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Lärmblasen

Der Jahresanfang im Alten Testament

„Firecracker“, fotografiert von „riteshman“. Lizenz: gemeinfrei.
„Firecracker“, fotografiert von „riteshman“. Lizenz: gemeinfrei.

Der 1. Januar ist seit römischer Zeit (ab 153 v. Chr.) der Anfang des Kalenderjahres. Kirchlich wird an diesem Tag die Beschneidung Jesu gefeiert. Acht Tage nach seiner Geburt wurde er – wie es jüdischer Brauch ist und wie es im Lukasevangelium berichtet wird (vgl. Lukas 2,21) – beschnitten und trat damit in den Bund zwischen Gott und seinem Volk Israel ein. Es ist der Tag, an dem der Anfang des religiösen Lebens Jesu gefeiert wird, aus dem heraus das Christentum in Anknüpfung an das Judentum entstand.

Der alttestamentliche Jahresanfang

Für das Alte Testament hat der 1. Januar als Datum keine Bedeutung. Der erste Monat des Jahres heißt im Alten Testament אָבִיב (gesprochen: aviv) und wurde gemäß dem Buch Exodus als Jahresanfang festgelegt, da Gott Israel in diesem Monat aus der Sklaverei befreit hat. Kurz vor dem Auszug aus Ägypten wird berichtet, dass Gott Mose und Aaron erschienen ist:

"Der Herr sprach zu Mose und Aaron im Land Ägypten: Dieser Monat soll die Reihe eurer Monate eröffnen, er soll euch als der Erste unter den Monaten des Jahres gelten." (Exodus 12,1-2)

Kurz nach dem Auszug sagte Mose dann zum Volk:

"Heute im Monat Abib seid ihr weggezogen." (Exodus 13,4)

Das alttestamentliche Jahr beginnt somit mit der Befreiung Israels, dem Anfang der Geschichte Gottes mit seinem Volk. Zugleich beinhaltet der Name des Monats eine zweite Bedeutung. Das Wort bezeichnet ein Symbol des Sommers bzw. der kommenden Ernte: Ähren, deren Körner noch weich sind - es ist der Ährenmonat (ca. März-April). Das biblische Land Israel gehört zum subtropischen Bereich, in der man nur zwei Jahreszeiten unterscheidet: die Regen- und Kälteperiode, die mit dem Frühregen Ende Oktober beginnt und mit dem Spätregen im April endet. Es ist die Zeit des Pflügens und der Aussaat. Darauf folgt direkt der trockene und heiße Sommer als Reife- und Erntezeit. Landwirtschaftlich gesehen war hingegen die Zeit des ersten Regens, wenn die Nächte länger und die Tage kürzer wurden, der Jahresanfang. Im Festkalender im Buch Exodus heißt es:

"Du sollst auch das Fest der Ernte, des ersten Ertrages deiner Aussaat auf dem Feld halten, ebenso das Fest der Lese am Ende des Jahres, wenn du den Ertrag deines Festes eingebracht hast." (Exodus 23,16)

Ein Neujahrsfest wird für dieses Datum in Alten Testament nicht überliefert, aber für den ersten Tag des siebten Monats schreibt die Thora einen „Ruhetag mit Lärmblasen zur Erinnerung“ (Levitikus 23,24) bzw. „Tag des Lärmblasens“ (Numeri 29,1) vor. Der Inhalt des Festes wird nicht erläutert. Man erfährt nur den Namen, das Datum und die darzubringenden Opfer. Der erste Tag des siebten Monats spielt aber noch zweimal im Alten Testament eine wichtige Rolle. Das Buch Nehemia berichtet, dass an diesem Datum die erste Thoralesung nach dem babylonischen Exil stattfand (Nehemia 8,2), was einem Neuanfang der nachexilischen Gemeinde im Umgang mit der Thora markiert. Der Jahresanfang und der erste Tag des siebten Monats, der Tag des Lärmblasens, sind gemäß dem Buch Ezechiel direkt verbunden. Das Buch Ezechiel sieht eine zweimal im Jahr – entsprechend der Jahreszeiten – durchzuführende Reinigung des Tempels vor (siehe Ezechiel 45,18-20).

Neuanfang

In den Texten des Alten Testaments finden sich Hinweise auf zwei verschiedene Daten für den Jahresanfang. Man beginnt das Jahr mit der Reife- und Erntezeit im dem Gedenken an die Befreiung Israels aus der Sklaverei in Ägypten – und man beginnt das Jahr ein zweites Mal mit der Zeit des Pflügens und der Aussaat und dem „Tag des Lärmens“. Im Buch Levitikus wird dieser Tag als „Ruhetag mit Lärmblasen zur Erinnerung“ bezeichnet (Levitikus 23,24). Der Inhalt des Erinnerns wird jedoch nicht benannt. Das hebräische Wort für „Lärm“ lautet in diesen beiden Festtagsbezeichnungen תְּרוּעָה (gesprochen: trua). Dieser Lärm kann ein Warnsignal sein (siehe Amos 3,6) oder als Lobpreis Gottes dienen (siehe Psalm 98,6). Im Buch Numeri ist dieser Lärm ein Warnsignal vor dem Feind und verlangt von Gott, Israels zu gedenken:

"Wenn ihr in eurem Land in einen Krieg zieht gegen einen Angreifer, der euch bedrängt, dann blast mit den Trompeten das Signal mit lautestem Schall! So werdet ihr euch vor dem HERRN, eurem Gott, in Erinnerung bringen und vor euren Feinden gerettet werden." (Numeri 10,9)

Der Freudenlärm der Silvesternacht - und damit ist nicht die Böllerei gemeint - sollte ein Lärmblasen sein, das als Gebet Hoffnung gibt für einen Neuanfang.