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Fastenanstöße

Trauer, Demut und Altruismus

"Fastenzeit", fotografiert von Congerdesign. Lizenz: Pixabay.
"Fastenzeit", fotografiert von Congerdesign. Lizenz: Pixabay.

Fasten bedeutet vieles. Und mit vollem Magen lässt sich leicht vom Fasten reden – doch geht es dabei weder um die Füllung des Magens noch um das Verlieren vieler Worte. Auch im Alten Testament bedeutet diese rituelle Handlung den völligen oder teilweisen Verzicht auf Speise und Trank.

"Nahrung, die mir sonst schmeckte, aß ich nicht; Fleisch und Wein kamen nicht in meinen Mund …" (Daniel 10,3)

So werden wie der Prophet Daniel viele an Ostern rückblickend sagen. Doch weder ist dies ein Lifestyle noch eine spirituelle Übung oder einfach ein fester jährlicher Termin – sondern es handelt sich beim Fasten auch um Trauer, wie man an den einleitenden Worten des Propheten erkennen kann:

"In jenen Tagen hielt ich, Daniel, drei Wochen lang Trauer. Nahrung, die mir sonst schmeckte, aß ich nicht; Fleisch und Wein kamen nicht in meinen Mund …" (Daniel 10,2-3)

Bedarf es nicht gerade in der Trauer der Stärkung? Die Trauer raubt den Appetit, wie man anhand von Hanna am Anfang der Bücher Samuel sieht. Sie lebt in einer polygamen Ehe und ihre Mit-Ehefrau demütigt sie, weil sie keine Kinder bekommen kann:

"… und Hanna weinte und aß nichts." (1 Samuel 1,7)

Die Frage, die ihr Mann ihr daraufhin stellt, kann auch in der Fastenzeit vor Ostern widerhallen:

"Hanna, warum weinst du, warum isst du nichts, warum ist dein Herz betrübt?" (1 Samuel 1,8)

Die gedemütigte Hanna und der trauernde Daniel fasten – Fasten hat absolut nichts mit Freude und Jubel zu tun. Das betont auch der Prophet Joel und erklärt das Fasten als Symbolhandlung, die die Umkehr und Buße anzeigt (siehe Joel 1,13-16 und 2,12-17 ). Fasten ist in diesem Fall der Schrei nach Gnade, der nur eine Berechtigung hat, wenn der Klagende zu Gott umgekehrt ist – wenn das Herz nicht zu Gott umgekehrt ist, dann ist jede Form der Buße sinnlos (siehe Jer 14,10-12). Das Buch Jesaja geht sogar noch einen Schritt weiter: Die Selbsterniedrigung durch Fasten darf kein leeres Ritual sein, sondern muss einhergehen mit der mitfühlenden Identifikation mit den elenden und armen Erniedrigten (siehe Jes 58).

Die österliche Bußzeit, die man gemeinhin Fastenzeit nennt, besitzt – so betrachtet – das Potential, mehr als eine simple Art der Frömmigkeitsübung zu sein: „Ich faste“, aber wozu und warum? Ist es eine Zuwendung zu Gott? Auch! In Trauer, Demut, erniedrigt und klein, tritt man vor Gott – und dies kann man sogar zugunsten anderer tun.

"Fastet für mich! Esst und trinkt drei Tage und Nächte lang nichts!" (Esther 4,16)

So ruft die biblische Esther – und man hört diese Worte durch die Kirchengeschichte hindurch. Es könnte der Ruf der Kirche heute in ihren Krisen sein. Es ist Zeit demütig zu trauern, zu büßen und umzukehren, nicht nur um des eigenen Heils willen, sondern auch für die Anderen. Seid Mitfühlende mit den Elenden und Armen. Ruft ein großes Fasten aus – damit der Osterjubel diese Welt ändern wird.

Für eine grundlegende, alttestamentliche Perspektive auf das Fasten ist der Text "Fastet wie im Alten Testament!" des Autors zu empfehlen. Der hier veröffentlichte Text erschien parallel auf dem Blog www.dei-verbum.de.

Die Meinung des Autors spiegelt nicht unbedingt die Meinung der Redaktionsleitung von In Principio wieder.