontakt zu ihr über Briefe und seine Mitarbeiter, die die Gemeinde im Auftrag des Paulus besuchen. Hatte er im 1. Brief an die Korinther (1 Kor) aktuelle Fragen aus der Gemeinde beantwortet und Themen angesprochen, die sich aus den Schilderungen von Gemeindemitgliedern oder seiner Mitarbeiter ergaben, so ist der 2. Brief an die Gemeinde in Korinth (2 Kor) stark geprägt durch eine Auseinandersetzung zwischen dem Apostel und der korinthischen Gemeinde, so dass der Brief an vielen Stellen sehr persönlich wird. Paulus wehrt sich im 2 Kor vor allem dagegen, dass ihm andere Verkündiger versuchen den Rang des prägenden Apostels für die Gemeinde streitig zu machen. So versucht Paulus mit verschiedenen rhetorischen Mitteln seinen Dienst für die Christen in Korinth zu umschreiben und in seiner Besonderheit darzustellen: Ein Dienst in Demut und Schwäche, stark durch Christus, der Paulus zu seinem Apostel macht.

Der Apostel Paulus folgt bei der Abfassung seiner Schreiben zumeist klar dem Aufbau antiker Briefe: Dort folgt auf das „Präskript“, mit Absender, Adressat und Gruß, das „Proömium“, das noch einmal eine Vorrede darstellt und zum Hauptteil überleitet. Der Hauptteil, „Briefkorpus“, enthält Mitteilungen und Anliegen des Schreibens. Es folgt der „Briefschluss“ mit persönlichen Grüßen und Wünschen, dabei können markante Gedanken des Schreibens durch einzelne Begriffe noch einmal aufgenommen werden.

Der Abschnitt 2 Kor 8, 1-15 aus dem die Verse der Lesung entnommen sind, findet sich im Hauptteil des Briefes („Briefkorpus“). Ausgehend von der Rückkehr seines Mitarbeiters Titus aus der Gemeinde in Korinth erinnert Paulus die Gemeinde daran, die begonnene Kollekte, also die Sammlung von Geldspenden für die Gemeinde in Jerusalem fortzuführen.
Was Paulus ganz genau zu der Kollekte für die Urgemeinde bewegt hat, ist trotz intensiver Forschung und Diskussion nicht eindeutig zu klären. Zwei Motivationsgründe sind aber sicher von großer Bedeutung: Die Jerusalemer Gemeinde ist finanziell offenbar schlecht aufgestellt – möglicherweise liegt das an einem hohen Anteil an zu versorgenden Witwen und Armen und der allgemeinen sozialen Struktur der Gemeinde. Gleichzeitig findet die Kollekte des Paulus in den von ihm gegründeten (mehrheitlich) heidenchristlichen Gemeinden statt, während die Jerusalemer Gemeinde zum Großteil aus Judenchristen bestand. Für Paulus dürfte die Spende an die Christen in Jerusalem auch ein wichtiges Zeichen der Verbundenheit im Glauben sein (vgl. Galaterbrief 3,28).

 

2. Erklärung einzelner Verse

Vers 7: Paulus erinnert die Gemeinde an die Geistesgaben, die die Christen auszeichnen. Wenn er davon spricht, dass er diese in ihnen „begründet“ hat, spricht er nicht von sich als Urheber der Gaben. Er sieht sich aber in der Rolle desjenigen, der durch seine Verkündigung den Korinthern geholfen hat, ihren Reichtum zu entdecken, indem sie zum Glauben an Jesus Christus kommen. Das „begonnene Liebeswerk“ ist die Kollekte für Jerusalem, die durch den Mitarbeiter Titus durchgeführt wird. Der Reichtum an göttlichen Gaben soll die Korinther motivieren ihrerseits reichlich zu geben.

 

Vers 9: Hatte der Apostel der Gemeinde eben den eigenen Reichtum in Erinnerung gerufen, erklärt er ihr nun den Ursprung der empfangenen Gaben. Die „unverdienten Gaben“ (Gnade) sind Teil des Heilshandelns Jesu. Ähnlich wie im Philipperhymnus (Philipperbrief 2,6-11) liegt Paulus hier der Gedanke zugrunde, dass Jesus, von Natur aus reich, diesen Reichtum nicht ausnutzt, sondern einsetzt. Er hat alle Fülle und Macht, verwendet sie aber nicht, zum Beispiel um sich vor dem Tod zu retten, sondern beug t sich dem Handeln derjenigen, die Macht mit Gewalt verwechseln. Nur so im Durchbrechen des Machtzirkels kann er am Kreuz den Bann brechen und neues Leben schenken.

 

Verse 13-15: Der Text springt einen Gedanken weiter und beleuchtet die Konsequenzen der Liebesgabe an die Gemeinde in Jerusalem. Ziel ist es nicht eine Umverteilung des Besitzes vorzunehmen, sondern einen Güterausgleich zu schaffen. Die Gemeinde in Korinth gibt nicht, um arm zu werden, sondern damit die Jerusalemer Christen „reich sein können“, sie sich also auch als Beschenkte erfahren dürfen. Wie Vers 15 in Erinnerung an das Manna-Wunder aus dem Buch Exodus (Exodus 16,18) beschreibt, sind Gottes Gaben so reichlich, dass für jeden das da ist, was benötigt wird. In Vers 14 formuliert Paulus den Appell, dass die Christen aufeinander schauen und dort, wo Überfluss ist, die Güter geteilt werden, damit keiner Mangel hat (vgl. Apostelgeschichte 2,45).

Auslegung

Die Gedanken des Paulus im heutigen Lesungstext drehen sich im Kern um die Solidarität zwischen den christlichen Gemeinden, vor allem um Solidarität mit der Urgemeinde in Jerusalem. Neben dem Einsammeln von Spenden geht es ihm dabei aber um nicht weniger als das radikale Herunterbrechen der Botschaft Jesu in die alltäglichen Haltungen. Dazu lädt er die Gemeinde in Korinth zu einem Perspektivwechsel ein. Paulus ermuntert sie, die Gemeinde in Jerusalem finanziell zu unterstützen. Er lenkt den Blick der Korinther dabei aber nicht auf den Mangel der bedürftigen Gemeinde, sondern auf den Reichtum der Korinther. Dieser Perspektivwechsel verhilft nicht nur zu einem neuen Verhältnis zwischen Gebenden und Empfangenden, sondern er lässt Solidarität zum wesentlichen Ausdruck der Nachfolge Jesu werden. Deshalb setzt der Text mit dem Hinweis auf die Geistesgaben der korinthischen Gemeinde ein (Vers 7). Ihr Reichtum, der ja nicht aus ihnen selbst erwachsen ist, sondern Gottes Gabe an sie war, bildet den Ausgangspunkt ihres Gebens. Darin ahmen sie Christus nach, der reich war und arm wurde um der Menschen willen (Vers 9). Der Weg Jesu von der überreichen Fülle des Vaters in die Welt hinein wird zum Vorbild. Denn er trat nicht als machtvoller König auf, sondern demütig, bescheiden, ohne seine Vollmacht zu missbrauchen. Nur so als gehorsamer Sohn des himmlischen Vaters durchbricht er den Kreislauf von mehr Macht, Ansehen und Reichtum und schenkt den Menschen neues Leben in Fülle. Den eigenen Reichtum zu nutzen, um andere reich werden zu lassen – das ist das Vorbild Jesu, an dem sich die Korinther orientieren sollen. Wirkliche Christusnachfolge zeigt sich daran, ob ich die Gaben Gottes für mich behalte oder bereitwillig in den Dienst stelle. Was Paulus im 1. Korintherbrief schon einmal auf die Geistesgaben formuliert hatte (1 Kor 12,7), ruft er der Gemeinde hier in Erinnerung und weitet den „Reichtum“ aus auch auf materielles Wohlergehen. Wie die Geistesgaben einander ergänzen, so sollen auch finanzieller Wohlstand und finanzieller Mangel sich ergänzen. Wobei Paulus in Vers 14 ganz sicher nicht nur daran denkt, dass auch die Jerusalemer Gemeinde für die Gemeinde in Korinth finanziell einspringen würde, sondern dass die Christen in Jerusalem von ihrem Reichtum, der auch in geistlichem Handeln und Haltungen zum Ausdruck kommen kann, den Korinthern abgeben würden. Am Ende – so ist es die feste Überzeugung des Paulus – gibt Gott nicht nur jedem, was er und sie braucht, er hat auch so viel zu geben, dass niemand leer ausgeht. So zu leben und mit den eigenen Gütern umzugehen, bedeutet aus dem Geist Jesu heraus zu handeln. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Reichtum in Trost und guten Worten, Erkenntnis oder eben in finanziellen Mitteln besteht. Entscheidend ist, die Gaben nicht für sich zu behalten, sondern die zu unterstützen, die Mangel leiden.