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Das Olivenbaum-Paradigma

Von einer toten Eiche zum biblischen Olivenbaum

 Olivenbaum, fotografiert von Peggychoucair. Lizenz: Pixabay Lizenz.
Olivenbaum, fotografiert von Peggychoucair. Lizenz: Pixabay Lizenz.

Der Baum ist tot. Im Garten vor dem Weißen Haus hatten der französische Präsident Emmanuel Macron und der amerikanische Präsiden Donald J. Trump als Zeichen der Partnerschaft eine junge Eiche aus einem nordfranzösischen Wald gepflanzt. Eigentlich ein Symbol für Kraft, Beständigkeit und für den Kampf, einschließlich des Sieges, überlebte die Eiche die zweifache Entwurzelung nicht: zuerst wurde sie aus einem Wald entnommen, in dem im Ersten Weltkrieg 2000 US-amerikanische Soldaten gefallen waren; und dann kurz nach der Einpflanzung wurde sie erneut ausgegraben, damit sie in die vorgeschriebene Quarantäne genommen werden konnte – in der die Eiche dann abstarb. Die gemeinsame Pflanzung sollte ein Sinnbild für eine gute Kooperation zwischen den beiden Nationen sein – und die dann gedeihende Eiche, sollte „das Weiße Haus an die Bande erinnern, die uns verbinden,“ twittere Emmanuel Macron kurz nach der Zeremonie. Die Symbolik hat sich ins Gegenteil verkehrt. Und stattdessen ist dies nun die Geschichte eines Baums, der von Menschen Tausende von Kilometern über den Atlantik geflogen wurde, um der Symbolpolitik zum Opfer zu fallen – ein Sinnbild für den absurden Umgang der Menschen mit der Natur.

Dabei ist der durch seine Blätter Sauerstoff spendende Baum doch eigentlich ein hervorragendes Symbol für die Angewiesenheit des Menschen auf die Natur. Ein solcher Baum könnte die Ikone gegen die Weltklimakatastrophe sein. Bereits in Buch Genesis ist ein Zweig ein Zeichen des Neuanfangs.   

"Gegen Abend kam die Taube zu ihm zurück und siehe: In ihrem Schnabel hatte sie einen frischen Ölzweig. Da wusste Noach, dass das Wasser auf der Erde abgenommen hatte." (Genesis 8,11)

Nachdem Gott in Genesis 6,5-7 der verdorbenen Menschheit den Krieg erklärt hatte, ist die Taube mit dem Olivenzweig im Mund nach der Sintflut ein Symbol des Friedensschlusses. Zudem ist der Olivenbaum ein Symbol für Genügsamkeit und das Überleben unter widrigen Umständen. Er braucht wenig Wasser und eignet sich gut für das dürre Klima sowie die bergige Landschaft Israels und Palästinas. Unter diesen schwierigen Bedingungen wirft ein Olivenbaum in dieser Region alle zwei Jahre erstaunliche 100 bis 120 Kilogramm Oliven ab. Dementsprechend steht dieser Baum in der Bibel für Fruchtbarkeit und gesicherten Lebensunterhalt (siehe Deuteronomium 6,11). Das aus den Oliven gewonnene Öl symbolisiert Reichtum und Segen (siehe Deuteronomium 32,13). Mit all diesen Prädikaten versehen, verwundert es nicht, dass der Olivenbaum in der Jotam-Fabel als König der Bäume gesehen wird (siehe Richter 9,8-15). In dieser lehr- und märchenhaften Erzählung beschließen die Bäume, einen König zu erwählen und ihn zu salben. Da in biblischer Zeit Könige und Priester durch die Salbung mit Olivenöl eingesetzt wurden, ist es nicht verwunderlich, dass die erste Wahl auf den Olivenbaum fällt. Er aber weigert sich:

"Der Ölbaum sagte zu ihnen: Habe ich etwa schon mein Fett aufgegeben, das Götter und Menschen an mir ehren, und werde hingehen, um über den Bäumen zu schwanken?" (Richter 9,9)

Ein verehrter Dienst ist wertvoller als ein Herrscheramt. Er richtet sich nicht gegen seine Natur. Und gemäß den Psalmen sollte sich der Mensch an dem Olivenbaum ausrichten. Der Beter verwehrt sich gegenüber dem Mann der Gewalt und sagt über sich selbst:

"Ich aber bin wie ein grünender Ölbaum im Haus Gottes, ich vertraue auf die Güte Gottes immer und ewig." (Psalm 52,10)

Anstatt Krieg gegen den Schöpfer zu führen, könnte der Mensch auch eine friedliche Existenz im Angesicht Gottes wählen – im Einklang mit der Schöpfung – und genügsam reichte Frucht hervorbringen.

 

Dieser Text ist parallel auf dem Blog "Dei Verbum" erschienen. Die Meinung des Autors spiegelt nicht unbedingt die Meinung der Redaktionsleitung von In Principio wider.