Lesejahr C: 2021/2022

1. Lesung (2 Kön 5,14-17)

14 So ging er also zum Jordan hinab und tauchte siebenmal unter, wie ihm der Gottesmann befohlen hatte. Da wurde sein Leib gesund wie der Leib eines Kindes und er war rein. 15 Nun kehrte er mit seinem ganzen Gefolge zum Gottesmann zurück, trat vor ihn hin und sagte: 

Jetzt weiß ich, dass es nirgends auf der Erde einen Gott gibt außer in Israel. So nimm jetzt von deinem Knecht ein Dankgeschenk an!

16 Elischa antwortete: 

So wahr der HERR lebt, in dessen Dienst ich stehe: Ich nehme nichts an. 

Auch als Naaman ihn dringend bat, es zu nehmen, lehnte er ab. 17 Darauf sagte Naaman: 

Wenn es also nicht sein kann, dann gebe man deinem Knecht so viel Erde, wie zwei Maultiere tragen können; denn dein Knecht wird keinem andern Gott mehr Brand- und Schlachtopfer darbringen als dem HERRN allein.

Überblick

Eine körperliche Heilung und spirituelle Konversion verdeutlichten die grenzüberschreitende Macht Gottes. Das zeigt sich anhand der Erzählung über den aramäischen Feldherren Naaman.

 

1. Verortung im Buch

Der Prophet Elischa erweckt Tote, vermehrt Speisen und heilt Kranke. Viele der von ihm in den Büchern der Könige erzählten und erwirkten Wunder lesen sich als Vorausbilder auf die Taten Jesu. Elischa ist der Schüler und Nachfolger des Propheten Elija. Die Erzählungen über ihn prägen den Anfang des Zweiten Buches der Könige. Er ist die prophetische Kontrastfigur zu den negativ dargestellten Königen des Nordreiches Israel und zugleich zeigt sich Gottes Allmacht durch ihn im Alltag der Menschen. Erzählungen über ihn lesen sich zum Teil wie Heiligenlegenden. 

Die Erzählung in 2 Könige 5 mit dem besonderen Fokus auf Naaman, den Feldherren des Königreiches Aram, verdeutlicht im größeren Kontext, dass Gott selbst die Geschicke der verfeindeten Völker lenkt (siehe auch 2 Könige 8,7-15), zu ihren Gunsten handelt, während die israelitischen Könige an ihrem Gott zweifeln.

 

2. Aufbau

Die Erzählung in 2 Könige 5 beginnt mit einem nicht-israelitischen Feldherren, der an Aussatz erkrankt und von dem israelischen Propheten Elischa geheilt wird (Verse 1-19). Und das Kapitel endet damit, dass der Diener Elischas, seinen Herren hintergeht und versucht sich an dem Wunder zu bereichern (Verse 20-27). Der erzeugte Kontrast zwischen dem mächtigen aramitischen Feldherren, der aufgrund seiner Heilung die Macht des Gottes Israel anerkennt, und dem israelitischen Prophetendiener, der eben diese Macht unterschätzt, dient dazu, Gott als den gerechten und machtvollen Herrscher über die gesamte Schöpfung darzustellen. Der Glauben ist hierbei ein wichtiges Leitthema. Eine nach Aram verschleppte Israelitin glaubt, dass der Prophet des Gottes Israels, den Aussatz Naamans heilen kann. Ihren Worten glaubt seine Ehefrau, der sie dient, und die erzählt es ihrem Ehemann. Ihrem Glauben glaubt der König Arams, der ihn daraufhin zum König Israels sendet. Doch der König Israels fehlt eben dieser Glaube: Er sieht nur einen Vorwand für einen Krieg gegen sich, anstatt eine Möglichkeit für den Machterweis Gottes zu erkennen. Seinem Unvermögen tritt der Prophet Elischa entgegen. Und sein umfassender Machtbeweis wird von seinem eigenen Diener verkannt, der meint, sich heimlich an Gottes und des Propheten Macht bereichern zu können. Diese Glaubensgeschichten werden in drei Teilen erzählt. Verse 1-14 erzählen von der Heilung. Verse 15-19 berichten von der daraus folgenden Konversion Naamans. Und die Verse 20-27 berichten von Gehasis Vergehen und enden damit, dass Elischa den Aussatz Naamans auf seinen Diener legt: „Der Aussatz Naamans aber soll für immer an dir und deinen Nachkommen haften. Gehasi ging hinaus und war vom Aussatz weiß wie Schnee.“

Der für die Lesung ausgewählte Textabschnitt beinhaltet das Bekenntnis Naamans nach seiner Heilung (Vers 14-15a), dass es für ihn nur noch den Gott Israels als Gott gibt. Nachdem Elischa sich weigert, sich das Wunder vergüten zu lassen (Vers 15a-16), bittet Naaman um Erde aus dem Land Israel, um auch in seiner Heimat den Gott Israels anbeten zu können (Vers 17). So steht am Ende dem Bekenntnis, dass der Gott Israels, der mächtigste Gott sei, die scheinbar naive, ja beengende Vorstellung, dass der Glaube an den Erdboden Israels gebunden ist.

 

3. Erklärung einzelner Verse

Vers 14: Naaman ist der Feldherr des Königreiches Aram, dessen Hauptstadt Damaskus ist. Er ist somit einer der mächtigsten Männer eines mit Israel verfeindeten Landes (siehe zum Beispiel 2 Könige 6,1). Und er befolgt eine Anweisung eines israelitischen Propheten, in der Hoffnung so von seinem Aussatz geheilt zu werden. Die Zahl sieben – siebenmal soll er im Jordan eintauchen – steht in der biblischen Tradition für Erfüllung bzw. einen erfolgreichen Abschluss (siehe auch Levitikus 14,7). Es folgt nicht nur die Heilung, sondern sein Leib wurde „gesund wie der Leib eines Kindes“. Elischa erneut somit dessen Lebenskraft und stärkt damit einen Feind Israels, doch dies stärkt zugleich dessen Glauben an den Gott Israels.

Vers 15: Als Naaman durch einen Diener Elischas ausgefordert wurde, sich im Jordan zu waschen, hatte er zuerst gesagt: „Sind nicht der Abana und der Parpar, die Flüsse von Damaskus, besser als alle Gewässer Israels? Kann ich nicht dort mich waschen, um rein zu werden?“ (Vers 12). Die beiden genannten Flüsse sind die lebensspendenden Wasserzuflüsse Damaskus und des Umlandes der Stadt. Naaman findet neues Leben aber nicht in ihnen, sondern im Jordan, im Land Israel. Und so kommt er zum monotheistischen Bekenntnis: „Jetzt weiß ich, dass es nirgends auf der Erde einen Gott gibt außer in Israel.“ Er erkennt die Allmacht des Gottes Israels als des einzigen wahren Gottes – aber zugleich verortet er dessen Macht allein im Land Israel.

Vers 16: Naaman war mit großen Mengen Silber, Gold und festlichen Kleidern nach Israel aufgebrochen (siehe Vers 5). Doch Elischa nimmt keine Bezahlung für das vollbrachte Wunder an. Gottes Handeln ist keine Handelsware. Der eigentliche Lohn ist das Bekenntnis des Geheilten.

Vers 17: In Naamans Worten verdeutlicht sich, dass sein Bekenntnis in Vers 14 kein monotheistisches ist. Ja, es gibt andere Götter, aber Naaman verpflichtet sich dazu, nur noch dem Gott Israels zu dienen (siehe aber Verse 18-19). Und um dies tun zu können, erbittet er „so viel Erde, wie zwei Maultiere tragen können“. Diese scheinbar naive Vorstellung spiegelt eine grundlegende Glaubensüberzeugung Israels wieder, die sich zum Beispiel im Buch Deuteronomium manifestiert. Israel wird in das verheißene Land von Gott geführt, weil dort der auserwählte Ort für den wahren Gottesdienst liegt – in diesem Sinne ist das verheißene Land ein heiliges Land. Es ist nicht nur ein abstraktes Konzept, sondern radikal gesprochen greifbarer Mutterboden für die Beziehung zu Gott – was dem israelitischen bzw. jüdischen Leser in der Bitte Naamans verdeutlicht wird.

Auslegung

In der Erzählung geht es nicht um das Heilungswunder. Auch die Bekehrung eines Nicht-Israeliten ist nicht die Pointe der Geschichte. Sondern die für die Lesung ausgewählten Verse müssen auf dem Hintergrund der zuvor vom König Israels gemachten Aussage gelesen werden: „Bin ich denn ein Gott, der töten und zum Leben erwecken kann?“ (Vers 7), fragt er rhetorisch, als ihn der Brief des Königs Arams erreicht, in dem dieser ihn bittet, Naaman von seinem Aussatz zu heilen. Ganz anders fällt die Reaktion des Propheten Elischa aus: „Naaman soll zu mir kommen; dann wird er erfahren, dass es in Israel einen Propheten gibt“ (Vers 8). Seine Worte sind auch gegen den König gerichtet, der eben scheinbar vergessen hat, dass ein Prophet Gottes in seinem Land wirkt und sich stattdessen – sarkastisch wirkend – rhetorisch selbst fragt, ob er denn ein Gott sei. Der mächtigste Mann Israels scheitert daran zu glauben, während der Feldherr der Feinde, auf die Macht dieses Gottes vertraut.

Der König ist blind gegenüber Gottes Wirken, während selbst eine nach Aram verschleppte Israelitin fest an ihrem Glauben hält und gegenüber der Ehefrau Naamans bekennt. „Wäre mein Herr doch bei dem Propheten in Samaria! Er würde seinen Aussatz heilen!“ (Vers 3). Der König des verheißenen Landes hat weniger Glauben, als eine einfache, zudem weit von ihrer Heimat entfernten und verschleppten Gläubigen. Es ist ihr Glaube, dass im Land Israel Gott durch seinen Propheten wirkt. Es ist der Glaube daran, dass das verheißene Land ein Heilsraum ist, der erfahrbar und real ist. Das Wasser des Jordan wird für Naaman die fühlbare Gotteserkenntnis. Der Erdboden wird zum Realsymbol der Beziehung zu dem allmächtigen Gott. Die Allmacht Gottes wird so räumlich greifbar, ohne jedoch begrenzt zu sein.

Kunst etc.

Der holländische Maler Pieter de Grebber (1600-1652) zeigt in seiner Darstellung der Aussage von Vers 16 die fundamentale Ablehnung des Propheten gegen eine Bezahlung seiner Taten mit weltlichen Gütern: „So wahr der HERR lebt, in dessen Dienst ich stehe: Ich nehme nichts an.“ Mit dem Rücken dem in glänzenden Kleidern gekleideten Naaman samt seiner Entourage zugewandt, scheint der Prophet geradezu in die dunkele Hälfte des Gemäldes fliehen zu wollen. Das Handeln Gottes lässt sich nicht materiell vergelten. Es scheint gar so, dass der Maler vielleicht andeuten will, dass das Weltliche nur blendet. Der gemalte Elischa hingegen ist nur in seinem Gesicht und in seinen Händen hell dargestellt, womit sein Wirken positiv dargestellt wird.

„Elisha refusing the gifts of Naaman”, Pieter de Grebber – Lizenz: gemeinfrei.
„Elisha refusing the gifts of Naaman”, Pieter de Grebber – Lizenz: gemeinfrei.