Ein notwendendes Zeichen. Paulus wirbt für die finanzielle Unterstützung der Jerusalemer Gemeinde
1. Verortung im Brief
Der Apostel Paulus hatte die Gemeinde von Korinth selbst gegründet (50/51 n.Chr.) und steht seitdem in regem Kontakt zu ihr über Briefe und seine Mitarbeiter, die die Gemeinde im Auftrag des Paulus besuchen. Hatte er im 1. Brief an die Korinther (1 Kor) aktuelle Fragen aus der Gemeinde beantwortet und Themen angesprochen, die sich aus den Schilderungen von Gemeindemitgliedern oder seiner Mitarbeiter ergaben, so ist der 2. Brief an die Gemeinde in Korinth (2 Kor) stark geprägt durch eine Auseinandersetzung zwischen dem Apostel und der korinthischen Gemeinde, so dass der Brief an vielen Stellen sehr persönlich wird. Paulus wehrt sich im 2 Kor vor allem dagegen, dass ihm andere Verkündiger versuchen den Rang des prägenden Apostels für die Gemeinde streitig zu machen. So versucht Paulus mit verschiedenen rhetorischen Mitteln seinen Dienst für die Christen in Korinth zu umschreiben und in seiner Besonderheit darzustellen: Ein Dienst in Demut und Schwäche, stark durch Christus, der Paulus zu seinem Apostel macht.
Der Apostel Paulus folgt bei der Abfassung seiner Schreiben zumeist klar dem Aufbau antiker Briefe: Dort folgt auf das „Präskript“, mit Absender, Adressat und Gruß, das „Proömium“, das noch einmal eine Vorrede darstellt und zum Hauptteil überleitet. Der Hauptteil, „Briefkorpus“, enthält Mitteilungen und Anliegen des Schreibens. Es folgt der „Briefschluss“ mit persönlichen Grüßen und Wünschen, dabei können markante Gedanken des Schreibens durch einzelne Begriffe noch einmal aufgenommen werden.
Der Abschnitt 2 Kor 8, 1-15 aus dem die Verse der Lesung entnommen sind, findet sich im Hauptteil des Briefes („Briefkorpus“). Ausgehend von der Rückkehr seines Mitarbeiters Titus aus der Gemeinde in Korinth erinnert Paulus die Gemeinde daran, die begonnene Kollekte, also die Sammlung von Geldspenden für die Gemeinde in Jerusalem fortzuführen.
Was Paulus ganz genau zu der Kollekte für die Urgemeinde bewegt hat, ist trotz intensiver Forschung und Diskussion nicht eindeutig zu klären. Zwei Motivationsgründe sind aber sicher von großer Bedeutung: Die Jerusalemer Gemeinde ist finanziell offenbar schlecht aufgestellt – möglicherweise liegt das an einem hohen Anteil an zu versorgenden Witwen und Armen und der allgemeinen sozialen Struktur der Gemeinde. Gleichzeitig findet die Kollekte des Paulus in den von ihm gegründeten (mehrheitlich) heidenchristlichen Gemeinden statt, während die Jerusalemer Gemeinde zum Großteil aus Judenchristen bestand. Für Paulus dürfte die Spende an die Christen in Jerusalem auch ein wichtiges Zeichen der Verbundenheit im Glauben sein (vgl. Galaterbrief 3,28).
2. Erklärung einzelner Verse
Vers 7: Paulus erinnert die Gemeinde an die Geistesgaben, die die Christen auszeichnen. Wenn er davon spricht, dass er diese in ihnen „begründet“ hat, spricht er nicht von sich als Urheber der Gaben. Er sieht sich aber in der Rolle desjenigen, der durch seine Verkündigung den Korinthern geholfen hat, ihren Reichtum zu entdecken, indem sie zum Glauben an Jesus Christus kommen. Das „begonnene Liebeswerk“ ist die Kollekte für Jerusalem, die durch den Mitarbeiter Titus durchgeführt wird. Der Reichtum an göttlichen Gaben soll die Korinther motivieren ihrerseits reichlich zu geben.
Vers 9: Hatte der Apostel der Gemeinde eben den eigenen Reichtum in Erinnerung gerufen, erklärt er ihr nun den Ursprung der empfangenen Gaben. Die „unverdienten Gaben“ (Gnade) sind Teil des Heilshandelns Jesu. Ähnlich wie im Philipperhymnus (Philipperbrief 2,6-11) liegt Paulus hier der Gedanke zugrunde, dass Jesus, von Natur aus reich, diesen Reichtum nicht ausnutzt, sondern einsetzt. Er hat alle Fülle und Macht, verwendet sie aber nicht, zum Beispiel um sich vor dem Tod zu retten, sondern beug t sich dem Handeln derjenigen, die Macht mit Gewalt verwechseln. Nur so im Durchbrechen des Machtzirkels kann er am Kreuz den Bann brechen und neues Leben schenken.
Verse 13-15: Der Text springt einen Gedanken weiter und beleuchtet die Konsequenzen der Liebesgabe an die Gemeinde in Jerusalem. Ziel ist es nicht eine Umverteilung des Besitzes vorzunehmen, sondern einen Güterausgleich zu schaffen. Die Gemeinde in Korinth gibt nicht, um arm zu werden, sondern damit die Jerusalemer Christen „reich sein können“, sie sich also auch als Beschenkte erfahren dürfen. Wie Vers 15 in Erinnerung an das Manna-Wunder aus dem Buch Exodus (Exodus 16,18) beschreibt, sind Gottes Gaben so reichlich, dass für jeden das da ist, was benötigt wird. In Vers 14 formuliert Paulus den Appell, dass die Christen aufeinander schauen und dort, wo Überfluss ist, die Güter geteilt werden, damit keiner Mangel hat (vgl. Apostelgeschichte 2,45).