• Natur // Wissenschaft

Wertgeschöpftes Wasser

Trinkwasser als Gemeingut und Menschenrecht

"Wasser", fotografiert von Cobe68 - Lizenz: Pixabay Lizenz
"Wasser", fotografiert von Cobe68 - Lizenz: Pixabay Lizenz

Mehr als zwei Milliarden Menschen haben keinen dauerhaften Zugang zu sauberem Trinkwasser. 884 Millionen Menschen müssen ohne eine Grundversorgung mit Wasser überleben. Und dabei ist Wasser doch ein Menschenrecht: 2010 wurde in der Vollversammlung der Vereinten Nationen das Recht auf Zugang zu sauberem Wasser als Menschenrecht anerkannt. Aber während in Deutschland das frische Trinkwasser für nur 2 Cent pro Liter direkt in jedes Haus kommt, haben weltweit drei Milliarden Menschen noch nicht einmal die Möglichkeit, sich zu Hause die Hände zu waschen. Das Gemeingut Wasser hat einen Leben oder Tod bedeutenden Wert, weshalb eine Kommerzialisierung und Privatisierung von sauberem und trinkbarem Wasser eine zu verurteilenden kapitalistische Wertschöpfung bedeutet: Wer sich an einem Gemeingut bereichert, ist verantwortlich für jeden, der keinen Zugang zu diesem Gemeingut hat.

Meins oder Deins

Schon in alttestamentlicher Zeit war der Zugang zu Quellen, Brunnen und Zisternen reglementiert. Wer einen Brunnen grub, dem gehörte das sich darin befindliche Wasser (siehe Genesis 21,30). Schon zu biblischer Zeit wurde um Wasser gekämpft:

Abraham stellte aber Abimelech zur Rede wegen des Brunnens, den ihm Abimelechs Knechte mit Gewalt weggenommen hatten.“ (Genesis 21,25)

Dies blieb keine Einzelepisode. Nach Abrahams Tod ließen die Philister seine Brunnen zuschütten und sein Sohn Isaak musste sie wieder freilegen (siehe Genesis 26,18) – und um jeden neuen Brunnen, den er grub, gab es einen Konflikt:

Die Knechte Isaaks gruben im Bachtal und fanden dort einen Brunnen mit frischem Wasser. Die Hirten von Gerar stritten mit den Hirten Isaaks und sagten: Uns gehört das Wasser.“ (Genesis 26,19-20)

Wem gehörte das Wasser? Das Buch Genesis berichtet nicht, wie der Streit endet, sondern es wird direkt erzählt, dass Isaak einen neuen Brunnen an einem anderen Ort graben ließ, um den wiederum gestritten wurde. Der Streit endet erst, als der Nomade Isaak aufbricht und an einer anderen Lagerstätte einen Brunnen graben lässt, auf dessen Wasser niemand anderes einen Besitzanspruch erhebt.

„Darauf brach er [=Isaak] von dort auf und grub wieder einen anderen Brunnen. Um ihn stritten sie nicht mehr.“ (Genesis 26,22)

Die halbjährige Trockenheit im Land der Bibel, die mit der regelmäßigen Erfahrung von Dürre und Wassernot einherging (siehe z.B. Jeremia 14,1-6), konnte Wasser zu einem umkämpften Gut werden lassen.

Unser

Damals wie heute ist Wasser lebenswichtig. Als Gemeingut wurde in den biblischen Schriften Wasser dadurch aber nicht nur zum Grund für Konflikte. Die Versorgung von Durstigen, egal ob Fremder oder Bekannter, wurde als moralischer Imperativ angesehen. Selbst durstigen Feinden darf das Wasser nicht vorenthalten werden:

Hat dein Feind Hunger, gib ihm zu essen, hat er Durst, gib ihm zu trinken.“ (Sprichwörter 25,22)

Wasser wird in den Worten des Propheten Elischa gar selbst zur Waffe des Friedens. Die Truppen des Königs von Aram, die Israel bedrohen und den Propheten töten wollen, lässt Gott durch Elischa in die Gewalt Israels fallen – und als der König von Israel den Propheten daraufhin fragte, ob er die Gefangenen erschlagen solle, antwortete Elischa:

"Töte sie nicht! Erschlägst du denn jene, die du mit deinem Schwert und Bogen gefangen nimmst? Setz ihnen Brot und Wasser vor, damit sie essen und trinken, und dann zu ihrem Herrn zurückkehren!" (2 Könige 6,22)

Nachdem der König die hungrigen und durstigen Feinde versorgt hatte, ließ er sie zum König von Aram zurückkehren und dies wird als Beginn einer langen Friedenszeit zwischen Israel und Aram berichtet. Egal, ob ein Feind, ein Fremder oder ein Bekannter Durst hat: der Durstige hat ein Recht auf Wasser.

Überfluss

Dem biblischen Israel war die Angewiesenheit auf Wasser nicht nur stets bewusst, sondern diese flüssige Lebensnotwendigkeit entwickelte sich zu einer Verheißung Gottes. Im Buch Deuteronomium wird das eigentlich wasser- und regenarme, aber verheißene Land in den höchsten Worten gepriesen:

Wenn der HERR, dein Gott, dich in ein prächtiges Land führt, ein Land mit Bächen, Quellen und Grundwasser, das im Tal und am Berg hervorquillt, […]“. (Deuteronomium 8,7)

In dem besonders in den Sommermonaten trockenen Land genügend Wasser zum Leben, für die Tiere und für die Landwirtschaft zu haben, wurde als Segen verstanden. Doch als Ideal wurde die stetige Versorgung mit Wasser erhofft und auch von Gott im Buch des Propheten Sacharja verheißen:

Dann wird es einen einzigen Tag geben - er ist dem HERRN bekannt, weder Tag noch Nacht; selbst zur Abendzeit wird Licht sein. An jenem Tag wird es sein, da wird aus Jerusalem lebendiges Wasser fließen, eine Hälfte zum Meer im Osten und eine Hälfte zum Meer im Westen; im Sommer und im Winter wird es so sein.“ (Sacharja 14,7-8)

Nötig

Trinkwasser ist ein Gemeingut, zu dem jeder Mensch Zugang haben muss – dauerhaft, Tag und Nacht, Sommer und Winter. Mit dieser Aussage wird nicht bestritten, dass Wasser privatisiert werden kann. Das Buch der Klagelieder berichtet, dass selbst in biblischer Zeit für Wasser bezahlt werden musste:

"Unser Wasser trinken wir für Geld, unser Holz müssen wir bezahlen. Wir werden getrieben, das Joch auf dem Nacken, wir sind müde, man versagt uns die Ruhe." (Klagelieder 5,4-5)

Für Wasser bezahlen zu müssen, ist ein Anzeichen großer Not. Wasser muss, da es überlebenswichtig ist, frei zugänglich sein. Es muss als Lebensspender wertgeschätzt werden, anstatt es zur Wertschöpfung zu missbrauchen.  Die Menschen, die keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser haben, finden im Buch Jesaja eine Hoffnung:

"Die Elenden und Armen suchen Wasser, doch es ist keines da; ihre Zunge vertrocknet vor Durst. Ich, der HERR, will sie erhören, ich, der Gott Israels, verlasse sie nicht." (Jesaja 41,17)

Und die restliche Menschheit, die Lebensmittelkonzerne, die Trinkwasserquellen kapitalistisch ausbeuten, und die Regierungen der Welt, die nicht genügend unternehmen um für die Sauberkeit und Zugänglichkeit des Trinkwassers zu sorgen, müssen sich dem Vorwurf Elifas des unrechten Handelns stellen: Warum tränkst Du den Durstigen nicht mit Wasser? (siehe Ijob 22,7)

 

Die Meinung des Autors spiegelt nicht unbedingt die Meinung der Redaktionsleitung von In Principio wider.