Lesejahr B: 2023/2024

2. Lesung (2 Kor 4,6-11)

6Denn Gott, der sprach: Aus Finsternis soll Licht aufleuchten!, er ist in unseren Herzen aufgeleuchtet, damit aufstrahlt die Erkenntnis des göttlichen Glanzes auf dem Antlitz Christi.

7Diesen Schatz tragen wir in zerbrechlichen Gefäßen; so wird deutlich, dass das Übermaß der Kraft von Gott und nicht von uns kommt.

8Von allen Seiten werden wir in die Enge getrieben und finden doch noch Raum; wir wissen weder aus noch ein und verzweifeln dennoch nicht;

9wir werden gehetzt und sind doch nicht verlassen; wir werden niedergestreckt und doch nicht vernichtet.

10Immer tragen wir das Todesleiden Jesu an unserem Leib, damit auch das Leben Jesu an unserem Leib sichtbar wird.

11Denn immer werden wir, obgleich wir leben, um Jesu willen dem Tod ausgeliefert, damit auch das Leben Jesu an unserem sterblichen Fleisch offenbar wird.

Überblick

Zerbrechliche Stärke. Paulus als derjenige, der in der eigenen Schwachheit, die Kraft Gottes an sich wahrnimmt – immer wieder.

1. Verortung im Brief
Der Apostel Paulus hatte die Gemeinde von Korinth selbst gegründet (50/51 n.Chr.) und steht seitdem in regem Kontakt zu ihr über Briefe und seine Mitarbeiter, die die Gemeinde im Auftrag des Paulus besuchen. Hatte er im 1. Brief an die Korinther (1 Kor) aktuelle Fragen aus der Gemeinde beantwortet und Themen angesprochen, die sich aus den Schilderungen von Gemeindemitgliedern oder seiner Mitarbeiter ergaben, so ist der 2. Brief an die Gemeinde in Korinth (2 Kor) stark geprägt durch eine Auseinandersetzung zwischen dem Apostel und der korinthischen Gemeinde, so dass der Brief an vielen Stellen sehr persönlich wird. Paulus wehrt sich im 2 Kor vor allem dagegen, dass ihm andere Verkündiger versuchen den Rang des prägenden Apostels für die Gemeinde streitig zu machen. So versucht Paulus mit verschiedenen rhetorischen Mitteln seinen Dienst für die Christen in Korinth zu umschreiben und in seiner Besonderheit darzustellen: Ein Dienst in Demut und Schwäche, stark durch Christus, der Paulus zu seinem Apostel macht.

Der Apostel Paulus folgt bei der Abfassung seiner Schreiben zumeist klar dem Aufbau antiker Briefe: Dort folgt auf das „Präskript“, mit Absender, Adressat und Gruß, das „Proömium“, das noch einmal eine Vorrede darstellt und zum Hauptteil überleitet. Der Hauptteil, „Briefkorpus“, enthält Mitteilungen und Anliegen des Schreibens. Es folgt der „Briefschluss“ mit persönlichen Grüßen und Wünschen, dabei können markante Gedanken des Schreibens durch einzelne Begriffe noch einmal aufgenommen werden.

Der Abschnitt 2 Kor 4,6-11 stammt aus dem Briefkorpus und nimmt eines der wesentlichen Themen des Briefes in den Blick, den Dienst des Apostels vor dem Hintergrund der Leidensgemeinschaft mit Christus.

 

2. Aufbau
Vers 6 schließt den vorangegangenen Gedankengang (2 Kor 4,1-5) ab, in dem Paulus beteuerte, niemals arglistig das Evangelium verkündigt zu haben. Die Verse 7-11 leiten einen neuen Abschnitt ein, in dem die Leidensgemeinschaft des Apostels mit Christus im Fokus steht.

3. Erklärung einzelner Verse

Vers 6: Paulus erinnert an die Schöpfung. Gott ist es, der am Anfang aus Finsternis Licht entstehen lässt. Wie Gott bei der Erschaffung der Welt grundsätzlich die Finsternis in die Schranken weist, so schenkt er auch den konkret neues Licht, „göttlichen Glanz“ durch seinen Sohn Jesus Christus. Wer in Christus Gott erkennt und in ihm den Glanz Gottes selbst wahrnimmt, der wird selbst Teil des Lichts, das Gott ist und schenkt. Wenn Gott selbst „in unseren Herzen“ aufleuchtet, meint dies das Geschenk der Offenbarung. Dieses „Leuchten“ ist Zeichen des Erkennens Gottes in Jesus Christus.

Vers 7: Paulus wendet sich nun wieder seiner eigenen Sendung und damit auch seinem Dienst zu. Die Auseinandersetzungen mit der korinthischen Gemeinde zwingt ihn immer wieder dazu sich und sein Apostelamt zu erklären. Der „Schatz“ den Paulus besitzt, ist sein Dienst als Apostel, seine Berufung, sein Glaube an Jesus Christus, den Sohn Gottes. Dieses wertvolle Geschenk Gottes findet sich jedoch wieder in dem „zerbrechlichen Gefäß“ seines Leibes und seiner irdischen Existenz. Gerade dieses Gegenüber von geschenktem Glauben und anvertrautem Dienst auf der einen Seite und Leben in der Welt und mit den eigenen körperlichen Begrenzungen auf der anderen Seite zeigt für Paulus, das große Wirken Gottes an ihm. Was er eigentlich aus sich heraus nicht zu leisten vermag, das wird möglich, weil Gott mit dem „Übermaß“ seiner Kraft an ihm wirkt.

Verse 8-9: Nun wird Paulus konkret und benennt die Grenzsituationen seines Lebens. Wie auch an anderen Stellen im 2. Korintherbrief (z.B. 2 Kor 6,4-10 und 11,23-29) zählt er Leidenserfahrungen auf. Dabei bleibt er jedoch im Vergleich zu anderen Stellen in einer „Überblicksdarstellung“. Berichtet er in 2 Kor 11,23-29 von der genauen Anzahl an Schlägen und Schiffbrüchen etc., geht es ihm hier mehr um das Grundmuster seiner Erfahrung als Apostel. In seinem Dienst erfährt er sich immer wieder in Situationen, die ihn an seine Grenzen bringen, in denen er jedoch seinen Glauben und seinen Auftrag als Glaubensverkünder nicht aus dem Blick verliert. Die „Kraft Gottes“ (Vers 7), die an ihm wirkt, wird in seiner Fähigkeit deutlich all diese Situationen durchzustehen.

Verse 10-11: Seine eigenen Erfahrungen verbindet Paulus abschließend mit dem Schicksal Jesu. Sein eigenes Leiden drückt die Anteilnahme am Leidensweg Jesu aus und dort, wo er sich als kraftvoll in seinem Dienst erlebt, wird die Botschaft der Auferstehung an ihm sichtbar. Für den Apostel ist eindeutig, dass das eine nicht ohne das andere geht – so ist Vers 10 zu verstehen. Die ganze Existenz als Verkünder des Evangeliums ist Abbild des Lebens Jesu mit Leiden und Auferstehung.

 

Auslegung

Wie so oft bewegt sich die Selbstauskunft des Paulus in 2 Kor 4,6-11 zwischen Pathos und Poesie. Wenn er am Ende davon spricht, dass er „immer“ das Todesleiden Jesu an seinem Leib trägt, ist das für manch einen Leser in der Gemeinde in Korinth (und auch für uns heute) ein bisschen zu drastisch formuliert. Ganz ähnlich ist es beim Bild vom „Schatz im zerbrechlichen Gefäß“. Paulus kann nur große Bilder, dieser Eindruck beschleicht einen beim Lesen dieses Abschnitts und diesen Gedanken werden auch Korinther und Korintherinnen gehabt haben, wenn sie Paulus erlebt oder seine Gedanken im Gottesdienst gehört haben. Doch genau diese großen Worte und einprägsamen Bilder machen die Verkündigung des Paulus aus. Sie sind sein Weg zum Ausdruck zu bringen, dass der Dienst am Evangelium, das Zeugnisgeben für Jesus Christus nur möglich sind, wenn man sich ganz darauf einlässt. Und das bedeutet für Paulus, sich einerseits beschenken zu lassen von Gottes Kraft und seinem Geist, der in ihm wirkt, und andererseits damit zu rechnen, ständig an die eigenen Grenzen geführt zu werden.

Auf höchst eindrucksvolle Weise werden wir in den Versen der Lesung in diesen Gedankengang mit hineingenommen: Wer sich auf das Licht, das in die Welt kommt, einlässt und Jesus Christus als Licht der Welt erkennt, der wird selbst innerlich mit Gottes Glanz erfüllt (Vers 6). Dieses Licht ist Geschenk und Auftrag zugleich und ein Schatz, der den Glaubenden anvertraut ist. Doch weil wir Menschen sind, ist uns dieser Schatz immer in den Gegebenheiten der Welt, unseres sterblichen Körpers, unserer Begrenzungen und im Gegenüber mit anderen gegeben – in Zerbrechlichkeit (Vers 7). Sich dennoch in all diesen Situationen treu zu bleiben und das anvertraute Gut des Glaubens auch dann nicht aufzugeben, wenn man mit Grenzerfahrungen konfrontiert wird (Verse 8-9), gibt Zeugnis von der Kraft, die von Gott kommt und das übersteigt, was wir aus uns selbst heraus zu leisten fähig sind (Vers 7). Genau diese paulinische Existenz zwischen geschenkter Kraft und eigenen Grenzen, zwischen Sendung und Bedrängnissen spiegelt die Teilhabe an der Sendung Jesu und dessen Leben wieder (Verse 10-11).

Wenn Paulus so eindringlich von seiner Sendungserfahrung, von seinen Grenzen und der Fähigkeit, die Herausforderungen zu meistern, erzählt, verfolgt er damit wie immer ein doppeltes Ziel. Er möchte der Gemeinde von Korinth deutlich machen, dass er authentisch und durch Gottes Auftrag berechtigt das Evangelium verkündet und die Gemeinde auf diesem Weg begleiten will. Er möchte aber auch motivieren, die Kraft Gottes in sich wahrzunehmen und anzunehmen und den eigenen „Schatz“ zu nutzen, um in der Zerbrechlichkeit der eigenen Existenz Gottes Wort weiter in die Welt zu tragen.

Kunst etc.

Das Fresko aus der Thekla-Katakombe in Rom aus dem 4. Jahrhundert zeigt den Apostel Paulus.