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Kriegsmann und Zerstörer des Zerstörerischen

Gott und der Krieg – alttestamentliche Perspektiven

"Ein von ukrainischen Truppen in Mariupol beschädigter russischer Panzer", Ministry of Internal Affairs of Ukraine / mvs.gov.ua. Lizenz: CC BY 4.0.
"Ein von ukrainischen Truppen in Mariupol beschädigter russischer Panzer", Ministry of Internal Affairs of Ukraine / mvs.gov.ua. Lizenz: CC BY 4.0.

„Es gibt eine gute Nachricht“, twitterte die Redaktion der Moskauer Zeitung Nowaja Gaseta Anfang März sarkastisch, „das Wort ,Frieden‘ haben sie noch nicht verboten.“ In Russland sind die Wörter „Krieg“, „Invasion“ und „Aggression“ im öffentlichen Diskurs über die sogenannte „Militäroperation“ Russland gegen die Ukraine verboten. Es herrscht Krieg – und er wird von Wladimir Wladimirowitsch Putin, dem Präsidenten der Russischen Föderation, schöngeredet. 

Auch im Alten Testament wird das Wort „Krieg“ nicht verschwiegen (מלחמה, gesprochen: milchamah) – es steht in fast allen Büchern (außer dem Buch Ruth und dem Hohelied). Schon die altorientalischen Staaten sahen in Kriegen und Militäroperationen ein probates Mittel, um machtpolitische Interessen durchzusetzen – und das hatte auch eine Auswirkung auf das Gottesbild. Die am häufigsten vorkommende Gottesbezeichnung im Alten Testament ist Zebaoth – JWHWH Zebaoth oder JHWH, Gott Zebaoth. Die Bedeutung des hebräischen Wortes צבאות (gesprochen: zebaoth) ist zwar umstritten, doch das Wort könnte eine Pluralform des hebräischen Wortes für das Heer sein. Eine solche Deutung legt auch eine Bibelstelle in den Erzählungen über David nahe. Er spricht zu Goliath:

Du kommst zu mir mit Schwert, Speer und Sichelschwert, ich aber komme zu dir im Namen des HERRN der Heerscharen [= JHWH Zebaoth], des Gottes der Schlachtreihen Israels, den du verhöhnt hast.“ (1 Samuel 17,45)

Der Gott Israels ist der Gott der menschlichen und himmlischen Herrscharen (vgl. Jesaja 45,13). Im Glauben und Denken des Alten Orients entschied das Eingreifen der Götter über Sieg und Niederlage – dieser Glaube konnte gar strategische Entscheidungen beeinflussen. So wird im Ersten Buch der Könige erzählt, dass dem König von Aram im Krieg gegen Israel folgender Ratschlag gegeben wurde: 

Ihr Gott ist ein Gott der Berge; darum waren sie uns überlegen. Wenn wir aber in der Ebene mit ihnen kämpfen, dann werden wir sie bestimmt besiegen.“  (1 Könige 20,23)

Der Ausgang eines Krieges liegt also in den Händen der Götter. An mehreren Stellen wird gar der Gott Israels selbst als kämpfender Held, als Krieger und Feldherr dargestellt:

Der HERR ist ein Krieger, HERR [= JHWH] ist sein Name.“ (Exodus 15,3)

Der HERR zieht in den Kampf wie ein Held, er entfacht seine Leidenschaft wie ein Krieger. Er erhebt den Schlachtruf und schreit, er zeigt sich als Held gegenüber den Feinden.“ (Jesaja 42,13, siehe auch Jesaja 13,4)

In der antiken, griechischen Übersetzung dieser beiden hier exemplarisch ausgeführten Bibelstellen, die Gott wörtlich als „Mann des Krieges“ bezeichnen, wandelt sich jedoch das Gottesbild. Gott, ist nicht mehr nur derjenige, der Kriege führt, sondern er ist „der Herr, der Kriege zerschlägt“:

Der Herr, der die Kriege zerschlägt, Herr [= Kyrios] ist sein Name.“ (Exodus 15,3 LXX)

Der Herr, der Gott der Mächte, wird ausziehen und den Krieg zerschmettern, er wird Eifer erwecken und das Kriegsgeschrei erheben gegen seine Feinde mit Kraft.“ (Jesaja 42,13 LXX)

Die antiken Übersetzer haben sich an diesen Stellen dazu entschieden eine Linie aus der Hebräischen Bibel fortzuschreiben, die Gott nicht nur als Kriegsherr, sondern als Zerstörer des Zerstörerischen sieht – Gott als Durchsetzer des endgültigen Friedens:

Ich schließe zu ihren Gunsten an jenem Tag einen Bund mit den Tieren des Feldes und den Vögeln des Himmels und den Kriechtieren des Erdbodens. Bogen, Schwert und Krieg werde ich zerbrechen und aus dem Land verbannen und sie in Sicherheit schlafen lassen.“ (Hosea 2,20)

Er setzt den Kriegen ein Ende bis an die Grenzen der Erde. Den Bogen zerbricht er, / die Lanze zerschlägt er; Streitwagen verbrennt er im Feuer.“ (Psalm 46,10)

Hinter diesen Aussagen steht ein pessimistisches Menschenbild: Das endgültige Beenden der Kriege in dieser Welt scheint nur Gott, dem Gott der Heerscharen möglich zu sein; und auch er muss gewalttätig eingreifen und das, was die Menschen zerstört, selbst zerstören. Es ist ein langer Weg, bis die Menschen Waffen zu landwirtschaftlichen Werkzeugen machen werden, bis aus Schwertern Pflugscharen werden – und solange gilt: Selig, die Frieden stiften und auf JHWH Zebaoth, der die Kriege zerschmettert, hoffen.