Lesejahr B: 2023/2024

1. Lesung (Lev 13,1-2.43ac.44ab.45-46)

131Der HERR sprach zu Mose und Aaron: 2Wenn sich auf der Haut eines Menschen eine Schwellung, ein Ausschlag oder ein heller Fleck bildet und auf der Haut zu einem Anzeichen von Aussatz wird, soll man ihn zum Priester Aaron oder zu einem seiner Söhne, den Priestern, führen.

[...]

 43Der Priester soll ihn untersuchen. Stellt er [...] eine hellrote Aussatzschwellung fest, die wie Hautaussatz aussieht, 44so ist der Mensch aussätzig; er ist unrein. Der Priester muss ihn für unrein erklären; [...]. 45Der Aussätzige mit dem Anzeichen soll eingerissene Kleider tragen und das Kopfhaar ungekämmt lassen; er soll den Bart verhüllen und ausrufen: Unrein! Unrein! 46Solange das Anzeichen an ihm besteht, bleibt er unrein; er ist unrein. Er soll abgesondert wohnen, außerhalb des Lagers soll er sich aufhalten.

Überblick

Gemeinschaft ist kein Heilmittel im Falle einer ansteckenden Krankheit. Schon das Buch Levitikus spricht da eine deutliche Sprache und empfiehlt Quarantäne.

 

1. Verortung im Buch und Aufbau

Mitte im Buch Levitikus steht ein Kapitel, das sich mit der menschlichen Haut und möglichen, ansteckenden Krankheiten beschäftigt. Wenig theologisch und eher medizinisch wirkt dies auf den ersten Blick. Sieben verschiedene Fälle werden besprochen, auf die in den Versen 45-46 eine Grundsatzbestimmung für alle Aussätzigen folgt. 

Die Verse 43-44 entstammen dem siebten Fall, in der es um Kahlköpfigkeit geht. In den für die Lesung ausgewählten Versen sind die Teilverse, die darauf hinweisen, ausgelassen.

 

2. Erklärung einzelner Verse

Verse 1-2: Eine der bekanntesten in der Bibel vorkommenden Krankheiten ist צרעת (oft als „Aussatz“ übersetzt). In mehreren Erzählungen des Alten Testament wird Gott als strafender Verursacher dieser Krankheit benannt . Es ist nicht möglich aus den biblischen Texten צרעת mit einer heute bekannten, spezifischen Krankheit zu identifizieren – auch nicht mit Lepra. Der Hinweis, dass die Krankheit auch auf Kleidungsstücken zu finden ist, könnte auf einen Schimmelpilz hinweisen. Es handelt sich um eine hochansteckende Krankheit, die nicht aktiv geheilt werden kann. Jedenfalls nennen Levitikus 13–14 keine menschliche Therapiemaßnahme, sondern der Erkrankte muss in der Isolation abwarten, ob eine Heilung eintritt. Die Entscheidung über diese Quarantänemaßnahme oblag dem Priester.

Verse 43-46: Der Priester soll das Anzeichen auf der Haut untersuchen und darüber entscheiden, ob die Person ‘unrein’ oder ‘rein’ ist (siehe Levitikus 13,3). Diese Entscheidung ist im eigentlichen Sinn keine medizinische Diagnose, sondern eine Beurteilung, ob eine Person oder auch ein Gegenstand am Kult beteiligt sein darf. Im näheren Kontext werden bestimmte Tiere, Aas, die Geburt eines Kindes und Ausflüsse aus den Genitalien als Quellen für Unreinheit benannt (siehe auch Numeri 5,2). In Levitikus 11–15 wird zudem deutlich, dass diese Unreinheit sich durch Berührung ausbreiten kann (siehe auch Numeri 19,22) und dies muss durch Absonderung und Waschung unterbunden werden. Denn diese physische Unreinheit kann bei einer Begegnung mit dem lebendigen Gott im Kult gefährlich werden. Eine Sünde im Sinne einer moralischen Trennung von Gott und im Sinne einer sittlichen Verantwortung entsteht erst dann, wenn die ‘unreine’ Person, die geforderten Maßnahmen bewusst und mit Absicht unterlässt (siehe Numeri 19,13). Zum Schutz der Gemeinschaft muss der einzelne Infizierte isoliert werden. Radikal wird gar gefordert, dass er seine Mitmenschen selbst vor sich warnt. ‘Unrein! Unrein!’ soll er ausrufen und so in seiner Abgeschiedenheit die Distanz aufrechterhalten. Die genannten Trauerriten, eingerissene Kleider und ungekämmtes Kopfhaar, zeigen an, dass der Infizierte nun im Bereich des Todes beheimatet ist. Die Forderung, dass der Bart verhüllt werden soll, ist schwierig zu deuten – vielleicht handelt es sich um eine Maßnahme (nur für Männer), um eine Kontamination durch den Atem zu verhindern.

Auslegung

Das Begriffspaar „rein und unrein“ im Buch Levitikus hat nicht nur mit Sauberkeit und Moral zu tun. Es sind Kategorien, die über die Fähigkeit entscheiden, ob ein Israelit oder eine Israelitin am Kult teilnehmen darf als Teil der heiligen Gemeinschaft, die Israel ist. Im Buch Levitikus wird Israel aufgefordert heilig zu sein, weil der Gott des Volkes heilig ist (siehe Levitikus 19,2). Die Gläubigen sollen sich Gott angleichen, durch Gottes Gesetz zu sittlichen Personen werden und im Gottesdienst die Beziehung zu Gott pflegen.

Levitikus 13 wirkt auf diesem Hintergrund jedoch eher wie eine Anleitung zu einer medizinischen Diagnose als ein theologischer Text. Es wird beschrieben, woran man eine Hautkrankheit erkennt: Welche Symptome weisen auf eine Erkrankung hin? Eine solche Diagnose entschied über das Leben des Menschen. Wenn eine Hautkrankheit festgestellt hatte, wurde der Erkrankte aus der Gemeinschaft ausgegrenzt. Aussätzige behandelte man wie Leichen (siehe Numeri 12,10-12 und Ijob 18,13). Vermutlich deutete man die Erkrankung der Haut als Beginn der Verwesung; der Körper wurde der Todessphäre zugeordnet.

Eine solche Diagnose, unabhängig von der Erkrankung, konnte ein Todesurteil sein. Die erkrankte Person musste sich außerhalb des Wohngebietes niederlassen und von der Ferne lautstark vor sich selbst warnen. Nur Geheilte wurden wieder in die Gemeinschaft eingegliedert. Die besondere Zuwendung der ersten Christen zu den Kranken ist hier noch nicht angedeutet. Aber rechtlich vollzieht sich schon im Buch Levitikus ein grundlegend wichtiger Schritt zum Schutz der Menschen und der Gemeinschaft. Das Gesetz spricht nur den Priestern das Recht zu, jemanden als „unrein“ zu bezeichnen und dadurch auszugrenzen. Es wird eine unabhängige Instanz eingesetzt, die über die Erkrankung beziehungsweise das Leben des Erkrankten entscheidet.

Weiterführender Lesetipp: Till Magnus Steiner, Quarantäne, Einsamkeit und Psalmen

Kunst etc.

Durch die Geschichte hindurch wurde die in Levitikus 13 beschriebene Hautkrankheit immer wieder als Lepra. Doch aus heutiger Sicht lässt sich nicht eindeutig definieren, um welche Krankheit es sich handelt (siehe die Erklärung zu den Versen 1-2).

Hansen-Krankheit, Lepra. Auf dem Foto ist ein Oberschenkel mit abgegrenzten kutanen Läsionen zu sehen.
Hansen-Krankheit, Lepra. Auf dem Foto ist ein Oberschenkel mit abgegrenzten kutanen Läsionen zu sehen.